Früher, als sie mit gerade 16 Jahren zum SC Klinge Seckach und drei Jahre später zur SSG 09 Bergisch Gladbach wechselte, "da gab es nicht nur noch keine Frauen-Nationalmannschaft, da gab es auch keinen, der einem gesagt hätte, wie man ordentlich trainiert", erinnert sich Neid. "Geh rein und mach' was draus", habe es von ihren Trainern meist geheißen.
Eine der besten Spielerinnen ihrer Zeit: Silvia Neid.
Alle verließen sich darauf, dass Neid schon wissen würde, was zu tun ist. Also lernte sie, sich und ihren Instinkten zu vertrauen, und es funktionierte. "Ich hätte damals wahnsinnig gerne mehr gelernt und mich mehr verbessert", sagt Neid, "ich trauere heute noch darum, dass ich nicht beidfüßig schießen gelernt habe. Aber ich hatte eben einen starken rechten Fuß, damit waren alle zufrieden. Heute genügt das nicht mehr."
Heute müssen alle deutschen Nationalspielerinnen, schon in den Juniorinnen-Auswahlmannschaften, beide Beine trainieren und mit links wie rechts schießen können. Darauf achtet Neid genauso wie ihre Vorgängerin Tina Theune, deren Assistentin sie seit 1996 und auch beim ersten WM-Sieg 2003 in den USA war. Als Theune 2005 aufhörte und Neid übernahm, war nicht klar, ob sie die großen Fußstapfen würde füllen können.
Als sie bei der WM 2007 in China dann selbst den Titel holte, den zweiten deutschen hintereinander, was zuvor keiner Nationalelf gelungen war, hat sich etwas verändert, sagt Neid. "Seitdem weiß ich, dass ich keinem mehr etwas beweisen muss." Es ist ein Gefühl von Unabhängigkeit, das Neids Trainerdasein eine neue Qualität gibt. Sie muss nicht mehr, sie kann jetzt. Die älteren Nationalspielerinnen, die sie schon länger kennen und sie deshalb noch duzen dürfen, spüren das. "Sie ist schon ruhiger geworden. Nicht mit dem, was sie will, aber in der Art, wie sie es will", sagt etwa Birgit Prinz.
"Eine meiner Stärken ist, mich genau zu kennen", sagt Neid. Sie kann einschätzen, was sie kann und was sie besser sein lässt. Und sie hat schnell ein Gespür dafür, wofür andere ein Talent haben und woran sie besser arbeiten sollten. Dieser genaue Blick ist es, der Neids Arbeit als Trainerin auszeichnet und mit dem sie Deutschlands Nationalelf zum Marktführer gemacht hat.
Er ist es auch, der sie für andere oft so unerbittlich macht: Wer mit ihrer Kritik zurecht kommt, profitiert davon. Und die anderen? "Wenn eine nicht an sich arbeitet und sich nicht verbessert, kann ich mit ihr nichts anfangen", sagt Neid. Zuletzt musste das Stürmerin Anja Mittag spüren. Neid strich sie aus dem WM-Kader, weil andere effektiver geworden waren. Obwohl Mittag die erklärte Lieblingsspielerin von DFB-Präsident Theo Zwanziger war.