WM 2010: Philipp Lahm:"Die Mannschaft hat Zukunft"

Der deutsche Kapitän Philipp Lahm spricht nach dem WM-Aus gegen Spanien über entscheidende Fehler und das Ausmaß der Enttäuschung. Er verteidigt seine Aussagen im Machtkampf mit Ballack - und erklärt, welchen Trainer die Nationalelf jetzt braucht.

Frage: Herr Lahm, was hat gefehlt, um den Spaniern Paroli zu bieten?

WM 2010: Deutschland - Spanien

Der deutsche Kapitän, den Tränen nah: "Es hat heute nicht jeder seine Topform abgerufen."

(Foto: ag.ddp)

Philipp Lahm: Es hat heute nicht jeder seine Topform abgerufen. Und die wäre nötig gewesen, um eine solch starke Mannschaft zu besiegen.

Frage: Wen haben Sie im Blick?

Lahm: Ich spreche nicht über einzelne Spieler, es geht um die Mannschaftsleistung. Und die war nicht so, wie zuletzt.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat vor dem Spiel gefordert, dass man die Spanier zu Fehlern zwingen muss. War die Mannschaft zu wenig zwingend?

Lahm: Wir haben in den vergangenen Partien den Gegner auch kommen lassen, um dann schnell nach vorne zu spielen. Letzteres war mit Sicherheit heute nicht so. Wir hatten zu wenig Mut und Überzeugung. Dann unterliefen uns zu viele Fehler in der Vorwärtsbewegung und wir sind kaum zum Abschluss gekommen. Das war aber unser Ziel: Zum Abschluss kommen und dann wieder geordnet in die Defensive zurück.

Frage: Die Abwehr stand zumindest stabil.

Lahm: Ich denke, wir haben insgesamt defensiv ordentlich gearbeitet. Aber nach vorne war es zu wenig.

Frage: Die Mannschaft musste häufig Ball und Spaniern hinterherlaufen. Hat das zu viel Kraft gekostet? Hätten Sie offensiver agieren müssen?

Lahm: Wir sind die Spiele zuletzt auch nicht anders angegangen. Wir haben alle verteidigt und dann schnell nach vorne gespielt. Und das hat heute gefehlt. Dass wir mit wenigen Kontakten nach vorne gekommen wären. Konsequent nach vorne.

"Spanien ist ein Vorbild"

Frage: Wenn Sie das so klar analysieren können, hält sich dann die Enttäuschung in Grenzen?

Lahm: Nein. Es ist sehr, sehr bitter, sehr enttäuschend. Wir hatten heute eine Riesenchance, in ein WM-Finale zu kommen. Das hat man nicht jedes Jahr und auch nicht alle vier Jahre.

Frage: Das Spiel erinnerte manchmal an das EM-Finale 2008. Auch damals war die deutsche Elf recht klar unterlegen gewesen.

Lahm: Ich glaube, dass wir den Abstand zu Spanien verringert haben im Vergleich zu 2008. Wir hatten mit Mesut Özil kurz vor der Halbzeit und auch mit Toni Kroos zwei sehr gute Möglichkeiten.

Frage: Sind Sie von den Spaniern beeindruckt?

Lahm: Spanien ist sehr, sehr gut.

Frage: Ein Vorbild?

Lahm: Auf jeden Fall. Sie spielen seit Jahren einen sehr guten, überzeugenden Fußball. Jeder weiß dort, was er zu tun hat auf dem Platz.

Frage: Und da will die Nationalmannschaft hinkommen?

Lahm: Klar muss das das Ziel sein. Die Spanier sind Europameister geworden, stehen jetzt im WM-Finale.

Frage: Ihre Aussage, Sie wollen das Kapitänsamt behalten, hat viel Wirbel ausgelöst, weil es als Angriff auf Michael Ballack verstanden wurde. Kam das im Nachinein zur Unzeit?

Lahm: Erstmal kriegt man irgendwann irgendwelche Fragen gestellt. So war das in dieser Geschichte auch und ich habe geantwortet. Zweitens habe ich nicht über die Mannschaft geredet, sondern über das Amt, das ich momentan ausübe. Es wäre schlimm, wenn ich das Amt nicht weiter ausfüllen wollen würde. Ich habe auch nicht Michael Ballack angegriffen, sondern einfach nur gesagt, dass ich das Amt gerne weiterführen würde.

Frage: Glauben Sie, dass Joachim Löw nach diesem Turnier Bundestrainer bleiben wird?

Lahm: Da müssen Sie ihn fragen, dazu kann ich nichts sagen.

Frage: Es könnte aber ein Antrieb für ihn sein, mit dieser Mannschaft Richtung EM 2012 und WM 2014 zu gehen.

Lahm: Die Mannschaft hat mit Sicherheit eine gute Zukunft vor sich, weil sie sehr jung ist und eine hohe Qualität hat. Sie braucht dazu einen guten Trainer. Und unser Trainer ist sehr, sehr gut.

Aufgezeichnet von Thomas Hummel, Durban

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