WM 2010: Spanien - Deutschland:Zehn gute Gründe

Spanien gewinnt, weil: das Team noch nicht am Limit ist und den Deutschen Müller fehlt. Die DFB-Elf siegt, weil: der Capitano weg ist und es regnen soll. Zehn Gründe, warum das Spiel so ausgehen wird - oder ganz anders.

Thomas Hummel, Durban

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Die Spannung vor dem Halbfinal-Duell zwischen Spanien und Deutschland wird allmählich unerträglich - selbst dieser Hund in Köln scheint den Anstoß um 20:30 Uhr nicht mehr erwarten zu können. Die menschlichen Fans verkürzen sich die Wartezeit mit dem Argumentationsorakel: Was spricht für Deutschland, was für Spanien? Eine Übersicht in Bildern.

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Was für Spanien spricht: 1. Müller-Sperre Thomas Müller spielte zuletzt einen tödlichen Pass im Sitzen. Vermutlich hätte er sich auch auf den Bauch legen, ein Zuspiel per Flachpass-Kopfball versuchen können, der Ball wäre mit Sicherheit auch angekommen. Der 20-Jährige vom FC Bayern hätte gegen Spanien vermutlich den Ball genommen, hätte Xavi und Iniesta einen Beinschub verpasst, den Ball über Piqué und Puyol gehoben und Jabulani dann in den Winkel gedroschen. Oder so ähnlich. Diesen Thomas Müller nicht dabeizuhaben, ist ein schmerzvoller Verlust. Sollten die Deutschen verlieren, wird man auf immer spekulieren, ob das mit Müller auch passiert wäre. Und die meisten werden sagen: Nein.

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2. La Masia Die Jugendakademie des FC Barcelona ist Beispiel für die beste Nachwuchsarbeit der Welt. Niemand hätte es wohl mehr verdient als all die Juniorentrainer in La Masia, dass ihre ehemaligen Schüler mit dem größten Pokal des Fußballs nach Hause kommen. Xavi, Andrés Iniesta, Carles Puyol, Sergio Busquets, Pedro, Cesc Fàbregas - sechs teils tragende Mitglieder des spanischen Teams haben ihre Karrieren in dem historischen Gebäude von 1702 in der Nähe von Camp Nou begonnen. Sie prägen durch ihre komplette Technik, ihre Ausdauer und ihr mannschaftsdienliches Benehmen auf dem Platz mit dem FC Barcelona den modernen Fußball. Gerade das Mittelfeldspiel der La-Masia-Schüler ist einzigartig. Die Deutschen kommen nicht umhin, diesen Fußball als Vorbild zu bezeichnen.

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3. Turnierzynismus Seit 1970 ist keine Mannschaft mehr bis zum Ende durch ein Turnier geflogen. Pelés Brasilianer dominierten das Turnier wie keine andere Nation mehr seither. Seitdem gilt die Regel: Wer zu früh am Limit spielt, der verlässt das Turnier vorzeitig. Und keiner kann behaupten, dass die Deutschen gegen England und Argentinien nicht am Limit gespielt haben. Dagegen die Spanier: Wenig souveräne Vorrunde, 1:0 gegen Portugal, glückliches 1:0 gegen Paraguay. Sie könnten sich noch eine Steigerung aufgehoben haben für das Halbfinale. Die entscheidende Steigerung?

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4. Villa Maravilla 43 Tore in 63 Länderspielen. Das ist zwar keine Gerd-Müller-Quote, aber abgesehen vom deutschen Bomber der Nation eine fast einzigartige Ausbeute. Bei dieser WM vollendet David Villa die Passstafetten der spanischen Mittelfeldkönner und schießt die nötigen Treffer. Zwei gegen Honduras, eins gegen Chile, eins gegen Portugal, eins gegen Paraguay. So etwas nennt man Lauf und wer Villa Maravilla (den wunderbaren Villa) stoppen will, der braucht wohl einen perfekten Tag.

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5. Deutscher Mannschaftsgeist Xabi Alonso (im Bild) sagte es zum 55. Mal: "Die kollektiven Interessen stehen hinter den individuellen Interessen zurück." Jede Frage beantwortete er mehr oder weniger mit dem Hinweis, wie viel die Gruppe zähle und wie wenig der Einzelne. Spanien besitze einen espírito colectivo - in Deutschland bekannt als Mannschaftsgeist. Was auch immer dazu geführt haben mag, aber Spanien hat sich seit einiger Zeit entschieden, die deutsche Erfindung zu übernehmen. Es hat sich damit seiner größten Schwäche beraubt, denn zusammen mit den Niederländern waren die Spanier berühmt dafür, sich durch Streitereien irgendwann selbst zu schlagen. Hier die Katalanen, dort die Basken, und da drüben die aus Madrid. Und wehe, es waren noch welche aus Andalusien dabei. In Südafrika dagegen präsentiert sich Spanien als Team, und als solches haben sie über Jahre hinweg fast kein Spiel mehr verloren.

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Was für Deutschland spricht: 1. Durban Das Stadion Moses Mabhida in Durban hat zwei außergewöhnliche WM-Geschichten gesehen: Die internationale Geburt eines deutschen Lustfußballs, der die Welt begeistert. Das 4:0 vor fast drei Wochen gegen Australien verzauberte die Welt, die seitdem die Namen Özil und Müller und Khedira kennt. Und zweitens den Fall des Europameisters: Spanien verlor hier sein erstes Spiel gegen die Schweiz mit 0:1 und versuchte leicht verwirrt, seinen gewohnten Rhythmus wiederzufinden. Es war erst die zweite Niederlage für Spanien, seit Vicente del Bosque vor zwei Jahren das Traineramt übernahm.

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2. Michael Ballack Der Capitano ist abgereist. Die einen glauben, weil ihn die Mannschaft nicht mehr willkommen hieß. Andere, offizielle Stimmen sagen, er musste nach Hause, um sich nach seiner Verletzung auf die neue Saison vorzubereiten. Wie dem auch sei: Dass Michael Ballack bei dieser WM nicht dabei ist, hat bei seinen einstigen Mitspielern ungekannte Kräfte freigesetzt. Plötzlich war der Boss weg und die früher Umhergeschickten nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Der Nationalmannschaft hat die Übernahme durch die jungen Fußball-Internatsschüler einen rauschenden Flug ins Halbfinale beschwert. Und irgendwie kann sich niemand vorstellen, dass der Flug nun zu Ende sein soll.

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(Foto: ap)

3. Regen Es soll regnen am Mittwochabend in Durban. Und man kann ohne Zweifel behaupten, dass Regenwetter gleichzusetzen ist mit deutschem Fußballwetter. Der erste deutsche WM-Kapitän gab sogar seinen Namen dafür her, im Berner Fritz-Walter-Wetter besiegte die DFB-Elf 1954 die beste Mannschaft des Jahrzehnts, die Ungarn. Auch beim zweiten Titel spielte das Wasser eine Rolle: gegen Polen gewannen Beckenbauer, Maier und Müller in der "Wasserschlacht von Frankfurt" mit 1:0 und qualifizierten sich für das Finale - gegen die Niederlande. Würde sich doch gut anhören: im Philipp-Lahm-Wetter durch die Regenschlacht von Durban ins Finale.

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4. Elfmeterschießen 4:1 gegen England, 4:0 gegen Argentinien - wer im Ernst weitere vier Tore gegen Spanien erwartet, der muss Träumer gerufen werden. Jetzt ist ein Drama fällig, denn ohne Drama kein WM-Titel. Und wer anders als die Deutschen sind besser prädestiniert, ein solches Drama erfolgreich zu überstehen. "Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir gute Nerven haben. Wir haben keine Angst davor", sagte Bundestrainer Löw (re.) im Hinblick auf ein mögliches Elfmeterschießen. Also dann: 120 Minuten lang den Atem anhalten, sich mit mehr Glück als Verstand in den letzten Akt retten und dann eiskalt die Dinger ins Netz knallen. Während Manuel Neuer in die Reihe der Schumachers, Illgners und Köpkes (Mitte) aufsteigt.

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5. Lockere Konzentriertheit Wer die Deutschen in diesen Wochen und auch vor diesem Halbfinale sieht, der muss verblüfft sein über die Mischung aus Konzentration, Spaßgesellschaft, Fixiertheit und Lockerheit. Von übertriebener Anspannung ist nichts zu spüren, auch nicht von "Lockerheit im negativen Sinne" wie es Bundestrainer Löw formulierte - also von übertriebenem Selbstvertrauen nach den irrwitzigen Auftritten zuletzt. Nie kommt das Gefühl auf, dieser Mannschaft könnte wirklich was passieren, nie verlassen die Beobachter eine Begegnung mit dem mulmigen Gefühl, da könnte was schiefgehen. Und so blickte Löw auch am Dienstagabend verständnislos in die Runde, als er gefragt wurde, ob er angesichts der spanischen Stärke am Finale zweifle: "Warum soll ich zweifeln? Ich habe doch noch nie gezweifelt."

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