Süddeutsche Zeitung

WM 2010: Angst vor Betrug:Fifa schützt sich gegen die Wettmafia

Kann die Wettmafia ein WM-Spiel manipulieren? Während Kritiker fest davon ausgehen, winkt die Fifa ab. Und ergreift dennoch zum ersten Mal präventive Maßnahmen.

Thomas Hummel

Die Wahrnehmung von Wolfgang Feldner hat sich verändert. "Vor vier Jahren hätte ich noch gesagt: Was soll das, das kann ich mir nicht vorstellen", erzählt er. Aber heute, kurz vor dem Eröffnungsspiel in Johannesburg, haben sich die Möglichkeiten verändert, und Feldner ist sich nicht mehr ganz so sicher, dass von der Wettmafia nicht auch versucht wird, ein Spiel bei einer Fußball-Weltmeisterschaft zu manipulieren. "Wenn du so viel Geld im Markt verstecken kannst, sind die Voraussetzungen anders", sagt er.

Wolfgang Feldner ist Strategiechef des Frühwarnsystems (EWS) bei der Fifa, das den internationalen Wettmarkt auf ungewöhnliche Bewegungen untersucht. Seit 2006 gab es das EWS zuerst als Pilotprojekt, später bekam es vom Weltverband Fifa ein ständiges Mandat. Es soll verhindern, dass organisierte Gruppen Fifa-Spiele manipulieren oder zumindest im Nachhinein die Einflussnahme aufklären. So wie es der europäische Verband Uefa im vergangenen Jahr vorgemacht hat, als er mit Hilfe der Staatsanwaltschaft Bochum eine Reihe von Spielmanipulationen in ganz Europa aufdeckte.

Das Problem der Spielmanipulationen durch Wettbetrug ist inzwischen also auch beim Weltverband als solches anerkannt. Doch immer noch gehen viele im Fußball-Geschäft davon aus, dass ein WM-Turnier immun ist gegen solche Versuche. Auch Feldner glaubt, dass internationale Spiele weniger geeignet sind für die Betrüger. Angeworbene Spieler und Funktionäre sind ja nur in wenige Partien involviert, und zudem kann man im Vorfeld eines Länderspiels schwerer planen, wer überhaupt antritt. Ganz anders als im Klubfußball, wo es Manipulatoren Woche für Woche mit denselben Spielern zu tun habe.

Die Wettmafia hat sich darauf spezialisiert, Spieler zu überreden, ein genehmes Resultat herbeizuführen. Sie suchen bevorzugt Spieler mit Geldproblemen oder einer labilen Psyche und setzen diese im Zweifel vehement unter Druck. Die Beteiligten sollen dann vor allem durch gekonntes Verlieren oder durch passives Spiel bei knapper Führung ihren Auftrag erledigen. Soll das wirklich möglich sein bei einem WM-Spiel, dem Hunderte Millionen Menschen zusehen?

"Die Manipulatoren werden in Südafrika sein", prophezeit der kanadische Journalist Declan Hill. In seinem Buch Sichere Siege schrieb er, dass das WM-Achtelfinale 2006 Brasilien gegen Ghana wahrscheinlich gesteuert war und die Afrikaner wohl mit Absicht 0:3 verloren. "Sie werden in Südafrika sein, weil sie auf allen Fifa-Turnieren in den vergangenen 20 Jahren waren. Und weil die Fifa keine effektiven Maßnahmen ergreift", behauptet Hill.

Nicht nur Hill wirft der Fifa vor, dass das EWS bei WM-Spielen nutzlos ist. Zunächst verweigern viele Buchmacher gerade aus dem immensen asiatischen Markt eine Zusammenarbeit mit der Fifa und geben ihre Werte gar nicht weiter. Und selbst von den etwa 400, die kooperieren, halten fast alle wichtige Informationen wie die Einsatzhöhen der einzelnen Wetter zurück. "Es wäre wünschenswert, wenn der Wettmarkt insgesamt transparent wäre", sagt Feldner. Aber das ist nicht in Sicht.

Das spezielle WM-Problem ist aber die Höhe der weltweiten Einsätze. Ungewöhnliche Eingänge sind da kaum zu finden, die Quoten bewegen sich selbst bei hohen Einsätzen kaum. "Wenn man 1000 Euro auf eine osteuropäische Liga setzt, wird jeder Buchmacher hellhörig. Bei der WM wohl kaum", meint Feldner. Selbst 10.000 Euro akzeptieren wohl viele Buchmacher. Und da organisierte Gruppen immer bei mehreren Buchmachern ihr Geld deponieren, kann da beim richtigen Resultat ein enormer Gewinn zusammenkommen.

Feldner verweist darauf, dass das EWS neben den Wettquoten noch eine Vielzahl weiterer Quellen heranzieht. Zum Beispiel rekrutiert es Experten und Informationsdienstleister als Mitarbeiter, die etwa aus Asien Hinweise melden sollen, wenn eine Manipulation geplant wird. Bei der Qualifikation zur WM 2010 überwachte das EWS zum ersten Mal systematisch alle Partien. Dass dabei keine Auffälligkeiten bemerkt wurden, wird von den einen als Beweis interpretiert, dass die Wetter hier keinen Einfluss ausüben. Von den anderen, dass man die Wetter nicht erwischt hat.

Immerhin nimmt die Fifa das Problem so ernst, dass sie vor dem Turnier in Südafrika zum ersten Mal handfeste Prävention betreibt. Sie informiert die Teilnehmer schriftlich über Wettvorgänge, Manipulatoren und das EWS. Außerdem richtet die Fifa eine Telefon-Hotline ein, wo sich Spieler, Trainer und Schiedsrichter, zu denen Manipulatoren Kontakt aufnehmen, melden können. Eine Einrichtung, die von Kritikern schon lange gefordert wurde. Zudem arbeitet die Fifa mit Interpol zusammen, um mögliche Wettbanden auch wirksam verfolgen zu können.

Eine Frage jedoch kann und will derzeit niemand beantworten: Was macht die Fifa, wenn sie kurz vor und nach einer WM-Partie von Manipulation Wind bekommt? Noch mal spielen? Mannschaften ausschließen? Die Antwort der Fifa: "Wir können nicht über eine Veranstaltung sprechen, die noch gar nicht stattgefunden hat."

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