WM 2011: Nordkorea:Die ganze Mannschaft unter Verdacht

Novum bei einer Fußball-WM: Zwei Spielerinnen aus Nordkorea werden positiv auf anabole Steroide getestet, anschließend muss das gesamte Team zur Kontrolle. Die Substanz lässt auf unkluges Doping schließen - auch für den DFB ist die Angelegenheit höchst unangenehm.

Carsten Eberts

Am Mittwochabend in Bochum verriet Nordkoreas Trainer Kim Kwang Min noch nichts von den Vorwürfen. Er saß auf der Pressekonferenz und sprach lieber über die Erfahrungen seines Teams bei dieser Weltmeisterschaft, die für Nordkorea nach dem 0:0 gegen Kolumbien beendet ist. Kim sagte: "Wir haben bei der WM viele Erfahrungen gesammelt und wollen uns künftig weiter verbessern."

Frauen-WM 2011 - Doping Nordkorea

Unter Dopingverdacht: Song Jong Sun (links) und Jong Pok Sim.

(Foto: dpa)

Dass Kim auf eine spezielle Erfahrung lieber verzichtet hätte, verkündete der Weltverband Fifa erst am Donnerstagmorgen: Zwei Abwehrspielerinnen Nordkoreas, Song Jong Sun und Jong Pok Sim, wurden nach dem Vorrundenspiel gegen Schweden in der A-Probe positiv auf verbotene Substanzen getestet. Die Fifa reagierte mit einer provisorischen Sperre, Kim strich beide Spielerinnen kurzerhand aus der Aufstellung gegen Kolumbien.

Die WM in Deutschland hat damit ihren ersten Dopingfall, besser gesagt: ihre ersten Dopingfälle. "Die Analyse ergab, dass sie auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen", sagte Jiri Dvorak, der Medizinische Direktor der Fifa: "Das ist ein trauriger Tag. Wir sind sehr bedrückt durch diese Tatsachen."

Ein gleichfalls bedrückendes Bild ergab sich nach der Partie gegen Kolumbien: Das Anti-Doping-Reglement der Fifa sieht vor, eine gesamte Mannschaft auf Doping zu untersuchen, wenn mehr als eine Spielerin aus einem Team positiv getestet wurde. Von der Fifa beauftrage Damen mit "Doping"-Leibchen führten die nordkoreanischen Spielerinnen einzeln durch den Spielertunnel zur Kontrolle. Eine ganze Mannschaft unter Generalverdacht, so etwas gab es bei einer WM noch nie. "Das ist ein einmaliger Vorgang bei Weltmeisterschaften", sagte auch Fifa-Mann Dvorak.

Dass es ausgerechnet die Nordkoreanerinnen trifft, überrascht kaum. Auch bei anderen Sportarten werden häufig Teilnehmer aus Ländern erwischt, die den Sport noch weniger professionell betreiben als ihre Kollegen: Schwimmer aus Venezuela, Gewichtheber aus Rumänien. Gemäß der alten Regel: Wer dopt, muss klug genug dafür sein und es sich leisten können.

Gerade der Druck auf die Nordkoreanerinnen war vor der WM groß. Im kommunistischen Regime ist Frauenfußball Staatssport, die Politik des abgeschotteten Landes forderte nicht weniger als den Weltmeistertitel von seinen Spielerinnen. Erfahrungen mit den Regularien und Mechanismen bei großen Turnieren hat der Verband jedoch nicht - was den Spielerinnen nun offenbar zum Verhängnis wurde.

Das in der A-Probe nachgewiesene Dopingmittel lässt nicht auf besonders kluges Doping schließen. Es gehört zu den bekanntesten: ein anaboles Steroid der Gruppe S1b, was den Muskelaufbau verstärkt und den Körperfettwert sinken lässt. Und zwar in Mengen nicht knapp, sondern weit über der übrlichen Konzentration im Körper. Nachweisbar sind Steroide bei einmaliger Einnahme bis zu 72 Stunden - die Spielerinnen müssten demnach auch in Deutschland gedopt haben.

Zwanziger erbost

Bislang war Nordkorea die skurrilste Erscheinung dieser WM, über die lediglich der Kopf geschüttelt wurde. Nicht nur wegen der Einheitsfrisur, mit der die Spielerinnen bei ihren Gegnern reichlich Verwirrung stifteten. Vor allem wegen der wahnwitzigen Geschichte des ominösen Blitzes, der die Spielerinnen kurz vor der WM getroffen haben soll. So berichtete es zumindest Trainer Kim nach der Niederlage gegen die USA. Nordkorea war ein Farbklecks des Turniers, das in seiner Anonymität lebte und gerade deshalb so skurril rüberkam. Nun droht dem Gastspiel eine ernsthaftere Dimension.

Auch für den DFB ist es eine höchst unangenehme Angelegenheit. Um Nordkorea besser ins Turnier zu integrieren, hatte der Verband vor der WM ein Freundschaftsabkommen mit dem kommunistischen Land abgeschlossen: Eine Delegation um DFB-Boss Theo Zwanziger und OK-Chefin Steffi Jones reiste nach Nordkorea, zurück in Deutschland zahlte der DFB seinen Gästen dann ein Trainingslager in der Sporthochschule Leipzig, kam sogar bis Turnierbeginn für die Hotelkosten auf.

Die Hoffnung: Nordkorea würde sich der Welt öffnen, transparenter auftreten und beispielsweise Interviews geben, wie alle anderen Teilnehmerländer auch.

Dass die Idee nicht wirklich Ertrag brachte, zeigten schon die ersten Turniertage. Nordkorea schottete sich trotzdem weiter ab; nach den Spielen gab lediglich Trainer Kim Kwang Min Antworten auf Pressefragen, seine Spielerinnen schlichen stets wortlos in den Mannschaftsbus. Die Dopingvorwürfe setzen die angedachte Kooperation in ein noch ungünstigeres Licht.

Der DFB, in Person von Präsident Theo Zwanziger, schwenkte nach Bekanntwerden der positiven A-Probe um. "Dieser Vorfall unterstreicht den Eindruck von einem menschenverachtenden System in Nordkorea, in dem versucht wird, Sportler mit allen Mitteln zu Erfolgen zu führen", sagte Zwanziger und konkretisierte: "Erfolge, die dann für staatliche Propaganda missbraucht werden können."

Trotzdem fügte Zwanziger hinzu: "Dieser Vorfall ändert nichts an der Grundhaltung des DFB, dass ein politisches System wie in Nordkorea vor allem auch durch sportliche Begegnungen Stück für Stück aufgebrochen werden kann. Diesbezüglich sind wir durch unsere Bemühungen vor und während der Weltmeisterschaft sicher ein Stück weitergekommen."

Die nordkoreanische Delegation hat selbstredend jegliche Stellungname verweigert. Die Frist für den Antrag zur Öffnung der B-Probe ließ sie ebenfalls verstreichen. Die Mannschaft hat Deutschland bereits verlassen: Nach Informationen des sid ab Düsseldorf mit dem Flieger LX1029 nach Zürich. Und dann weiter nach Pjöngjang.

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