WM 2010: Südkorea - Griechenland:Rehhagel fällt aus der Zeit

Bei seinem ersten WM-Spiel überrascht Otto Rehhagel mit einer offensiven Aufstellung. Ausgerechnet ein Stürmer aus der Bundesliga leitet die 0:2-Niederlage der Griechen gegen Südkorea ein.

Michael König

Otto Rehhagel ist 71 Jahre alt. "Alles im Leben hat seine Zeit", sagte er bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Südkorea. Er hat mehrfach die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal gewonnen und 2004 mit Griechenland die Europameisterschaft. Ein Spiel bei einer Weltmeisterschaft aber hatte er noch nie absolvieren dürfen, das Turnier in Südafrika war eine Premiere für ihn. Und für Griechenland auch. Zumindest gefühlt.

South Korea v Greece: Group B - 2010 FIFA World Cup

Griechenland wartet weiter auf das erste Tor bei einer Fußball-Weltmeisterschaft. Das Team von Otto Rehhagel hatte gegen Südkorea kaum eine Chance.

(Foto: getty)

1994 hatten sich die Hellenen für die WM in den USA zwar qualifiziert, das schon. Doch nach der Vorrunde fuhr das Team ohne Sieg, ohne Tor und mit zehn Gegentreffern nach Hause. Das ist kein WM-Debüt, an das sich die Griechen gerne erinnern. Deshalb war es leicht für Rehhagel, Geschichte zu schreiben. Ein Sieg, zumindest ein Tor, und schon wäre der Platz in den Annalen sicher gewesen. Es kam anders.

Südkorea gewann das erste Spiel der Vorrunden-Gruppe B in Port Elizabeth mit 2:0 durch Tore von Jung-Soo Lee und Ji-Sung Park. Die für ihre Defensivqualitäten bekannten Griechen mussten früh einsehen, dass die Partie nicht zu gewinnen war. Und das lag auch an Rehhagel.

Charisteas in bekannter Pose

Der älteste Trainer der WM bot in Theofanis Gekas von Hertha BSC Berlin und Angelos Charisteas vom 1. FC Nürnberg zwei Stürmer auf, die auf der linken Außenbahn vom offensiv ausgerichteten Georgios Samaras (Celtic Glasgow) unterstützt werden sollten. Für griechische Verhältnisse eine hyperoffensive Spielweise: Bislang war Rehhagel als strenger Defensivtaktiker aufgefallen, dessen Team im Viertel-, Halb- und Finale der EM 2004 jeweils mit 1:0 gewonnen hatte und auch die WM-Qualifikation 2010 mit dem gleichen Ergebnis im entscheidenden Relegationsspiel gegen die Ukraine schaffte.

Diesmal setzte Rehhagel auf zwei Stürmer - und bereute es bald. Einer der Angreifer, der Nürnberger Charisteas, verlor bei einer Standardsituation im eigenen Strafraum seinen Gegenspieler Jung-Soo Lee aus den Augen. Sung-Yong Ki trat einen Freistoß von der linken südkoreanischen Angriffsseite, der Ball flog hoch in den Strafraum. Charisteas segelte unter der Flanke hindurch, Lee schoss auf das Tor. Als der griechische Stürmer seinen Gegenspieler wiedersah, bejubelte der seinen Treffer zum 1:0.

Charisteas trottete mit hängendem Kopf davon - eine Haltung, die sie beim 1. FC Nürnberg zur Genüge von ihm kennen. In der abgelaufenen Saison hatte Charisteas in 19 Bundesliga-Spielen ein Tor erzielt - bei der WM verschuldete er nach sieben Spielminuten ein Gegentor.

Die Partie kippt nur ein wenig

In der Folge konzentrierte er sich darauf, im Angriff auf der rechten Außenbahn zu bleiben, während Gekas die Sturmmitte besetzte. Beide Bundesliga-Legionäre gingen ihrer Tätigkeit allerdings zumeist ohne Ball nach, weil die übrigen Griechen das Spielgerät uninspiriert nach vorne droschen und die Südkoreaner wesentlich größer, sprung- und kopfballstärker sind, als es gängige Klischees besagen.

In der 61. Minute wechselte Rehhagel den glücklosen Charisteas aus. Es war an der Zeit, denn mittlerweile stand es 2:0, nachdem sich ein weiterer Grieche einen bösen Fehler erlaubt hatte. Loukas Vyntra, Verteidiger in Diensten von Panathinaikos Athen, hatte 30 Meter vor dem eigenen Strafraum Probleme, einen flachen Pass anzunehmen. Der Ball sprang ihm vom Fuß, nicht weit zwar, aber doch weit genug, dass Ji-Sun Park dazwischen sprinten konnte.

Griechenland muss weiter warten

Der Südkoreaner ist seit fünf Serien Stammspieler von Manchester United. In dieser 52. Minute zeigte er, warum: Vorbei an Vyntra und dem zur Hilfe herbei geeilten Papadopoulos lief Park auf das Tor zu, überwand Torwart Tzorvas mit einem Flachschuss und bejubelte das 2:0. Griechenland lief die Zeit davon.

Rehhagel wechselte in Dimitrios Salpingidis und Pantelis Kapetanos zwei Stürmer ein, was blieb ihm auch anderes übrig? Die Partie kippte daraufhin ein wenig zugunsten der Griechen, die nun entschlossener in die Zweikämpfe gingen und zwischen der 75. und der 80. Minute drei gute Möglichkeiten vergaben. Ihre Angriffe wurden zwingender, aber auch verzweifelter, und Südkorea kam zu Kontermöglichkeiten.

In der 87. Minute vergab Chung-Yong Lee eine dieser Chancen, das 3:0 blieb Südkorea verwehrt. Auf der Bank fuhr sich Rehhagel durch das graumelierte Haar und schaute auf die Uhr. Kurz darauf pfiff der Schiedsrichter ab. Griechenland muss weiter auf sein erstes WM-Tor warten. "Alles hat seine Zeit", mag sich Rehhagel gedacht haben.

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