WM 2010: Trikots:Jetzt wird's eng

Mit traditionellen Fußball-Hemden haben die neuen Wurstpellen-Trikots nicht mehr viel zu tun. Angeblich übertragen sie die Kraft besser - und die Athleten sehen aus wie eine Mischung aus Michelangelos David und Arnold Schwarzenegger.

Tobias Moorstedt

Benni McCarthy ist ziemlich sicher kein großer Fan der Techfit-Serie von Adidas. Die Kunststofffasern der Trikots liegen derart eng am Körper an, dass McCarthy bei einem Testspiel der südafrikanischen Nationalmannschaft keine Chance hatte, seinen kleinen Bierbauch zu verstecken.

Die Presse zog über den Trainingsrückstand des Spielers her, und vielleicht haben die Bilder auch dem Trainer Carlos Alberto Parreira zu denken gegeben. Der Rekordtorjäger und einzige Superstar der Bafana Bafana jedenfalls flog aus der Mannschaft. Die Episode zeigt: Wer bei dieser WM glänzen will, braucht einen Körperfettanteil von unter zehn Prozent - weil die engen Trikots jeden Makel aufzeigen. Das Techfit-Jersey gibt es übrigens nur in Medium und Large. XXL ist nicht mehr vorgesehen.

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eine Leistungsschau der globalen Fußballgemeinde, und während die Welt auf Tabellen und Playoff-Paarungen starrt, konkurrieren die Sportartikelkonzerne auf einer anderen Ebene des Turniers um Aufmerksamkeit. Die Firmen versuchen sich als innovative und dominante Marke zu präsentieren.

Optimiertes Körperklima

Das Ur-Trikot ist ein farbiges Leibchen, das man aus dem Schulunterricht kennt, ein unförmiges Textilteil, dessen einzige Funktion die Zuordnung der Spieler in zwei Mannschaften ist. Die aktuellen Trikots haben mit dem Leibchen in etwa so viel zu tun wie der F-10 von Ferrari mit dem ersten Rad. Fußball ist längst Teil des medial-globalen Unterhaltungskomplexes, und unterliegt nun ähnlichen Regeln wie Mode, Film und Pop. Die Sensation ist erwünscht, die Wiederholung verboten.

Puma schockierte die Fangemeinde im Jahr 2002, als die Firma die Nationalmannschaft Kameruns erst mit ärmellosen Jerseys ausstattete und später sogar einen Overall präsentierte. Bei der EM 2008 steckten die Spieler in mehrlagigen Trikots, die vielleicht das Körperklima optimierten, beim Trikottausch nach dem Spiel jedoch zu grotesken Striptease-Tänzen führten.

Der Sixpack - jederzeit erkennbar

2010 setzen die Konzerne auf unterschiedliche Strategien. Nike springt mit vollem Anlauf auf den Öko-Zug auf, gewinnt Polyesterfasern aus Plastikflaschen (1 Trikot = 8 Flaschen). Puma druckt Sterne, Löwenköpfe und andere Wappentiere auf den Stoff und schafft so eine Art Hightech-Stammeskleidung. Adidas setzt auf Technologien mit Namen wie Techfit, Powerweb und TPU Bands, die laut Werbung eine "explosive Leistung" ermöglichen.

Modellathleten wie Guy Demel oder Frank Lampard sehen in den bunten Hightech-Gewändern aus wie eine Mischung aus Michelangelos David und Arnold Schwarzenegger in dem Science Fiction-Film "Running Man". Die Fans fragen sich: Handelt es sich bei den engen Trikots nur um einen Tribut an den global-medialen Körperkult, oder steckt gar eine fußballtaktische Entscheidung dahinter? Sollen die engen Trikots etwa das Trikotzerren erschweren, oder verhindern, dass Spieler für den obligatorischen Jubel-Striptease nach einem Tor eine gelbe Karte sehen?

Cristiano Ronaldo müsste sich theoretisch nicht mehr entblößen, der Sixpack ist jederzeit zu erkennen. Bei Adidas weist man solch oberflächliche Motive weit von sich und betont "die elastische Stützung und Leistungssteigerung wichtiger Muskelpartien" durch das Material. An der Universität Calgary habe man einen um 5,3 Prozent verbesserten Kraft-Output gemessen und eine um 1,1 Prozent schnellere Sprintzeit über 30 Meter.

Diskussionen aus dem Schwimmen importiert

Fußballer sehen in den engen Trikots aus wie Eisschnellläufer und Radfahrer, und vielleicht muss man sich fragen, ob mit dem Windkanal-Look nicht auch die Probleme der hochtechnisierten Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren in den Fußball importiert werden. Die Weltschwimmverband etwa unterband Anfang des Jahres das textile Wettrüsten und führte die Badehose wieder ein. Und die Radsportszene beschäftigte sich vor einigen Wochen ernsthaft mit der Frage, ob ein Weltklassefahrer einen Elektromotor im Sportgerät versteckt hatte.

Können moderne Kunststoffe wirklich dafür sorgen, dass ein Spieler die berühmten Sekundenbruchteile früher am Ball ist? Wird die Fifa bald neben Doping-Proben auch halbherzige Materialtests durchführen, und ein Mindestgewicht für Fußballschuhe festlegen? Handelte es sich bei der Partie Portugal gegen Nordkorea überhaupt um ein faires Spiel?

Wenn man deren Bekleidung vergleicht, kaum. Die Portugiesen traten in den neuesten Nike-Nanotech-Trikots an. Nordkorea hatte vor dem Turnier einen Trikotsatz für insgesamt 500 Euro im Internet bestellt. Die Begegnung endete 7:0 für Portugal.

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