WM 2011: Deutsches Team:Therapie für Lira Bajramaj

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So viel Talent - und nur 22 Minuten auf dem Platz: Die hochveranlagte Mittelfeldspielerin Lira Bajramaj erlebt die WM bislang als Enttäuschung. Im Spiel um den Gruppensieg gegen Frankreich könnten die Trainerinnen den Versuch unternehmen, sie richtig ins Turnier zu holen.

Kathrin Steinbichler, Düsseldorf

Der "Rheinlandsaal" im Erdgeschoss des deutschen Mannschaftshotels in Düsseldorf ist ein Ort für großes Kino. Dort - so wirbt in seiner Broschüre das Hotel, das sonst gerne für Tagungen und Kongresse gebucht wird - "ist alles möglich", und so hat sich die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft vor dem abschließenden Gruppenspiel am Dienstagabend gegen Frankreich (20.45 Uhr/ ZDF) dessen vordere Hälfte zum Ort gewählt, um sich den Medien zu präsentieren.

Frauen-WM 2011: Einzelkritik Deutschland
:Bauchplatscher vom Rumpelstilzchen

Alexandra Popp gelingt eine formschöne Bauchlandung, Birgit Prinz reagiert extrem genervt auf ihre Auswechslung, Babett Peter läuft nicht grün an. Trainerin Silvia Neid tobt und schreit und hüpft an der Seitenlinie. Die deutsche Elf beim 1:0 gegen Nigeria in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Frankfurt

"476 m2 für 2 - 525 Personen" stehen zur Verfügung, heißt es auf dem Schild vor dem Saal, und nun sitzt Ulrike Ballweg, die sonst zurückhaltende Assistenztrainerin der deutschen Elf, in den Lichtkegeln der Kameras auf dem Podium und soll erklären, welche Schwächen das deutsche Trainerteam bei den Gegnerinnen aus Frankreich entdeckt hat.

"Wenn man liest, was in den Medien geschrieben wird, dann sind die Französinnen unschlagbar und ein Topfavorit auf den Titel", sagt Ballweg sarkastisch und lässt einmal ihre Kiefermuskulatur spielen. "Aber wir haben da eine andere Meinung." Eine, die aber vor dem Spiel nicht verraten wird. Es wird ohnehin "viel zu viel geredet", sagt Ballweg, die der über der Aufstellung brütenden Bundestrainerin diesen Termin abgenommen hat.

Auch Ballweg bemüht sich, durch Worte zu vermitteln, was dem deutschen Spiel bei dieser WM trotz zweier knapper Siege bislang noch fehlt: Zweikampfstärke, Angriffslust, Selbstbewusstsein. "Wir wissen, wo wir die Französinnen packen können", sagt Ballweg, "und wir werden alles daran setzen, als Gruppensieger ins Viertelfinale zu gehen."

Den Gang hinunter, im etwas versteckter gelegenen Konferenzraum "Sokrates", empfängt in diesen Tagen die französische L'Équipe zum Pressetermin. Auf 115 Quadratmetern für bis zu 140 Personen, was der einzigen Fernsehkamera im Raum genügend Platz lässt. Frankreichs Nationaltrainer Bruno Bini, der wie eine amüsante Mischung aus Jean Paul Belmondo und Claude Brasseur wirkt, begrüßt das anwesende knappe Dutzend von Journalisten per Handschlag, dann wartet er mit Torhüterin Bérangèr Sapowicz und Verteidigerin Wendie Renard auf Fragen.

Frankreich führt nach zwei Siegen mit 5:0 Toren die Vorrundengruppe an und hat wie Deutschland bereits den Viertelfinal- einzug sicher. Ob Bini also schon weiß, wie er gegen Deutschland spielen will? "Die erste Priorität gilt dem Viertelfinale", antwortet Bini, "das ist es, woran ich schon jetzt denke." Aber gibt es eine Spielerin, die Frankreich bislang beeindruckt hat? Bini schweigt. Sapowicz hebt die Augenbrauen. Renard lächelt. Für eine Weile spricht keiner.

"Das soll nicht überheblich wirken", beginnt Bini schließlich, "aber wir sehen nur auf uns." Und Renard, mit 20 Jahren Frankreichs Jüngste und eine von zehn Spielerinnen im Kader, die vor der WM mit Olympique Lyon im Champions-League-Finale Turbine Potsdam 2:0 besiegt haben, erklärt: "In diesem Finale habe ich gegen eine der weltbesten Spielerinnen gespielt, gegen Bajramaj, aber... Man hat gesehen: Wir haben auch gute Spielerinnen."

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Alexandra Popp gelingt eine formschöne Bauchlandung, Birgit Prinz reagiert extrem genervt auf ihre Auswechslung, Babett Peter läuft nicht grün an. Trainerin Silvia Neid tobt und schreit und hüpft an der Seitenlinie. Die deutsche Elf beim 1:0 gegen Nigeria in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Frankfurt

Bini bleibt ernst, doch seine Mundwinkel umspielt ein zufriedenes Lächeln. Nein, das Spiel am Dienstag habe nichts zu tun mit dem Champions-Legue-Finale, aber "für das Selbstbewusstsein der Spielerinnen war diese Erfahrung schon enorm". Auch Deutschland hat gute Spielerinnen, alle wissen das, sogar die Deutschen selbst, nur: Sie müssen es auch zeigen.

In die Startelf? Fatmire Bajramaj. (Foto: dapd)

Lira Bajramaj war in diesem Champions-League-Finale Ende Mai dabei, als ein französisches Team einer deutschen Mannschaft erstmals einen Titel wegschnappte. Schon damals, in ihrem letzten Spiel für Potsdam vor ihrem Wechsel zum 1.FFC Frankfurt, war sie als Offensivspielerin wie auch in den WM-Testspielen wirkungslos geblieben. In den zwei Spielen der WM-Vorrunde schickte Bundestrainerin Silvia Neid sie insgesamt nur 22 Minuten auf den Platz.

Gegen das spielerisch veranlagte Frankreich könnte jetzt in ihrer Heimatstadt Mönchengladbach der Moment kommen, an dem sie zurückfindet zu ihren Stärken. Zu den Überraschungsmomenten, die das deutsche Team so gut gebrauchen könnte, zu den feinen Pässen und kleinen Haken, die eine Abwehr bloßlegen und die Mitspielerinnen in Position bringen können. "Wir haben viel mit ihr gesprochen und versucht, ihr ein bisschen den Druck zu nehmen", berichtet Ballweg. Es klingt, als ob das Trainerteam zum Abschluss der Vorrunde mehr therapeutische als taktische Arbeit leisten müsste.

Gespräche dieser Art jedenfalls gab es in den Tagen von Düsseldorf viele im deutschen Team. Nicht nur Bajramaj sucht ihre Form. Auch Spielführerin Birgit Prinz, die zwei Mal kurz nach der Halbzeit vom Feld musste, ist das Gefühl für die richtige Entscheidung auf dem Rasen abhanden gekommen. Ob Bundestrainerin Silvia Neid deshalb nach der Knöchelverletzung von Melanie Behringer die Startelf ändern und Bajramaj, Inka Grings oder Alexandra Popp bringen wird, weiß die Trainerin selbst noch nicht.

Die Mittelfeldspielerinnen Simone Laudehr und Kim Kulig, die im Fall einer zweiten gelben Karte jeweils fürs Viertelfinale gesperrt wären, sollen auflaufen. Rechtsverteidigerin Linda Bresonik hat ohnehin vor, dem Charme der Französinnen auf ihre Art zu begegnen: "Die schweben nach ihren beiden Siegen natürlich auf Wolke sieben. Wird Zeit, dass wir sie da runterholen."

© SZ vom 05.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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