Abfahrts-Weltmeister von Allmen:Der Zimmermann sprengt die Party

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Auf Anhieb Schnellster: Franjo von Allmen ist Abfahrts-Weltmeister. (Foto: Christian Bruna/Getty)

Franjo von Allmen entreißt dem Österreicher Vincent Kriechmayr den WM-Sieg und geht als jüngster Abfahrtsweltmeister seit Hansjörg Tauscher 1989 in die Geschichte ein. Über einen 23-jährigen Champion, der fast schon aufgegeben hatte.

Von Korbinian Eisenberger, Saalbach-Hinterglemm

In all den Geschichten dieses Sports ranken sich die meisten Mythen um die Disziplin Abfahrt. In Österreich, wo das Skifahren die wichtigste Nebensache der Welt ist, kann man das alljährlich auf der Streif-Abfahrt in Kitzbühel sehen. Und in diesem Jahr sollte es einen Nachschlag geben, in Saalbach-Hinterglemm, bei der Weltmeisterschaft. Im riesigen Skistadion war jeder Winkel besetzt, noch mehr rot-weiß-rote Fahnen als an den Tagen zuvor flatterten durch die Luft. Alles war bereitet für einen österreichischen Goldtag bei der Heim-WM, doch dann kam ein junger Schweizer und raste ins Ziel wie ein Partycrasher.

Der 23 Jahre alte Franjo von Allmen hat bei der Ski-WM ein bemerkenswertes Rennen gezeigt, als jüngster Abfahrtsweltmeister seit 1989 wird er nun in den Statistiken vermerkt. Den Rekord hält weiterhin der deutsche Abfahrer Hansjörg Tauscher, dem dieser Coup seinerzeit im zarten Alter von 21 in Vail, Colorado, gelang. Für Allmen standen vor dieser WM erst 25 Auftritte im Weltcup zu Buche, für den Schweizer ist es die zweite Saison in der obersten Liga des Skirennsports. „Ich bin volles Risiko gegangen“, sagte Allmen später dem Sender ORF. Und: „Wir werden feiern bis zum Umkippen.“

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Die Dramaturgie dieses Abfahrtsrennens vor mehr als 20 000 Zuschauern im Stadion und am Streckenrand beschränkte sich im Wesentlichen auf die Startnummern 1 bis 13. Allmens Teamkollege Alexis Monney, Startnummer 8, legte eine neue Bestmarke hin, mit großem Abstand vor allen anderen. Und es dauerte nicht lange, ehe sich der beste – aber nach wie vor angeschlagene – österreichische Abfahrer Vincent Kriechmayr aufmachte, diese Zeit zu unterbieten. Der 33-Jährige schoss durch den technisch anspruchsvollen Kurs, bei jeder eingeblendeten Zwischenzeit ging unten ein Raunen durchs Stadion. Und dann, als er den Zielstrich überquerte, flogen auf den Rängen die Bierbecher. Reicht das für Gold?

Drei Minuten nach Kriechmayr stürzte sich der gelernte Zimmermann aus dem Kanton Bern die Zwölferkogelpiste hinab, nicht restlos sauber, zweimal verschlug es ihm die Ski. Sollte dem diesem Mann gleich bei der WM sein erster Abfahrtssieg überhaupt gelingen? Allmen wählte eine sehr direkte Linie, sie war so schnell, dass sie seine kleinen Fehler wettmachte. Im Ziel leuchtete Platz eins auf, 24 Hundertstelsekunden vor Kriechmayr. Die Zeit konnte auch sein Schweizer Teamkollege Marco Odermatt nicht unterbieten, der Super-G-Weltmeister wurde Fünfter. Dritter wurde Monney, vom Deutschen Skiverband landeten Romed Baumann und Simon Jocher auf den Rängen 19 und 24, Luis Vogt, der trotz seines spektakulären Sturzes im Super-G an den Start ging, schied aus.

So waren diesmal die Kameras und Scheinwerfer auf einen Schweizer gerichtet, der noch wenig ausgeleuchtet ist. Wer ihn trifft, begegnet einem Mann mit massiven Oberschenkeln und spitzbübischem Lächeln. Fast ein wenig schüchtern wirkte er vor einigen Tagen, als er im Schweizer Haus vor der Reporterschar saß. Er sei „ein glücklicher, unbeschwerter Typ, er nimmt es so, wie es kommt“, sagt seine Schwester über ihn. Doch – auch das ist Teil seiner Geschichte – das war nicht immer so.

Die Allmens haben eine Familientragödie hinter sich. 2019, da war Franjo 17 Jahre alt, starb überraschend sein Vater. Die Mutter, die Tochter und die zwei Brüder hatten nicht nur seinen Tod zu verarbeiten, sie drohten auch in den finanziellen Ruin zu schlittern, so dramatisch war die Lage in jenen Tagen. „Damals war auch die Fortsetzung meiner Rennfahrerkarriere auf der Kippe“, hat Allmen der Schweizer Zeitung Blick einmal erzählt. Der Teenager stand kurz davor, die sportliche Laufbahn zu beenden, ehe sie richtig begonnen hatte. Doch es kam anders.

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Franjo van Allmen folgte dem Rat, ein Crowdfunding-Projekt zu starten

Inspiriert durch Zurufe von Vertrauten, startete Franjo von Allmen ein Crowdfunding-Projekt, er sammelte Spenden von Gönnern, um den anstehenden Skiwinter zu finanzieren. Dieser Plan ging auf, denn nach jener Saison gelang ihm bereits der Sprung in den Schweizer Skikader. Fortan ging es bergauf.

Fünf Jahre später werden diesem Mann enorme Kräfte nachgesagt. Zudem, das hat seine Goldfahrt am Sonntag in Saalbach erahnen lassen, gelingt es ihm, aus Schwächen Stärken zu entwickeln, nach Fehlern umso mehr zu beschleunigen. Seine Teamkollegen sagen über den Skiprofi aus der Gemeinde Boltigen, interner Meister des Schnarchens zu sein. Franjo von Allmen würde das nie leugnen, im Gegenteil. Er sieht es als Vorteil, weil er so meist in einem Einzelzimmer residiert.

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