Frauen-WM 2011: Deutschland - Frankreich 4:2:Endlich funktioniert der Angriff

Vorne stark und treffsicher, hinten wacklig: Die deutsche Elf schafft mit einem 4:2 gegen Frankreich den Gruppensieg und begeistert das Publikum trotz einiger Abwehrfehler mit spektakulärem Spiel. Kapitänin Birgit Prinz sitzt 90 Minuten auf der Bank, die Tore machen andere - im Viertelfinale wartet ein schwerer Gegner.

Claudio Catuogno, Mönchengladbach

Es gibt solche Spiele. In denen es um fast nichts geht und doch um alles. In denen sich ein Team finden kann oder verlieren. Und an deren Ende man dann vielleicht noch nicht weiß, ob eine Elf das Zeug zum WM-Titel hat, aber ahnt, wenn es damit nichts werden dürfte. Deutschland gegen Frankreich, das war so ein Spiel bei dieser Frauenfußball-WM, eines, in dem die Frage nach dem Tabellenplatz weniger wichtig war als die nach dem Funktionieren einer Mannschaft. Eine spannende Ausgangslage also, zumal wenn sich all die offenen Fragen um den WM-Gastgeber ranken, der auch der Titelverteidiger ist.

France v Germany: Group A - FIFA Women's World Cup 2011

Inka Grings (re) und Kerstin Garefrekes sorgten für die ersten beiden Treffer der DFB-Frauen - später machte Grings noch ein Tor.

(Foto: Getty Images)

Am Ende dieser Prüfung zweier bereits fürs Viertelfinale qualifizierter Teams ergab sich dann allerdings ein durchaus zwiespältiges Bild. Das deutsche Angriffsspiel war endlich angekommen in dieser WM. Doch nun wackelte die bislang tadellose Abwehr. 4:2 gewannen die Elf von Bundestrainerin Silvia Neid gegen die Französinnen, Kerstin Garefrekes, Inka Grings (2) und Célia Okoyino da Mbabi erzielten die Tore für die deutsche Mannschaft. Im Viertelfinale ist nun Japan nächster Gegner, am Samstag (20.45 Uhr) in Wolfsburg.

Erleichterung also, aber auch neue Unsicherheiten. Sogar der Umstand, dass Birgit Prinz, 33, ihr Team diesmal nicht als Kapitänin aufs Feld führen durfte, was zuletzt vor 28 Monaten vorgekommen war, entfaltete angesichts dieser neuen Sachlage nicht mehr jene Weltuntergangs-Wucht, die alte und neue Frauenfußball-Experten für diesen Fall prophezeit hatten. Dass Prinz den Abend auf der Bank verbrachte, ging auf in einer groß angelegten Rochade, welcher Silvia Neid ihr Team unterzog, und für die man ein ganzes Bündel an Motiven entwirren musste.

Garefrekes trug jetzt das Stück Stoff am Arm, das war die unwesentlichste Veränderung, Bianca Schmidt kam als Rechtsverteidigerin zum Einsatz, weil Linda Bresonik eine Magenverstimmung auskurierte. Lira Bajramaj dürfte ihre Therapiestunde auf dem linken Flügel unter anderem Melanie Behringers Knöchelverletzung verdanken. Dass Lena Goeßling im defensiven Mittelfeld eindrucksvoll probespielen durfte, lag hingegen eher daran, dass Kim Kulig auf dieser Position schon zweimal Lässigkeit mit Fahrlässigkeit verwechselt hat.

Und dann eben noch: Grings für Prinz. Stürmer-Schlitzohr für Rekord-Torschützin. Aber auch bei dieser Entscheidung war Neids Motivlage nicht so schlicht, wie man annehmen konnte. Genau genommen hatte ja Célia Okoyino da Mbabi ihre Spielführerin schon seit dem Eröffnungsspiel aus der Kreativzentrale verdrängt, nur eben nicht gleich auf die Bank, sondern zunächst in die Sturmspitze, wo dann Prinz' Defizite besonders deutlich wurden. "Sie ist derzeit nicht in der besten Form, das hat sie auch selbst bestätigt", so begründete Neids Assistentin Ulrike Ballweg die Maßnahme vor dem Anpfiff, "wir wollen dieses Spiel gewinnen, und dafür brauchen wir Spielerinnen in Topform."

"Gute Gespräche" mit Prinz

Man konnte das nun als jene "Demontage" verstehen, die seit Tagen für leidenschaftliche Debatten gesorgt hatte rund um das Düsseldorfer DFB-Quartier. Und womöglich ist hier tatsächlich eine Ausnahme-Karriere zu Ende gegangen. Aber die gelöste Atmosphäre, in der Neid und Prinz vor dem Anpfiff auf dem Rasen scherzten, dazu die "guten Gespräche", von denen glaubhaft berichtet wurde, machten deutlich: Prinz soll noch ihre Rolle bekommen auf dem erhofften Weg ins Finale. Und sollte dies eine Bank-Rolle sein, wäre auch dies nur die natürliche Logik des Leistungssport-Betriebs.

Neids neues Team jedenfalls funktionierte besser als zuvor, was auch daran lag, dass die Deutschen ihre Offensiv-Verkrampfung aus dem Nigeria-Spiel ablegten. Der Traumpass, mit dem Okoyino Mbabi in der 15. Minute Bajramaj bediente, war bereits ein Signal, und als dann Babett Peter mit einer Freistoßflanke aus dem Halbfeld Garefrekes' Stirn traf, stand es früh 1:0 (25.). Sieben Minuten später flankte Simone Laudehr, und ein erneuter Kopfball, diesmal von Inka Grings, bedeutete das 2:0.

In der zweiten Halbzeit wurde es dann endgültig lebendig, auch weil Bianca Schmidt und Annike Krahn nach einer Ecke der Französinnen den Ball unterliefen, was Marie-Laure Delie den Anschlusstreffer ermöglichte (56.). Nach einem an Bajramaj verschuldeten Elfmeter flog dann Frankreichs Torhüterin Berangere Sapowicz vom Platz - Grings verwandelte zum 3:1. (69.).

Sicherheit brachte aber auch diese Führung nicht: Wieder ein Eckball, diesmal wuchtete Laura Georges den Ball über die Linie, fast eine Kopie des ersten Gegentreffers. Nadine Angerer, die deutsche Torfrau, tobte vor Wut (77.). Einen Bajramaj-Schuss kratzten die Französinnen noch von der Linie, Peter traf die Latte, Okoyino da Mbabi besorgte mit einem Volleyschuss das 4:2. Und Mönchengladbach sang: "Oh, wie ist das schön."

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