Portugal bei der WM in Katar:Der Abend des Bruno Fernandes

Portugal bei der WM in Katar: Hatten noch etwas zu besprechen: Cristiano Ronaldo und Bruno Fernandes (r.).

Hatten noch etwas zu besprechen: Cristiano Ronaldo und Bruno Fernandes (r.).

(Foto: Odd Andersen/AFP)

Portugal zieht durch ein 2:0 gegen Uruguay ins Achtelfinale ein, mit Cristiano Ronaldo in einer kuriosen Nebenrolle. Die Hauptdarsteller: Portugals Doppeltorschütze - und ein Flitzer mit Regenbogenfahne.

Von Javier Cáceres, Lusail

Die Selbstverliebtheit des Cristiano Ronaldo bleibt eine Klasse für sich. Beim 2:0-Sieg seiner Portugiesen gegen Uruguay vom Montag reklamierte Ronaldo den Führungstreffer für sich, obwohl er den Flankenball von Bruno Fernandes nicht einmal mit den Haarspitzen berührt hatte. Nach Ansicht der TV-Bilder schrieb der Weltverband Fifa ihn Bruno Fernandes zu, der auch das 2:0 erzielte - per Handelfmeter (90.+3). Die für Portugal wichtige Essenz des Abends: Der Europameister von 2016 hat sich vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen Südkorea für das Achtelfinale der WM qualifiziert. Die außersportliche Nachricht, die sich am Montagabend im Lusail-Stadion zutrug, war eine andere. Denn zu Beginn der zweiten Halbzeit wurde das Stadion zur Bühne des ersten sichtbaren Protests in Katar.

Wenige Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit sprang ein "Flitzer" auf den Rasen und rannte mit einer Regenbogenfahne der Friedensbewegung, der "Pace"-Flagge, in der Hand übers halbe Feld. Der "Flitzer" trug überdies ein T-Shirt, auf dem vorne "Rettet die Ukraine" sowie das "Superman"-Logo und hinten "Respekt für die Frauen des Iran" zu lesen war. Die Aktion dauerte allenfalls Sekunden - und wurde den TV-Zuschauern in aller Welt nicht gezeigt, wie es auch bei Europapokalspielen Usus ist. Der Protestler wurde sanft abgeführt. Das Sicherheitspersonal verschwand mit ihm in den Katakomben des Stadions. Angaben zur Identität des Zuschauers lagen zunächst nicht vor.

Uruguays Trainer Diego Alonso hatte den berühmten Luis Suárez zunächst auf der Ersatzbank gelassen; der zuletzt bei Nacional Montevideo angestellte Stürmer hatte sich ja 2014 in der WM-Geschichte verewigt, als er seinem italienischen Bewacher Giorgio Chiellini in die Schulter biss. Dafür hatte Portugals Nationaltrainer Fernando Santos Verteidiger Pepe aufgeboten.

In Zivil ist Pepe dem Vernehmen nach lammfromm, freundlich, nahbar. Wenn er aber die Uniform einer Fußballmannschaft trägt und das von vier Kreidelinien eingegrenzte Spielfeld betritt, erfährt er eine mysteriöse Verwandlung. Vor ein paar Jahren erlangte er weltweite Berühmtheit, weil er zu seiner Zeit bei Real Madrid den Rücken eines am Boden liegenden Spielers von Getafe mit den stollenbewehrten Sohlen seiner Schuhe massierte. Aber: Die Partie verließ im Grunde nie die Grenzen der legitimen Härte. Das lag auch daran, dass der iranische Schiedsrichter Alireza Faghani recht früh mit einer gelben Karte für den Uruguayer Rodrigo Bentancur ein Zeichen setzte, das sich nur als Kompromisslosigkeit bei der Ausübung der Regeldurchsetzung deuten ließ (6.). Die Verwarnung führte dazu, dass im Grunde Ruhe im Lusail-Stadion war.

Ronaldo wähnt sich fälschlicherweise im Besitz eines WM-Torrekords

Das galt auch für das Spiel an sich. Jedenfalls dann, wenn man klare Torchancen für den einzigen legitimen Parameter bei der Bewertung eines Fußballspiels hält. Das hielt das Publikum nicht davon ab, Begeisterung zu zeigen. Es war nicht wegen eines Fußballspiels gekommen. Sondern um einem derzeit anstellungslosen Helden zuzujubeln, den sie sonst nur im TV sehen: Cristiano Ronaldo, Kapitän Portugals. Auf den Rängen waren extrem viele Zuschauer mit roten Trikots der portugiesischen Nationalelf zu sehen - wegen Ronaldo. Jeder Schuss, der beim Aufwärmen im Tor landete, wurde von den lokalen Anhängern bejubelt. Ronaldo gehörte aber auch die erste Szene des Spiels. Er legte einen Ball im Strafraum mit der Schulter auf William ab; dessen Schuss aber landete überm Tor (3.). Das war eine der wenigen Torszenen der ersten Halbzeit. Auf der anderen Seite galoppierte Bentancur übers halbe Feld und landete vor Portugals Torwart Diogo Costa, nachdem er auch die Abwehrkette überwunden hatte. Doch Costa hielt bravourös.

Portugal bei der WM in Katar: Einer der Hauptdarsteller an diesem Abend: ein Flitzer mit Regenbogenfahne.

Einer der Hauptdarsteller an diesem Abend: ein Flitzer mit Regenbogenfahne.

(Foto: Manan Vatsyayana/AFP)

Die Partie geriet zäh - und verwandelte ihr Antlitz, nachdem der Protestler seinen Regenbogen aufs Feld getragen hatte. Fernandes schlug einen Ball in den Strafraum, und dieser landete im Netz, ohne dass Ronaldo ihn berührt hätte. Ronaldo ließ sich als Torschütze feiern - und wähnte sich in Besitz des WM-Torrekords von Eusébio (9 Treffer). Doch noch während er auf dem Platz stand, schrieb die Fifa das Tor seinem Kameraden Fernandes zu.

Danach kam die stärkste Phase der Uruguayer: Maxi Gómez traf den Pfosten (72.), Luis Suárez das Außennetz (78.), dann vergab Giorgian De Arrascaeta (79.). Portugals Trainer Santos reagierte, holte Ronaldo vom Feld, um mit frischen Kräften auf Konter zu spielen. Der Plan ging auf: Fernandes traf vom Punkt zum 2:0. Der Sieg hätte noch höher ausfallen können. Doch während die Uruguayer zittern müssen, geht es für Portugal am Freitag nur noch darum, ob sie Gruppenerster oder -zweiter werden.

Und der Flitzer? "Ich hoffe, dem Jungen passiert nichts", sagte Portugals Nationalspieler Rúben Neves: "Wir alle haben seine Botschaft verstanden, die ganze Welt hat sie verstanden."

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