WM 2010: Spanien:Ein Hai und viele Tänzer

Ein Nachfahre Beckenbauers in der Abwehr, grandiose Denker im Mittelfeld und ein Wunder im Angriff. Mit dieser Mischung will Spanien den WM-Titel erringen. sueddeutsche.de stellt das Team vor. In Bildern.

Lena Jakat und Michael König

13 Bilder

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Im Halbfinale wirbelte die spanische Furia Roja die deutsche Elf so vom Platz, dass den Zuschauern kaum Zeit zum Staunen blieb. Jetzt steht die Mannschaft mit dem dichtesten Mittelfeld der WM im Finale. In Bildern.

Iker Casillas

Die spanischen Medien setzen dem Schlussmann längst ein "San" vor den Familiennamen, wie bei einem Heiligen. Tatsächlich brilierte das Eigengewächs von Rekordmeister Real Madrid so in seiner Rolle, dass er 2008 und 2009 zum Welttorhüter des Jahres gekürt wurde. Seit der Europameisterschaft 2008 trägt er die Kapitänsbinde der Spanier - und führte die Mannschaft prompt zum langersehnten Titel. Auch die Torbilanz dieser Weltmeisterschaft macht dem 1,85 Meter großem Schlussmann alle Ehre: Bis zum Finale ging Casillas nur ein Gegentreffer ins Netz. Zuletzt bot sich Casillas im Halbfinale gegen Deutschland  zwar kaum Gelegenheit, seine Künste - eine Mischung aus Reaktionsschnelle und Geschmeidigkeit - unter Beweis zu stellen. Aber vielleicht wird es im Endspiel wieder einige seiner Glanzparaden zu beobachten geben.

WM 2010 - Spanien - Portugal

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Sergio Ramos

Philipp Lahms Gegenspieler im Halbfinale machte vor allem der DFB-Hoffnung Mesut Özil das Leben schwer. Zwei Jahre älter als der 22-jährige HSV-Angreifer, machte sich Ramos nicht nur wegen seiner Zweikampfstärke einen Namen. Es ist auch seine Techniksicherheit, die ihn zu einem wichtigen Rädchen in der präzisen Kurzpass-Mechanik der Spanier macht. Am EM-Titel 2008 war der Real-Spieler entscheidend beteiligt, durch seine Torvorbereitungen ebenso wie durch seine Defensivleistung. Dass den spanischen Fußball-Zauberern auch in der Abwehr niemand so schnell etwas vormacht, hat spätestens im Halbfinale auch der letzte mitbekommen. In vier Jahren ist Ramos gerade mal 28 Jahre alt - es war also vielleicht nicht seine letzte Begegnung mit dem deutschen Sturm.

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Carles Puyol

Der Mann, der den deutschen Traum vom vierten Stern mit einem Kopfball zunichte machte, hat die Frisur eines Rockstars. Der wegen seines knorrigen Äußeren "Hai" genannte steht wie kein anderer Spieler der spanischen Mannschaft für Fleiß und Disziplin. Puyol soll einen nahezu asketischen Lebensstil pflegen. Eine Legende besagt, Puyol habe sich als Kind einen Superman-Anzug gewünscht und als er diesen nicht bekam, versuchte er sich dennoch im Fliegen - aus dem ersten Stock eines Hauses. Es ist sein unbedingter Wille zum Erfolg, auf dem seine Profikarriere ruht: Sein Ehrgeiz ebnete Puyol den Weg in Barças berühmte Jugendakademie La Masia. "Technisch hat er nicht viel drauf, aber ich habe noch nie jemand mit so einem Ehrgeiz gesehen", begründete der damalige Schulleiter Oriol Tort die Aufnahme des Katalanen. "Barça braucht Spieler mit so viel Herz." Inzwischen spielt Puyol seit 15 Jahren beim FC Barcelona - und sein Kampfgeist hat nicht im geringsten gelitten, wie der Verteidiger mit dem 1:0-Treffer im Halbfinale gegen Deutschland bewies. Trotz seiner 32 Jahre hat Barca den Vertrag des gefeierten Kopfball-Schützen schon im vergangenen Jahr bis 2013 verlängert.

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Gerard Piqué

Wer erwartet hatte, dass die Spanier in der Offensive zaubern würden, wurde zu Beginn des Turniers enttäuscht. Glänzen konnte von Anfang an  vielmehr die Verteidigung - was vor allem der Verdienst von Gerard Piqué ist. Die Zusammenarbeit des Barca-Verteidigers mit Carles Puyol lobt Teamkollege Xavi über den grünen Klee: "Unsere Abwehr war sensationell", sagte Spaniens Spielmacher nach dem gewonnen Achtelfinale gegen Portugal. Piqué heißt in seiner Heimat übrigens längst Piquenbauer, seit Cesar Luis Menotti, jener Trainer, der Argentinien 1978 zum Meister machte, gesagt hat: "Seit dem Karriereende von Franz Beckenbauer habe ich keinen besseren Innenverteidiger gesehen als Piqué." Auch wenn sich Piqué deutlich offensiver gibt als einst der Kaiser, behält er stets den Überblick über seine Abwehr - was auch an seinen beachtlichen 1,90 Metern liegt. Mit seiner Glanzvorstellung in Südafrika, bei der er vollen Körpereinsatz zeigt (wie an den Folgen des Vorrundenspiels gegen Honduras hier deutlich zu sehen) schließt der 23-Jährige an eine rekordträchtige Saison in der Primera Division an. Piqué ist einer von vier Spielern weltweit, die die Champions League in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit unterschiedlichen Teams gewannen (2008 hatte ihn sein spanischer Klub an Manchester United ausgeliehen). Zusätzlich gewann er mit Barcelona 2009 alle anderen fünf Pokale, die es zu gewinnen gab: die spanische Meisterschaft, den Copa del Rey (Pokalwettbewerb Spaniens) und den Supercopa de Espana, den Uefa-Super-Cup und die Fifa-Klub-WM.

Spain v Switzerland: Group H - 2010 FIFA World Cup

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Joan Capdevila

Der 32-Jährige gehört zu den gesetzten Größen in der spanischen Abwehr. Von den ersten Schritten des Halbfinals an klebte er an Müller-Ersatz Piotr Trochowskis Fersen, ließ dem HSV-Mann keinen Raum, sich zu beweisen. Capdevila gehört seit der Europameisterschaft 2008 zur Stammbesetzung der Seleccion. Neben David Villa ist Capdevila der einzige aus Trainer Vicente Del Bosques Startelf, der nicht einem der beiden spanischen Topklubs Barcelona oder Madrid unter Vertrag steht - noch. Denn der älteste Spieler der spanischen Mannschaft, der seit Beginn seiner Karriere der heimischen Primera Division treu ist, wechselt demnächst vom FC Villareal nach Barcelona.

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Sergio Busquets

Im Halbfinale gegen Deutschland war er es, der gemeinsam mit Real-Madrid-Mittelfeldspieler Xabi Alonso in weiten Teilen des Spiels den Eindruck erweckte, die spanische Häfte sei durch eine Glaswand von der deutschen Offensive getrennt. So prallte jede Aktion der DFB-Elf nach vorne an den beiden Mittelfeld-Gestaltern ab. Der 21 Jahre junge Mittelfeldspieler blickt auf eine erfolgreiche Saison beim spanischen Meister FC Barcelona zurück, wo er zuletzt Yaya Touré seinen Stammplatz im defensiven Mittelfeld abjagen konnte. Busquets gab bei der Weltmeisterschaft sein Debüt in einem großen internationalen Turnier, stand bei allen Spielen in der Startelf und war den Gegnern - nicht zuletzt auch Sami Khedira - vor allem durch seine treffsicheres Passspiel überlegen.

WM 2010 - Chile - Spanien

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Xabi Alonso

Er wird häufig als "Denker und Lenker" des spanischen Mittelfelds beschrieben, als Taktgeber für den tikitaka-Rhythmus auf dem Spielfeld: Xabi Alonso gehört seit fast zehn Jahren zu den wichtigsten Spielern Spaniens - als er Real Sociedad San Sebastian nicht nur zum Klassenerhalt sondern auch zum Vizemeister-Titel verhalf. Der baskische Klub als Karrieresprungbrett hat bei Familie Alonso übrigens Tradition: Auch Xabis Vater, der ehemalige Nationalspieler Perico Alonso, spielte in den achtziger Jahren bei Real Sociedad und eroberte die beiden einzigen Meistertitel der Vereinsgeschichte. Nach fünf Jahren beim FC Liverpool an der Seite von Steven Gerrard, in denen sich Alonso endgültig als Mittelfeld-Stratege etablierte, kehrte Alonso im vergangenen Sommer nach Spanien zurück und unterzeichnete im Rahmen einer aufsehenerregenden personellen Rundumerneuerung des Vereins einen Fünfjahresvertrag bei Real Madrid. Seit seinem ersten Länderspieltor im WM-Auftaktspiel Spaniens 2006 ist Alonso, der abseits des Platzes ebenso wie auf dem Spiel für seine geradlinige, schnörkellose Art bekannt ist, fester Bestandteil des spanischen Mittelfelds. Ein Mittelfeld, das bei der WM nicht nur dem deutschen Team gehörigen Respekt einflößte.

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Andres Iniesta

Andres Iniesta steht sinnbildlich für das berühmte spanische tikitaka - jenes Uhrwerk-präzise Kurzpassspiel, an dem zuletzt die DFB-Elf scheiterte. Das Multitalent im Mittelfeld der Seleccion sorgt mit einem scharfen Auge für die auch noch so kleinen Freiräume und der entsprechenden Passsicherheit dafür, dass die spanische Mitte für die gegnerische Offensive zum undurchdringbaren Dschungel wird. Wie viele seiner Teamkollegen zaubert Iniesta in der WM-freien Zeit für den FC Barcelona. Sein Vertrag mit Spaniens Rekordmeister läuft bis 2015, die Ablösesumme soll auf 200 Millionen Euro festgesetzt sein. Nicht zu unrecht, wie der 26-Jährige immer wieder beweist: Im Champions-League-Halbfinale 2009 gegen Chelsea verwandelte er so in der Nachspielzeit einen Pass von Messi zum 1:1 und schoss Barcelona ins Finale.  "Der Gott des Fußballs kam zu uns", begeisterte sich damals ein Fernsehreporter. Bei der WM in Südafrika hatte der  Offensivspieler bislang im Vorrundenspiel gegen Chile einmal Grund zu jubeln.

Spain v Portugal: 2010 FIFA World Cup - Round of Sixteen

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Xavi Hernandez

Kurz Xavi - nicht zu verwechseln mit Xabi Alonso - absolvierte wie so viele seiner Mannschaftskollegen die Kaderschmiede des FC Barcelona. Die Stärken des 30-Jährigen liegen darin, stets die Übersicht zu behalten und kaum Pässe zu vergeben. Sein Vater soll einmal über ihn gesagt haben: "Alle Jungs wollten nur nach vorne stürmen und selbst ein Tor schießen - mit Ausnahme von Xavi. Der hat aus der zweiten Reihe die Zuspiele geliefert und Gegenangriffe schon weit vorne gestoppt." Noch immer glänzt Xavi vor allem mit Vorlagen für die hochdekorierten Torjäger der Furia Roja (rote Furie). So bereitete er auch das Tor gegen Deutschland vor, mit dem Barca-Kollege Carles Puyol die spanische Mannschaft ins WM-Finale köpfte und die DFB-Elf nach Hause schickte.

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David Villa

David Villa ist der spanische Held dieser WM. Ohne ihn wäre die Seleccion wohl längst wieder zurück auf der iberischen Halbinsel. Der Neuzugang des FC Barcelona ist für seine Zuverlässigkeit bekannt: In der vergangenen Saison erzielte er für den FC Valencia 107 Tore in 164 Spielen, im Trikot der Nationalmannschaft 42 Tore in 63 Spielen - bis jetzt. Denn nie hat Stürmer Villa seine Kunst so unter Beweis gestellt wie bei dieser WM. Für fünf der sechs spanischen Tore zeichnet Villa verantwortlich, er ist der alleinige Torschützenkönig am Kap und kann sich damit rühmen, als erster Spanier seit 60 Jahren sein Land in das Halbfinale einer Weltmeisterschaft geschossen zu haben. Sein wenig ruhmreicher Auftritt im Vorrundenspiel gegen Honduras ist schon fast wieder in Vergessenheit geraten. Nur die Unachtsamkeit des Unparteiischen hatte Villa nach einer rüden Ohrfeige für den honduranischen Verteidiger Emilio Izaguirre (rechts im Bild) vor einer mindestens gelben Karte bewahrt. Auf dem Guaje (der Bursche) ruhen im Halbfinale die Hoffnungen einer ganzen fußballbegeisterten Nation, die ihren guten Ruf endlich in einem Titel umgesetzt sehen will. Zuhause nennen sie ihn auch Maravilla - das Wunder.

Germany v Spain: 2010 FIFA World Cup - Semi Final

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Es grenzte an Blasphemie, als Spaniens Trainer vor dem Halbfinale auf Volkes Held Fernando Torres verzichtete, wo der doch zwei Jahre zuvor gegen Deutschland den Siegtreffer im EM-Finale erzielt hatte. Für Torres spielte der 22-jährige Pedro Rodriguez Ledesma. Er hat sich in der vergangenen Spielzeit beim FC Barcelona durchgesetzt und erzielte in 34 Ligaspielen zwölf Treffer. In der Champions League gelangen ihm in neun Spielen vier Treffer. Im Halbfinale gegen Deutschland gehörte Pedro zu den auffälligsten Akteuren, gleich zu Beginn der Partie spielte er einen Pass, den David Villa fast zum 1:0 verwertet hätte. Pedro wurde auf Teneriffa geboren und wechselte mit 17 Jahren in das Jugendsystem des FC Barcelona.

Spain's Torres runs with the ball past Portugal's Ronaldo during the 2010 World Cup second round soccer match at Green Point stadium in Cape Town

Quelle: rtr

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Fernando Torres

In Spanien nennen sie ihn el Nino - das Kind, wegen seines jungenhaften Aussehens. Mit seiner Spielweise machte er sich einen weit weniger niedlichen Namen: Auf dem Platz wird der äußerst durchsetzungsfähige Stürmer des FC Liverpool schon mal zum tormenta, einem gefährlichen Wirbelsturm. Das schlägt sich auch in seinem Marktwert nieder: 2007 zahlte der englische FC Liverpool für den Spanier mit dem Sonnyboy-Image 28 Millionen Euro - die bis dahin höchste Ablösesumme in der Geschichte des Premier-League-Klubs. Er war es, der mit dem 1:0 im EM-Finale gegen Deutschland 2008 den ersten Titel seit 1964 für Spanien holte und so seine Mannschaft und die ganze Fußballnation von einem 44 Jahre währenden Trauma erlöste. Bei der Weltmeisterschaft in Südafrika war von Sturmspitze Torres allerdings bislang allenfalls ein laues Lüftchen zu spüren. Dass der hochgelobte, als zurückhaltend und höflich beliebte Offensivspieler bisher enttäuschte, liegt auch an einem labilen Knie. Erst im April unterzog er sich einer Meniskus-Operation, von der er sich noch nicht ganz erholt zu haben scheint. Ehrenhalber wurden ihm im Halbfinale gegen Deutschland die letzten zehn Spielminuten zugestanden. Brillieren konnte er in denen allerdings auch nicht.

Vicente del Bosque

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Vicente del Bosque

Spaniens Nationaltrainer wird häufig mit einem Walross verglichen - wegen seines Schnauzbarts, aber auch wegen seiner Charaktereigenschaften. Del Bosque ist ein Stoiker, Extravaganz ist ihm fremd. Als 2003 sein Vertrag bei Real Madrid nicht verlängert wurde, obwohl der in Salamanca geborene Trainer mit den "Königlichen" sieben Titel in dreieinhalb Jahren gewonnen hatte, sagte Del Bosque: "Ich gehe ohne Groll." Die Fans der Madrilenen verehren den selbst ernannten "Praktiker", der als Jugendlicher zu Real kam und als Profi (an der Seite von Günter Netzer und Paul Breitner), Jugendtrainer und Cheftrainer Erfolg hatte. Nach einem missglückten Gastspiel bei Besiktas Istanbul wurde Del Bosque im Sommer 2008 Nationaltrainer und führte den Stil seines Vorgängers und Europameisters Luis Aragonés weiter. Del Bosque, der Mann mit dem Habitus eines "zweiten Lokführers einer Kleinbahn" (Frankfurter Rundschau), setzte auf das bewährte Gerüst von Spielern aus dem Jugendinternat La Masia des FC Barcelona - und auf traumwandlerisch sicheres Kombinationsspiel, von dem die Deutschen nach der Halbfinalpleite ein Lied singen können.

© sueddeutsche.de/leja
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