Die USA und ihre sportvernarrten Bürger lieben Endspiele. Ein Finale ist einer der Momente, in denen die Geschichte hinter dem Spiel größer wird als das Spiel selbst, weil so viel Bemühen und so viel Hoffnung in eben diesem Moment ihre Auflösung finden. Für die USA ist ein Spiel ohnehin nie nur ein Spiel. "Wir sind auf einer Mission", sagt Abby Wambach bei dieser Weltmeisterschaft immer wieder, als sei das Auflaufen im Nationalteam für sie eine andere Art von Dienst am Vaterland. Natürlich, auch die Japanerinnen haben jeden Grund, dasselbe von sich zu behaupten.
Bekannte Pose: Abby Wambach beim Torjubel - zuletzt geschehen im Halbfinale gegen Frankreich.
(Foto: dpa)Die Erdbeben, der Tsunami, das Reaktorunglück, die deshalb trostbedürftigen Menschen zu Hause - der schicksalhafte Überbau, den Japans Fußballerinnen bisher mit erstaunlicher Leichtigkeit mit sich durch diese WM tragen, beeindruckt auch Wambach. Aber so sehr die 31-Jährige ihre Gegnerinnen respektiert, so sehr weiß sie, dass sie sich davon nicht ablenken lassen darf. Nicht jetzt, nicht so kurz vor dem, "wofür ich und das Team so hart gearbeitet haben".
Die Nachrichten, welche die US-Stürmerin vor dem WM-Endspiel gegen Japan am Sonntag (20.45/ARD und Eurosport) aus der Heimat erhält, geben Wambach zudem täglich das Gefühl, auf ihrer Mission das Richtige zu tun. Der ausführlich vom Turnier berichtende Sender ESPN hält von den WM-Standorten in Deutschland nicht nur seine Millionen Fernsehzuschauer auf dem Laufenden, sondern auch das Nationalteam selbst. Julie Foudy, Live-Reporterin und ehemalige Spielführerin der USA, erzählt im Mannschaftshotel in Frankfurt den Spielerinnen, dass etwa vor der City Hall in San Francisco die Menschen zum Public Viewing zusammenkommen.
Auch die US-Soldaten der 170. Infanterie in Afghanistan hätten sich als Fans der soccer girls entpuppt und um die Leinwand versammelt. So viel Zuspruch, so viel Anteilnahme: "Das ist es, warum wir das alles hier tun", sagt Wambach, "diese Energie, die das auslöst, dieser Zusammenhalt - ich liebe mein Land, und ich liebe mein Team." Vielleicht muss man Wambachs Geschichte kennen, um nachzufühlen, welche Bedeutung das Nationalteam für sie hat. Und welche Bedeutung sie für ihre Mannschaft hat.
Wer mit Mia Hamm über Abby Wambach spricht, bekommt leuchtende Augen zu sehen. Hamm, die einstige Spielmacherin und heutige Fußball-Ikone der USA, spielte zu ihrer aktiven Zeit bei Washington Freedom mit Wambach zusammen. Oder besser gesagt: "Ich habe sie unter meine Fittiche genommen", sagte Hamm einmal. Denn Wambach, die sich vor Jahren selbst als "Dummerchen" bezeichnete und inzwischen in Boca Raton/Florida spielt, hatte vieles von dem, was eine gute Fußballerin auszeichnet, aber noch zu wenig von dem, was eine Siegerin ausmacht. "Sie wusste, sie hat diese Physis und dieses Talent, aber sie wusste lange nicht, wie sie damit umzugehen hat", sagte Hamm.
Mary Abigail Wambach, genannt Abby, ist mit ihren 1,81 Meter eine beeindruckende Stürmerin, die immer dann am gewagtesten in die Zweikämpfe geht, wenn ihr Team sonst keine Idee mehr hat. Im Halbfinale gegen Frankreich etwa warf sich Wambach mit dem Schussbein voraus gegen zwei Gegnerinnen in eine Flanke, wie immer - mit voller Wucht. Danach lagen Sonia Bompastor und Torfrau Bérangèr Sapowicz unter sichtlichen Schmerzen derart ineinander verkeilt auf dem Rasen, dass zu befürchten war, neben dem Ärzteteam würde gleich auch ein Feuerwehrteam mit einem Brennschneider aufs Feld eilen.