Süddeutsche Zeitung

WM 2010: Presseschau:Löw'sches Aufatmen

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Die Presseschau "Indirekter Freistoß" befasst sich heute mit einem erleichterten deutschen Bundestrainer, der Altherrentruppe von Titelverteidiger Italien und dem Verbot von Vuvuzelas.

Indirekter Freistoß ist die Presseschau für den kritischen Fußballfreund. Fast täglich sammelt, zitiert und kommentiert der Indirekte Freistoß die schönsten und wichtigsten Textausschnitte und Meinungen aus der deutschen, während der WM auch aus der internationalen Presse. Täglich auf sueddeutsche.de und www.indirekter-freistoss.de.

Matti Lieske widmet sich in der Berliner Zeitung dem Teamchef. Er gehe davon aus, dass die Entscheidung, wer beim Spiel gegen Australien im Sturm aufläuft, aufgrund von "ausführlichen Elogen über die positive Entwicklung von Miroslav Klose in den vergangenen Tagen" gefallen sei. Für Löw sei die Beobachtung der Leistungsexplosion von Klose im Training ein Befreiungsschlag gewesen: "Die Erleichterung über die positive Entwicklung bei seinem größten Sorgenkind war Joachim Löw deutlich anzumerken. Miroslav Klose war schließlich neben Michael Ballack der Fels, auf den er stets gebaut hatte, seit Beginn seiner Amtszeit vor fast vier Jahren, auch in Phasen, in denen es für den Spieler im Verein keineswegs optimal lief."

Notgemeinschaft für Südafrika

Michael Horeni ( FAZ) analysiert Stärken und Schwächen des jüngsten deutschen Teams seit 1934: "Nach dem Ausfall des Routiniers Ballack beträgt der Altersdurchschnitt weniger als 25 Jahre. Der Mangel an Erfahrung ist auch eine Chance." Er sehe "überall junge, frische und unverbrauchte Gesichter. Junge Profis mit ihren ganz eigenen Geschichten, mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund, gesegnet mit großem Talent und Ehrgeiz, von Hoffnungen und Träumen getrieben, die man noch nicht so ganz genau kennt." Dennoch stelle er fest, dass "der neuen Generation fehlt, wie die Betroffenheit und Ratlosigkeit nach Ballacks Ausfall dokumentierte, was für ein junges Team eigentlich als unverzichtbar gilt: Vertrauen. In Südafrika muss eine Notgemeinschaft ran, die Vertrauen nicht übertragen bekam, sondern es sich auf den letzten Drücker selbst erkämpfen musste. Aber sie fühlen sich nicht als Nothelfer, sie sehen nur ihre Chancen."

Jörg Hanau ( FR) hat die ganzen Diskussionen um Nominierungen, Testspiele und Hiobsbotschaften allmählich satt und wünscht sich nur noch eins: "Fangt endlich an zu kicken! Die Agenturen müllen uns seit Tagen mit Meldungen zu. So erfahren wir, ob wir nun wollen oder nicht, dass etwa die Kommunikation im deutschen Luxusquartier nahe Pretoria gestört ist. Kein Anschluss unter diese Nummer heißt es für die Herren Nationalkicker und ihre eigens angeschafften südafrikanischen Handys. Wen das interessiert? Uns nicht. Die armen Kollegen. Im Grunde können sie einem nur leidtun. Zu Tausenden sitzen Journalisten aus fünf Kontinenten im südlichen Afrika - und nichts passiert. Es herrscht seit Tagen latente Nachrichtenarmut. Fangt endlich an zu kicken! Endlich Fußball, endlich Tore, endlich ein Thema für eine Glosse. Noch einmal schlafen, dann geht´s los. Endlich."

Italien ist für Thomas Badtke ( n-tv.de) einer der ganz heißen Titelaspiranten, nicht zuletzt aufgrund von "taktischem Geschick, Routine und Buffon". "Es ist nämlich so: Die ganze Welt außerhalb des Stiefels verachtet die Art, wie Italien Fußball spielt. Spricht abschätzig von Catenaccio, Riegel, Spiel-Zerstörern. Elende Kleingeister! Man muss das Spiel hinter dem Spiel erkennen, gewissermaßen zwischen den Pässen lesen, um die taktischen Winkelzüge, die kaltschnäuzige Ergebnisorientiertheit des Calcio genießen zu können. Das verlangt - zugegebenermaßen - ein bisschen Grips und vor allem einen starken Willen. Zu wissen, man kann den Gegner 3:0 oder 4:0 schlagen, düpieren, demütigen - und sich dann dennoch darauf zu beschränken, ein simples, unkompliziertes 1:0 mit Mann und Maus zu verteidigen, um den Gegner nicht zu brüskieren. DAS ist wahre Größe! Punkt. Aus. Basta."

Nachlassende Spannkraft in der Squadra Azzura Christoph Dieckmann ( Zeit Online) schätzt die Stiefelkicker hingegen etwas anders ein: "Zehn Weltmeister von 2006 reisen nach Südafrika. Milans Strategen Pirlo, Zambrotta, Gattuso sind in die Jahre gekommen und müssen nachlassende Spannkraft immer öfter durch Routine kompensieren. Abwehrchef Cannavaro, nun 36, spielte mit seinen Juventus-Kollegen Grosso, Iaquinta, Camoranesi eine schaurige Saison, die auch Italiens Torwartdenkmal Buffon nicht unbeschädigt ließ." Dennoch müsse man die Italiener immer auf der Rechnung haben: "Eine englische Fußballwarnung lautet: 'You can never write the Germans off!' Dasselbe gilt für Italien. Wie die Deutschen sind auch die Italiener WM-Stammgast - immer gut für den Titel, dabei selten brillant zu Beginn des Turniers."

In der Corriere dello Sport distanziert sich Marcello Lippi von den Vorwürfen, er habe zu viele talentierte Spieler zu Hause gelassen. "Kein Ausnahmespieler, der womöglich einen Unterschied machen und uns somit einen erfolgreicheren Lauf des Turniers bescheren könnte, ist Zuhause geblieben." Des Weiteren wehrt sich der 62-jährige Weltmeistertrainer gegen die allgemeine Kritik, zu sehr auf die alte Garde zu setzen: "Zu viele erfahrene Spieler ? Wir haben gerade mal neun Weltmeister im Kader. Es ist mir keine Mannschaft bekannt, die Weltmeister wurde und im darauffolgenden Turnier keinen Akteur mehr aus dem Weltmeisterteam in den Kader berufen hat".

Die lautstarken Vuvuzelas sind in Südafrika traditionell ein Bestandteil der Fankultur. Hierzulande finden sie allerdings nicht überall Anklang. So weist RP-Online auf Folgendes hin: "In manchen NRW-Städten wird die Plastiktröte bei Public-Viewing-Veranstaltungen wegen ihrer höllischen Lautstärke verboten." Illustre Kreise gingen bereits auf die Barrikaden: "Der Bundesverband der Hals-, Nasen- und Ohrenärzte fordert ein generelles Verbot der Vuvuzela auf Massenveranstaltungen. Denn außer akutem Hörversagen könne deren Lärm auch irreparable Schäden wie Tinnitus-Geräusche verursachen", sagte Sprecher Michael Deeg.

Simon Flender fügt auf derwesten.de hinzu: "Ein weiterer Grund für das Verbot ist die Möglichkeit, mithilfe der Trompeten Warnmeldungen zu übertönen. Fatal - wenn etwa plötzlich ein Platz geräumt werden müsste." Bei vielen Public-Viewing-Veranstaltungen "müssen Besucher damit rechnen, dass sie mitgebrachte Vuvuzelas und ähnliche Instrumente am Einlass abgeben müssen, besonders, da sich erstere schon aufgrund ihrer Größe schwer verstecken lassen."

Zusammengestellt von Christoph Asche

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