WM-Affäre:"Wenn das alles rauskommt, haben wir riesige Probleme"

Wolfgang Niersbach

Im Zentrum der WM-Affäre: Ex-DFB-Präsident Niersbach.

(Foto: dpa)
  • Berater Fedor Radmann hat den ehemaligen DFB-Chef Niersbach über die dubiose WM-Vergabe 2006 früh informiert - doch der sagte nichts.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo und Klaus Ott

Wolfgang Niersbach hatte drei alles in allem schöne Jahre als DFB-Präsident hinter sich (inklusive des Gewinns der Weltmeisterschaft), als er Ende Mai 2015 einen Anruf erhielt. Die Angelegenheit, um die es ging, sollte später seine Karriere zerstören. Am Telefon war Fedor Radmann, einer der größten Strippenzieher im internationalen Sportgeschäft. Sehr robust, sehr gewieft.

Radmann hatte an der Seite von Franz Beckenbauer geholfen, die WM 2006 nach Deutschland zu holen. Man müsse sich treffen, es gebe "Wichtiges" zu bereden, soll Radmann zu Niersbach gesagt haben. Allerdings nicht am Telefon, denn er habe Angst, abgehört zu werden. So jedenfalls hat es Niersbach den Anwälten der Kanzlei Freshfields erzählt, die im Auftrag des DFB die Affäre um die WM 2006 aufklären sollen.

Die Lektüre von Dokumenten sowie Gespräche mit Kennern des Falles ermöglichen bislang unbekannte Einblicke in den gescheiterten Versuch der alten DFB-Spitze, ordentlich mit einer riesigen hauseigenen Affäre umzugehen. Der größte Sportfachverband der Welt dilettierte und vertuschte. Wenn die Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien so gespielt hätte, wie die Funktionäre den Fall managten, wäre sie früh ausgeschieden.

Was den sonst so unerschrockenen Radmann offenbar in Panik versetzte, das stellte sich schon bald heraus, war ein Hinweis auf einem Fifa-Kongress am 29. Mai in Zürich. Ein hochrangiger Fifa-Funktionär soll ihm anvertraut haben, im Zusammenhang mit der WM 2006 sei es möglicherweise zu "Unregelmäßigkeiten" gekommen. Ein hübscher Begriff für einen bösen Verdacht. Mit dem Kulturprogramm sei etwas schief gelaufen. Was machte der Präsident? Er bat den damaligen stellvertretenden DFB-Generalsekretär Stefan Hans, sich mit Radmann zu treffen.

Anfang Juni 2015 brannte also beim DFB schon die Hütte

Die Begegnung fand am 3. Juni in Gravenbruch bei Frankfurt statt. Radmann soll erläutert haben, nach Darstellung des Fifa-Informanten sei viel Geld möglicherweise nicht für den ursprünglichen Zweck verwendet worden. Der Name des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus soll gefallen sein, weil der das Geld am Ende bekommen habe. Von einem Schuldschein, den Beckenbauer unterzeichnet habe, soll auch die Rede gewesen sein. "Wenn das alles rauskommt, haben wir riesige Probleme", soll Radmann noch gesagt haben.

Anfang Juni 2015 brannte also beim DFB schon die Hütte. Hans rief sofort Niersbach an, und der soll erklärt haben, er kenne den Vorgang nicht. Man solle darüber noch mal reden. Anschließend informierte Hans DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock. Der soll entsetzt gewesen sein. Hans hatte den Eindruck, Sandrock habe den Vorgang nicht gekannt.

Täuschungsmanöver "am Hochreck"

Niersbach und Hans trafen sich kurz darauf vor dem Champions-League-Finale in Berlin. Niersbach soll Hans den Auftrag gegeben haben, der Sache mal nachzugehen. Hans solle aber keine weiteren Personen einbinden, der Kreis solle klein bleiben. Am 9. Juni 2015 fand dann ein Treffen der WM-Veteranen Niersbach, Radmann, Beckenbauer und Horst R. Schmidt in Egelsbach statt.

Zu diesem Zeitpunkt, so Niersbach bei Freshfields, seien ihm klar geworden, "da gibt's etwas im Zusammenhang" mit einem Fifa-Zuschuss zu WM. Auch habe Hans schon Unterlagen aus dem Archiv geholt und von einem Täuschungsmanöver "am Hochreck" gesprochen. Am 11. Juni sollen dann Hans und Sandrock nach einem Länderspiel in Köln Niersbach nahegelegt haben, den Vorgang dem DFB-Präsidium offenzulegen. Niersbach widersprach, wie er bei Freshfields erklärte. Er habe den Sachverhalt erst aufklären wollen.

Im Juli und August 2015 folgte ein weiteres Treffen von Niersbach mit Beckenbauer&Co. Beckenbauer soll den schönen Satz gesagt haben: "Wenn man von der Fifa was bekommt, muss man was geben." Aber das Präsidium des DFB wurde immer noch nicht eingeweiht.

Die Sommerferien und der Tod von Beckenbauers Sohn Stephan, der am 31. Juli 2015 starb, seien dazwischen gekommen, erzählte Niersbach bei seiner Freshfields-Vernehmung. Deshalb habe man die alten Vorgänge nicht abschließend klären und die DFB-Gremien auch nicht unterrichten können. Erst am 16. Oktober 2015, als der Spiegel die Millionen-Schieberei enthüllte, offenbarte sich Niersbach dem Präsidium.

Ihm gehören führende Vertreter der Bundesliga und der Landesverbände an, und auch Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. Wäre das DFB-Präsidium schon im Juni 2015 ins Bild gesetzt worden, dann hätte es damals bereits keine Chance mehr gegeben, die Millionen-Schieberei weiter zu verheimlichen. Niersbach will sich nach Angaben seiner Anwältin zu alledem öffentlich nicht äußern. Er habe dem DFB und Freshfields im Hinblick auf die noch laufenden Untersuchungen Vertraulichkeit zugesagt und wolle sich daran halten.

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