WM 2011: Inka Grings im Gespräch:"Für den Frauenfußball ist das besser als ein 7:0"

Inka Grings zählt zu den erfahrensten deutschen Spielerinnen bei dieser WM. Ein Gespräch über unerwartet knappe Partien, ihre schwierige Rolle als Ersatzsstürmerin hinter Birgit Prinz und den lähmenden Druck für das deutsche Team.

Kathrin Steinbichler und Claudio Catuogno

Seit Jahren gibt es kaum ein größeres Stürmer-Schlitzohr im deutschen Frauenfußball als Inka Grings. Wegen vieler Verletzungen und einiger Querelen mit der Trainerin aber verpasste die gebürtige Düsseldorferin (92 Länderspiele/62 Tore) oft die großen Turniere. Beim EM-Sieg 2009 glänzte sie als Torschützenkönigin, ebenso in den Bundesliga-Spielzeiten 2008 bis 2010. Die WM 2011 aber erlebt die 32-Jährige vom FCR Duisburg bislang als Einwechsel- spielerin, was für sie unerwartet kam und auch eine ungewohnte Rolle ist. Vor der Vorrundenpartie um den Gruppensieg gegen Frankreich am Dienstag (20.45/ZDF) in Mönchengladbach wird klar, was Grings will: Sie will als Führungsspielerin auf dem Platz stehen.

Germany v Nigeria: Group A - FIFA Women's World Cup 2011

Bisher nur Teilzeitkraft: Inka Grings (li.) kommt bei dieser WM bisher von der Bank.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

SZ: Frau Grings, man muss das ja fragen nach der knüppelharten Partie gegen Nigeria: Wo tut es noch weh?

Inka Grings: Es geht schon wieder. Nach dem Spiel hatten wir alle unsere Blessuren, aber dann schläft man eine Nacht drüber, und wir haben auch eine phantastische medizinische Versorgung.

SZ: Sie haben nicht mal einen kleinen Tape-Verband?

Grings: Ich bin froh, wenn ich mal keinen Verband und kein Tape brauche. Nein, es ist alles wieder gut.

SZ: Sie hatten vor dem Turnier die "bisher härteste WM" im Frauenfußball prognostiziert. An Tritte hatten Sie dabei eher nicht gedacht, oder?

Grings: Ich hatte eher ans Niveau gedacht, und es hat sich ja bisher auch bestätigt, dass die anderen Nationen aufgerüstet haben. Ich bin sehr positiv angetan von dieser WM, es sind fast alles knappe und spannende Spiele, das ist eine bessere Werbung für den Frauenfußball, als wenn die Spiele ständig 6:0 oder 7:0 ausgehen würden.

SZ: Dem deutschen Team hätten ein bisschen weniger Zittern und etwas mehr spielerische Überlegenheit allerdings gutgetan.

Grings: Wir sind immerhin mit zwei Siegen im Viertelfinale. Aber die Situation ist ungewohnt, keine Frage, weil gerade auf uns Deutschen bei dieser Heim-WM schon ein extremer Druck lastet. Aber ich sage immer: Solche Spiele wie gegen Nigeria musst du gewinnen, dann kannst du eigentlich nur Weltmeister werden. Jetzt freuen wir uns auf Frankreich, das ist ein sehr spielstarker Gegner. Und solche Mannschaften liegen uns mehr als Teams, die vor allem versuchen, zu zerstören.

SZ: Ihre ehemalige Duisburger Trainerin Martina Voss-Tecklenburg hat über Sie gesagt: Inka Grings hat wahnsinnig viel Energie, und wenn man es schafft, die zu kanalisieren, kommt etwas Gutes dabei raus. Wie kanalisiert man Energie, wenn man nicht in der Startelf steht?

Grings: Das ist gerade schwierig. Sehr schwierig. Ich war zuvor immer in der Startelf, jetzt aber nicht mehr. Ich versuche, mit der Situation klarzukommen, das gelingt mir auch ganz gut. Und ich werde jetzt im Training und bei den Spielanteilen, die ich bekomme, alles daran setzen, um mich der Trainerin anzubieten. Ich will spielen, ich bin da auch in einer anderen Position als andere Auswechselspielerinnen...

SZ: ...als eine, die nach Treffern zweitbeste Stürmerin der abgelaufenen Bundesliga-Saison und Torschützenkönigin der EM 2009 ist?

Grings: Als Stürmerin habe ich einen gesunden Egoismus. Ich nutze jetzt die Zeit, mich zu beweisen. Und wenn man reinkommt, in welcher Minute auch immer, dann will man sich natürlich noch mehr beweisen, als wenn man von Anfang an spielt.

"Es sind für mich keine einfachen Tage"

SZ: Sie sind mit dem Anspruch in die Weltmeisterschaft gegangen, die Jüngeren im Team zu führen. Verändert sich so ein Anspruch, wenn man nicht in der Startelf steht?

Grings: Auf gar keinen Fall. Dafür bin ich nicht der Typ, und dafür habe ich auch zu viel Routine, Erfahrung und auch Präsenz. Natürlich spricht man mit den Mitspielerinnen in so schwierigen Situationen, gerade mit den jungen. Ich versuche, ihnen zu vermitteln, dass man an sich glauben muss. Das brauchen wir momentan ganz stark in der Mannschaft.

SZ: Sie haben offenbar das Selbstbewusstsein, das der Mannschaft gerade fehlt.

Grings: Es sind auch für mich keine einfachen Tage, aber ich war immer eine Kämpferin, jetzt gerade bin ich eine ganz große Kämpferin. Dieses Selbstbewusstsein versuche ich zu vermitteln, das macht mich auch so stark. Und ich versuche, der Mannschaft so viel mitzugeben, dass wir die Spiele positiv bestreiten. Das Wichtigste ist schließlich der Mannschaftserfolg.

SZ: Sind die öffentlichen Erwartungen, der Druck, das ganze Drumherum bei dieser WM eine Ursache dafür, dass es jetzt spielerisch rumpelt?

Grings: Den Eindruck konnte man in den ersten beiden Spielen gewinnen. Natürlich ist der Druck bei dieser WM größer als sonst, und niemand möchte Fehler machen. Aber wir haben das Fußballspielen ja nicht verlernt. Wir haben oft genug bewiesen, dass wir phantastische Spielerinnen haben. Aber wir spielen jetzt nicht gegen die Niederlande oder Italien wie in der Vorbereitung, wir spielen gegen ganz andere Kaliber. Deswegen muss man anders ins Spiel gehen. Der Druck von außen, die Kulisse, das spielt mit Sicherheit eine Rolle. Wir wissen, dass wir nach vorne noch nicht die nötige Kreativität gezeigt haben, dass da zu selten mal eine Akzente gesetzt hat, einfach mal versucht hat, eine Entscheidung zu treffen.

SZ: Woran liegt das?

Grings: Das kann nur mit dem Kopf zusammenhängen, andere Erklärungen habe ich nicht. Wir sind körperlich unheimlich stark, und jetzt müssen wir versuchen, einen Weg zu finden, dass wir einfach wieder Bock haben, Fußball zu spielen.

SZ: Viele in der Mannschaft wirken stark mit sich selbst beschäftigt.

Grings: Wir haben uns gegen Nigeria den Schneid zu oft abkaufen lassen, und wenn du gegen so einen harten Gegner einmal zurückziehst, hast du im Zweikampf schon verloren. Aber man zeigt auch Charakter, wenn man so ein Spiel gewinnt, und dahin müssen wir kommen: dass wir das positiv sehen und abhaken. Ich glaube, dass manche zu viel nachdenken.

SZ: Wie kann man das ändern?

Grings: Die Bundestrainerin hat gleich am Freitag sehr positiv mit uns gesprochen und uns sehr motiviert, sie hat uns für unsere Willensstärke gelobt, dafür, dass wir so ein Spiel trotzdem noch gewonnen haben. Sie hat aber auch erkannt, dass man jetzt vielleicht einen anderen Weg fahren muss, um die Lockerheit wieder herzubekommen. Sie hat gesagt, wir sollen im Training wieder Spaß kriegen. Es liegt auch an jeder Einzelnen, dafür offen zu sein, und wir sind alle gespannt, was die Trainerin sich da einfallen lässt.

SZ: Die Stammplatz-Debatte um Spielführerin Birgit Prinz überlagert grundsätzlichere Fragen: Vollzieht sich der Generationswechsel in der Offensive nicht nach, sondern schon während der WM? Und was fehlt an der Abstimmung untereinander?

Grings: Birgit und ich hatten nach dem Italien-Testspiel mal ein kurzes Gespräch geführt, über unsere Positionen, über unsere Leistungen. Aber wir machen da keine Stürmerinnen-Besprechung zu viert. Jede versucht, sich im Training zu beweisen. Und dann ist es eben wichtig, dass auf dem Platz, in der Konstellation, die von der Bundestrainerin ausgewählt wird, das Zusammenspiel klappt. Wir haben so viele tolle Fußballerinnen, die auch im Verbund so viel zeigen können - da muss doch mehr gehen.

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