WM 2010: Spiel um Platz 3:Verschnupfte Versöhnung

Der Sieg der grippegeschwächten DFB-Elf im Spiel um Platz drei unterstreicht den positiven Eindruck, den Deutschland bei dieser WM hinterlassen hat - und führt zu einer demonstrativen Geste von Bastian Schweinsteiger.

Thomas Hummel

Es gab schon deutsche Spieler, die auf wundersame Weise ein Spiel um Platz drei bei Weltmeisterschaften verpassten. Willi Schulz kam 1970 im Azteken-Stadion an, machte seine Trainingstasche auf und sah, dass keine Schuhe darin waren. Damals war ein Paar Schuhe für Fußballer noch so etwas wie eine Braut für den Mann - es gab nur eins, das gehegt und gepflegt wurde. Und weil der Weg zurück zum Hotel zu weit war, musste Willi Schulz zusehen beim 1:0 gegen Uruguay.

Als letzter Eindruck des Hamburgers bei der WM in Mexiko blieb demnach sein verlorenes Laufduell am linken Flügel vor dem entscheidenden 3:4 im Jahrhundert-Halbfinale gegen Italien hängen. Die Deutschen kamen mit einem Sieg zurück, Schulz mit einem verlorenen Laufduell.

Philipp Lahm hatte nach dem 0:1 gegen Spanien am Mittwoch angekündigt, nun überhaupt keine Lust zu haben, auf dieses komische Spiel um Platz drei. Diese Haltung nahm nicht nur seine Seele, sondern auch seinen Körper gefangen. Sofort konnte sich ein Grippevirus erfolgreich beim deutschen WM-Kapitän einnisten.

Lukas Podolski erging es ähnlich. Selbst Bundestrainer Joachim Löw schaffte es nur knapp nach Port Elizabeth. Dabei hat dieses Spiel um Platz drei mal wieder seinen unschätzbaren Wert bewiesen. Zunächst hat das 3:2 der Deutschen gegen Uruguay die Tradition eines luftig-leichten Kontrastes zum bierernsten Finale fortgesetzt. In den 17 WM-Spielen um Platz drei sind im Schnitt vier Treffer gefallen.

Ein Sieg zum Abschluss

Die Zuschauer auf der ganzen Welt hatten noch einmal Gelegenheit, dem großartigen Diego Forlán beim Toreschießen zuschauen zu können. Und natürlich der deutschen Rasselbande mit Özil, Müller, Khedira, Boateng, Schweinsteiger und am Ende sogar ein bisschen Kießling. Und wer hat der deutschen Rasselbande in diesen Wochen nicht gerne zugeschaut?

Weil die deutsche Elf das Spiel noch umgebogen hat und am Ende mit 3:2 gewann, ist sie nun eine von nur drei Mannschaften, die das Turnier mit einem Sieg verlassen. Gastgeber Südafrika hellte die Stimmung im Land erheblich auf mit dem 2:1 gegen Frankreich, obwohl das Vorrundenaus auch damit nicht mehr abzuwenden war.

Der Weltmeister wird natürlich am Montag zu Hause rauschhaft empfangen werden. Und jetzt dürfen auch die Deutschen versöhnt das Turnier beenden. Der letzte Eindruck lässt die große Enttäuschung des Halbfinal-Scheiterns zumindest ein bisschen verblassen, wie schon 2006.

Ersatzkapitän Schweinsteiger

Bastian Schweinsteiger, der Ersatzkapitän umarmte demonstrativ noch auf dem Spielfeld auch den letzten Betreuer. Per Mertesacker hielt bei der Medaillenübergabe einen ausnehmend langen Plausch mit dem neuen Bundespräsidenten Christian Wulff (die Frage, ob ein Bundespräsident zur Bronzemedaillen-Übergabe für einen Haufen Steuergeld nach Südafrika jetten muss, wird hier nicht aufgeworfen), DFB-Präsident Theo Zwanziger durfte Bundestrainer Löw, mit dem er einst so zerstritten war, auf dem Podium umarmen.

Das wichtigste Zeichen aber sendete die Mannschaft hinterher aus: Es war schön, aber nächstes Mal wollen wir mehr erreichen. Auf das niemand mehr einen Grippevirus in seinen Körper einladen muss, um das nervige Spiel um Platz drei zu verpassen.

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