Süddeutsche Zeitung

WM 2010:Der größte Gegner der Nationalelf ist ... der eigene Funktionär

Ganz Deutschland schwelgt in WM-Euphorie? Von wegen! Liga-Präsident Rauball gibt den Spielverderber - und spricht von einer "untragbaren Situation". Teammanager Bierhoff kontert - und rüffelt Kapitän Lahm.

Es war ein großes Wochenende für den deutschen Fußball. Die Mannschaft entzauberte Argentinien, die Fans wurden elektrisiert, selbst die Medien reagierten euphorisch. Doch schon am Montag taten sich völlig unerwartet zwei Brandherde im Umfeld der Nationalmannschaft auf.

Ausgerechnet Liga-Präsident Reinhard Rauball meldete sich im Fachmagazin Kicker als Spaßverderber zu Wort: "Es muss sichergestellt sein, dass Strukturen nicht dazu führen, dass wir drei statt zwei Verbände haben: den DFB, die Liga und die Nationalmannschaft", sagte der Funktionär.

Zugleich forderte er, die Kompetenz für die U 21 an DFB-Sportdirektor Matthias Sammer zu übertragen. "Ich habe die ganz klare Auffassung, dass die jetzige Situation untragbar ist und eine ganz klare Trennung erfolgen muss", sagte Rauball. Am gleichen Tag erklärte sich Kapitän Philipp Lahm: "Ich werde die Kapitänsbinde nicht freiwillig abgeben."

"Nicht so glücklich"

Solche Vokabeln wie "untragbare Situation", solches Kompetenzgerangel und solche Positionskämpfe sind derzeit in der Politik zu erwarten - nicht aber in der so erfolgreichen wie harmonischen Nationalmannschaft. Es grenzt schon an Unsportlichkeit, was sich der langjährige Dortmunder Fußball-Präsident Rauball erlaubt.

Vor dem Halbfinal-Match gegen Spanien wirken solche Debatten störend.

Oliver Bierhoff, Manager des deutschen Teams, ist denn auch ungehalten über die Wortduelle. Explizit äußert er sich zu Lahms erweiterten Anspruch auf die Kapitänsbinde: Das sei "nicht so glücklich" und "unnötig". Für ihn sei ganz klar: "Philipp Lahm ist der WM-Kapitän und Michael Ballack ist der Kapitän. Das Thema darf jetzt überhaupt keine Rolle spielen." Dabei fordern beispielsweise Uli Hoeneß und Lothar Matthäus die Demission des 33-jährigen Ballack.

Zum Vorwurf des Liga-Präsidenten Rauball merkt Manager Bierhoff nur an, dass die Kritik "nicht erst seit gestern im Raum" stehe. Und: "Wir wollten von Reinhard Rauball auch wissen, wie dieser Eindruck entsteht."

Spätestens bei den geplatzten Vertragsverhandlungen zwischen der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft und dem Deutschen Fußball-Bund traten die atmosphärischen Störungen zwischen Bierhoff und dem Verband deutlich zutage. Dass Jogi Löws Team in Südafrika so überragend spielt, kann die offenkundigen Probleme nicht verdrängen.

Auf in die nächste Runde

Nicht nur Teammanager Bierhoff dürfte sich fragen, weshalb ausgerechnet vor dem wichtigen Halbfinale gegen Spanien die Liga-Spitze Unruhe im Umfeld der DFB-Elf schürt. Bierhoff erklärte die angestoßene Diskussion um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft "in der wichtigsten Woche der WM für unnötig".

Bierhoff ist nicht nur über den Zeitpunkt, sondern auch über den Kern von Rauballs Kritik verärgert: "Wir verstehen das nicht. Das kann man an keinem Beispiel festmachen. Wir vertreten den deutschen Fußball, den DFB und die Liga." Die vergangenen vier Turniere seien sowohl sportlich als auch finanziell ein Erfolg gewesen, es habe nie Skandale gegeben und auch keine Zeichen der Abtrennung.

Egal, wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und die anderen am Mittwochabend gegen Spanien kicken: Der wundersame Zwist mit den Funktionären wird in eine nächste Runde gehen.

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