WM 2010: Vor den Gruppenendspielen:Europa, ganz klein

Historisch unbesiegbare Südamerikaner, das alte Europa spielt das alte Afrika, das neue Afrika verliert seinen Heimvorteil und Deutschland plant den gemeinsamen Urlaub. Die Fußballwelt vor den Gruppenendspielen.

Thomas Hummel, Johannesburg

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Historisch unbesiegbare Südamerikaner, das alte Europa spielt das alte Afrika, das neue Afrika verliert seinen Heimvorteil und Deutschland plant den gemeinsamen Urlaub. Die Fußballwelt vor den Gruppenendspielen.

Europa, klein

Fußballmannschaften aus Europa haben noch nie außerhalb Europas eine WM gewonnen. Es sieht bislang stark danach aus, als würde das auch so bleiben. Das liegt aber nicht an der kleinsten Vertretung Europas in Südafrika. Den Slowenen fehlten gegen die USA nur acht Minuten, dann wären sie vorzeitig für das Achtelfinale qualifiziert gewesen. Doch keine Sorge, ihr zwei Millionen Slowenen: Eure Mannschaft spielt nur noch gegen England.

England's Rooney talks on his mobile phone before a a training session near Rustenburg

Quelle: rtr

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Europa, groß

Wer hat's erfunden? Yes, of course, we know. Die Premier League ist das Beste, was es gibt, und die goldene Generation um Rooney, Gerrard, Lampard und Terry hat mit Fabio Capello endlich einen Trainer, der ihren Ansprüchen genügt. "44 years of hurt" sind nun endlich vorbei! So erwartete Südafrika die Abordnung des alten Kolonialherren, England sei heißer Favorit, hieß es. Doch wie seit 44 Jahren gewohnt, sind die Engländer die wohl am meisten überschätzte Mannschaft des Turniers. Was natürlich nicht an der goldenen Generation liegen kann, nie, never, es muss der Trainer sein! John Terry versuchte den Putsch, doch diesmal folgten nicht einmal die anderen Goldenen. Es könnte sein, dass das ihre letzte Rettung war.

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Europa, revolutionär

Was ist nur geschehen mit den Großmächten des Kontinents? Bislang hat das alte Europa immer ein wenig verschmitzt lächelnd auf die Afrikaner heruntergeblickt, die sich doch so gerne gegenseitig zerfleischen, wenn es darauf ankommt. Und nun: Aufstand bei den Engländern, über die Italiener sagt der unfehlbare Beckenbauer: "Da wird es heftig brodeln." Doch das fulminanteste Schauspiel bieten die Franzosen. In alter Gewohnheit ziehen sie ihre Revolution durch, es würde niemanden mehr überraschen, wenn Staatspräsident Nicolas Sarkozy bald über diese Mannschaft stolpert und abdanken muss. Der französische Stürmer Anelka hat seinem Trainer Domenech empfohlen, ... no, pardon, das will niemand mehr hören! Wenn die französische Nation tatsächlich ein Abbild dieser Mannschaft ist, dann ist es mit dem Savoir-vivre endgültig vorbei. Doch halt! Noch folgt ein Spiel gegen Südafrika und noch ist Frankreich nicht abgereist. Es wäre nicht das erste Mal, würde ein völlig zerstrittener Haufen plötzlich beginnen, Fußball zu spielen.

Germany's Kiessling and Schweinsteiger play rugby during a training session in Pretoria

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Europa, vereint

Der deutschen Mannschaft geht es in der Tabelle der Gruppe D nicht viel besser als England, Italien, Frankreich. Doch im Gegensatz zu den Nachbarn ist das deutsche Quartier im Velmore Grande Hotel mitten in der Wüste noch immer ein Hort der Harmonie. Kein Konflikt weit und breit. Die Niederlage gegen Serbien? Na ja, ein Ausrutscher, blöd gelaufen, kann jedem mal passieren. Wir gewinnen gegen Ghana, ganz sicher, und dann schlagen wir die Engländer, wenn die sich nicht vorher selbst schlagen, ganz sicher. Außer es läuft ganz blöd, aber das kann jedem Mal passieren. Dann rufen wir unsere Frauen an und fahren alle gemeinsam noch ein bisschen in den Urlaub. Ganz harmonisch.

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Afrika, zu Hause

Zum ersten Mal eine WM in Afrika, da muss nun endlich eine afrikanische Mannschaft das Halbfinale einer WM erreichen. Sie spielen inzwischen alle bei den besten Klubs Europas, ja, die Afrikaner werden diese WM prägen. Dachte man. Nun stellt sich heraus, dass von Heimvorteil für Afrikas Teams keine Rede ist, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Kamerun raus, Elfenbeinküste, Nigeria, Algerien und Südafrika leben nur noch von der Hoffnung. Einzig Ghana hat bislang einen afrikanischen Sieg gefeiert, doch auch in Gruppe D ist noch nichts entschieden. Es scheint, als verliert der Kontinent ausgerechnet bei seiner ersten Heim-WM den Anschluss an die Spitze.

South Africa v Uruguay: Group A - 2010 FIFA World Cup

Quelle: getty

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Afrika, ganz zu Hause

Radiostationen, Fernsehsender, Zeitungskolumnisten, Politiker aller Parteien, Staatspräsident Jacob Zuma und auch der Gottvater der Nation, Nelson Mandela - sie alle rufen die Nation dazu auf, die eigene Mannschaft noch einmal zu unterstützen. "Show your support", heißt es in Südafrika vor dem letzten Spiel gegen Frankreich - dabei sind zumindest die Taxifahrer in Johannesburg davon nicht zu überzeugen. Einer sagt: "Wir mögen bafana bafana nicht, weil sie immer verlieren." Der nächste klagt: "Sie taugen nichts." Der Dritte will wissen, dass die Politik Trainer Carlos Alberto Parreira die Aufstellung diktiert, weil nur schwarze Spieler dabei sind und keine coulored, also Mischlinge, teils asiatischer Herkunft oder Kinder aus Mischehen. Die Rasse spielt in Südafrika immer noch eine große Rolle, 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid. Die Fußballspieler sollten eigentlich helfen, Grenzen einzureißen. Doch es sieht nicht danach aus.

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Südamerika, im Süden

Südamerika ist in Südafrika so stark wie nie bei einer WM. Nicht nur die gewohnten Brasilianer und Argentinier, auch die Teams aus Uruguay, Paraguay und Chile können allesamt das Achtelfinale erreichen. Noch keine Mannschaft aus Südamerika hat verloren, ein historischer Vorgang nach jeweils zwei Partien. Doch woran liegt's? Eine Untersuchung ergab, dass sich die Wirbelstürme auf der Südhalbkugel andersherum drehen als nördlich des Äquators. Eine Legende besagt, das Wasser rotiere in der Toilette andersherum in den Abfluss als im Norden. Südamerika fühlt sich in Südafrika also einfach wohl? Vielleicht.

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Südamerika, klein

Chiles Trainer Marcelo Bielsa sagte vor dem Turnier: "Mir gefällt das rebellenhafte an den Jungs." Doch im Gegensatz zu den Rebellen der Franzosen und Engländer lassen sie ihren Sturm und Drang auf dem Spielfeld freien Lauf. Vier Spieler sind dabei, die 2007 Dritter bei der U-20-WM wurden, die Chilenen haben in den ersten zwei Spielen fast 40 Mal auf das gegnerische Tor geschossen. Im letzten Gruppenspiel wartet Spanien, im Achtelfinale vielleicht Brasilien. Die beiden Favoriten sollten sich Sorgen machen.

WM 2010 - Argentinien Pk

Quelle: dpa

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Südamerika, groß

Wer will diese Argentinier stoppen, wer diese Brasilianer aufhalten? Die meistgestellte Frage in den vergangenen Tagen war, ob ein Finale Argentinien gegen Brasilien möglich sei oder ob diese beiden Mannschaften schon vorher aufeinandertreffen. Antwort: Ja, wenn beide ihre Gruppen gewinnen, woran niemand ernstlich zweifelt, ist das große südamerikanische Finale gebucht. Ganz sicher, kein Zweifel möglich. Zu 100 Prozent. Sicher wie das Amen in der Kirche. Nur eine Frage: Wann standen die beiden besten Mannschaften der Vorrunde schon einmal in einem WM-Endspiel?

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Asien, immer größer

Vor acht Jahren, da sind sie über den Platz gewuselt wie ein asiatischer Hornissenstamm. Japan und Südkorea rannten die etablierten Fußballmächte in Grund und Boden, und mit Hilfe einiger Schiedsrichterpfiffe erreichte Südkorea sogar das Halbfinale. Es schien ein einmaliger Ausflug gewesen zu sein für den asiatischen Fußball, der danach wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Doch in Südafrika schimmert die Hoffnung für den Kontinent: Japan und Südkorea (trotz des 1:4 gegen Argentinien) zeigen sich fußballerisch erheblich verbessert und haben beide reelle Aussichten auf das Achtelfinale. Auch Nordkorea präsentierte sich eineinhalb Spiele lang gegen Brasilien und Portugal besser als von vielen erwartet, bis der große Einbruch kam. Der Eindruck aber bleibt: Asiens Fußball entwickelt sich besser als der afrikanische.

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WM, ganz klein

Neuseeland und Fußball? Vor der ersten Partie sollen einige Beobachter auf den Haka gewartet haben, den Kriegstanz der Maori, den die Rugby-Nationalmannschaft vor jedem Spiel aufführt, um den Gegner einzuschüchtern. Aber dann: kein Haka. Und auch kein neuseeländischer Kneipenkick. Der größte Außenseiter der WM, der sich nur gegen Teams aus Vanuatu, Fidschi und in der Relegation Bahrain qualifizieren musste (Australien wechselte in die asiatische Konföderation), hat nach zwei Spielen zwei Punkte und stoppte sogar den Ansturm des Titelverteidigers Italien. Liegt's an der gewohnten Rotation des Abflusswassers in der Toilette? Wer weiß.

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Quelle: ap

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Neue Fans

Die meisten Tickets dieser WM gingen nach ...? Nein, nicht nach England, und nein, auch nicht nach Deutschland. In die USA. Keine Mannschaft hat so viele Unterstützer mitgebracht nach Südafrika, soccer erlebt in den Vereinigten Staaten in der weißen Mittelschicht einen enormen Aufschwung. Und wer in Rustenburg das Spiel Ghana gegen Australien gesehen hat, der muss auch mit den Socceroos rechnen. Ganze Blöcke waren gekleidet in Gelb, die Australier überstimmten sogar als erste Fangruppe die dröhnenden Vuvuzelas mit ihrem Gesang. Eigentlich müssten sie dafür das Verdienstkreuz des Staates Fifa erhalten.

© sueddeutsche.de/jüsc
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