Süddeutsche Zeitung

WM 2010: Sextourismus:Fußballfeier ohne Freier

Flaute im horizontalen Gewerbe: Südafrikas Prostituierte versprachen sich von der Fußball-WM zusätzliche Kunden. Doch die Fans und Touristen fühlen sich gelinkt - und geben ihr Geld lieber woanders aus.

Thomas Hummel, Johannesburg

Eine Weltmeisterschaft, das verspricht die Fifa, das verspricht die Politik, heizt die Wirtschaft des Landes an. Hunderttausende von bierseeligen Männern strömen herein und lassen Milch und Honig fließen. Mindestens aber Dollar und Euro. Welcome to South Africa, hier gibt's für jeden was zu holen, da füllt jeder seine Taschen!

Vor allem das sogenannte älteste Gewerbe der Welt machte sich auf den Weg. Was kann es Schöneres geben als Hunderttausende bierseelige Männer voll bis obenhin mit Testosteron? Die ja irgendwo hinmüssen mit ihrer Freude über den Sieg. Oder mit ihrem Frust über eine Niederlage. Das Ergebnis ist ja bekanntermaßen das gleiche: Bier und, naja, ab zum ältesten Gewerbe eben. 40.000 Prostituierte sollen zur WM nach Südafrika gekommen sein, zusätzlich zu den etablierten Kräften vor Ort. Da sollte kein Trübsal aufkommen, kein Auge trocken bleiben. Kommt ein weißer Mann daher und erweckt den Anschein einer dicken Geldbörse, könne man für ein "full house" 50 Euro verlangen, hieß es in der Branche. 50 Euro sind in Südafrika ein Haufen Geld.

Und tatsächlich: Ein Taxifahrer berichtet in der Zeitung Saturday Star: Argentinier, Amerikaner, Mexikaner und Brasilianer seien eingestiegen (vermutlich bierseelig und zu allem bereit) und hätten nach den girls gefragt. Also fuhr er sie zu den girls. Argentinier, Amerikaner, Mexikaner und Brasilianer stiegen voller Vorfreude aus dem Wagen, kamen mit den girls ins Gespräch - und stiegen wieder ein. Verhandlungen gescheitert, zu teuer, auf deutsch: Die Gäste wollten sich nicht verarschen lassen.

Der Taxifahrer bringt nun keine Fans mehr zu den girls. Und auch sonst ist das Gewerbe eingeschnappt nach der ersten WM-Woche. Über 300 Stripklubs in und um Johannesburg sollen ihre Shows reduziert haben. Geklagt wird über eisige Temperaturen. Oder über die allgegenwärtige Polizei. In der bekannt-beliebten Oxford Street in Johannesburg müssen sich die Frauen seit WM-Beginn regelmäßig vor der Staatsmacht in die Büsche retten.

"Die Touristen sind langweilig", sagte Frau Natalie dem Saturday Star. Und Frau Paula klagt: "Die Männer schauen lieber Fußball. Ich zähle die Tage, bis die WM zu Ende ist." Das ist also die Zwischenbilanz der WM: Das älteste Gewerbe der Welt hofft, dass sie bald vorbei ist.

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