Es gibt Augenblicke im Leben der Silvia Neid, in denen sie alles um sich herum vergessen kann. Da geht die Hobbygolferin ganz auf in dem Moment, hört auf zu überlegen und macht einfach. Einmal im Monat etwa, meist an Samstagen, veranstaltet ihr Klub, der Golfclub Siegerland, ein Turnier, wie es im Golf beliebt ist. "Tiger & Rabbit" heißt der Wettkampf, bei dem ein Gespann aus einem erfahrenen Golfer und einem lernenden Spieler zusammen auf die Platzrunde geht.
Deutliche Anweisungen: Silvia Neid während des Trainings der Frauen-Nationalmannschaft in Berlin.
(Foto: dpa)Der Rabbit, der Hase also, soll dabei vom Tiger lernen, und man kann sich Silvia Neid gut vorstellen, wie sie mit dem Golfschläger am Grün steht, mit der Entschlossenheit einer Tigerin, die Augen auf den kleinen Ball gerichtet wie auf eine Beute, und ... stopp! Silvia Neid ist hier nicht der Tiger. Sie ist der Hase. Noch.
Jahrzehntelang war Silvia Neid immer eine der Besten in ihrem Sport. Im Fußball kann der Frau aus dem kleinen Walldürn kaum einer was vormachen. Ob Dribbeln, Laufen oder Passen, ob Spielaufbau oder Torabschluss - als Neid noch selbst auf dem Platz stand, hatte kaum eine dieses Körpergefühl, dieses Talent am Ball, diesen Blick für den Raum und diese Ahnung für die Schwächen des Gegners wie Neid.
"Die Silv' ist die geborene Anführerin", hat Gero Bisanz einmal gesagt, der erste Trainer der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, der Neid damals, im ersten deutschen Frauen-Länderspiel am 10. November 1982, gegen die Schweiz in der 41. Minute einwechselte. Eine Minute später schoss die damals 18-Jährige das 3:0 und war seitdem aus der Nationalelf nicht mehr wegzudenken.
Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, Olympische Spiele - Silvia Neid hat sie alle erlebt und zumindest als Trainerin fast alle auch gewonnen. Nur der Olympiasieg fehlt in der Sammlung. "Ist doch schön, wenn man noch was vorhat", sagt die 47-jährige lizenzierte Fußballlehrerin.
111 Mal lief die Mittelfeldregisseurin für Deutschland auf, sie hat als Spielerin die Nationalelf geprägt. Dass sie jetzt als Trainerin die deutschen Fußballerinnen zu dieser sechsten WM, der ersten vor heimischem Publikum, anführt, nennt Neid "etwas, dass ich mir früher nie hatte träumen lassen. Aber eine muss es ja machen. Und ich bin nicht die Schlechteste dafür, glaube ich."