WM 2010 in Südafrika:Zäune gegen die Furcht

Die WM-Gruppenauslosung dient Südafrika auch als Generalprobe für das Sicherheitssystem. Aber der Polizeipräsident schläft eigentlich "wie ein Baby".

Maik Rosner

Und jetzt auch noch al-Qaida. Als wären die Sorgen um die Sicherheitslage in Südafrika angesichts von 50 Morden täglich nicht schon groß genug, musste sich der Gastgeber der Fußball-WM 2010 zuletzt mit Befürchtungen auseinandersetzen, eine Zelle des Terrornetzwerks bereite sich in Kapstadt auf einen Anschlag vor.

WM 2010 in Südafrika: Zäune und Stacheldrähte werden die WM-Stadien in Südafrika schützen.

Zäune und Stacheldrähte werden die WM-Stadien in Südafrika schützen.

(Foto: Foto: Imago)

Vor der WM-Gruppenauslosung tragen die Verantwortlichen nun aber ihre Zuversicht zur Schau, dass die Veranstaltung am Freitag in Kapstadt vor den Augen der weltweit bis zu 200 Millionen TV-Zuschauer genauso wenig von Zwischenfällen überschattet wird wie das Massenspektakel im kommenden Jahr, wenn bis zu einer halben Million Fans aus dem Ausland in Südafrika erwartet werden. Polizeipräsident Bheki Cele sagte, er schlafe im Hinblick auf 2010 ruhig "wie ein Baby".

Otto und Barbara Rath aus Hamburg leben seit mehr als 40 Jahren in Südafrika. 25 Jahre davon betrieben sie eine Bäckerei in Johannesburg, seit 16 Jahren steht die "Dresden Bakery" nun in Port Elizabeth. Dresden klingt besser als Hamburg, finden sie, und außerdem soll niemand auf die Idee kommen, es gebe hier Fastfood. Nie sei ihnen etwas passiert, erzählen sie, "aber unsere Tochter ist schon dreimal überfallen worden. Direkt vor der Tür zu unserem Geschäft".

Ein paar Straßenzüge weiter, im Stadtzentrum, stehen am späten Nachmittag junge Menschen an einer Tankstelle, mit aufgemotzten Autos, teilweise Nobelkarossen. Schweren Schmuck tragen nicht nur die Frauen, die sich zu den wummernden Bässen aus den Autoradios bewegen. Nebenan vor einer Bar raufen einige Halbstarke. "Gangs", erklärt der Taxifahrer, die meisten trügen Messer.

Zumindest nachts besser im Hotel bleiben

Als die japanische Nationalmannschaft vor drei Wochen für ein Testspiel gegen den Gastgeber in Port Elizabeth zu Gast war, hatte es viel Aufregung gegeben. Die Spieler seien wegen der Sicherheitsrisiken angewiesen worden, im Hotel zu bleiben, berichtete eine japanische Zeitung. Die Nachrichtenagentur Reuters verbreitete die Meldung rund um die Welt.

WM-OK-Chef Danny Jordaan reagierte empört, es gebe offenbar Leute, die Südafrika eine erfolgreiche WM nicht gönnten. Die japanische Delegation drückte ihr Bedauern aus und ließ über einen Pressesprecher das eher dünne Dementi verbreiten, eine derartige Anweisung habe es nicht gegeben - man ermunterte die Spieler allerdings nicht, nachts auf die Straße zu gehen.

Für einen ähnlichen Aufschrei hatten zuvor Berichte aus Deutschland gesorgt, nachdem eine Sicherheitsfirma schusssichere Westen für die Nationalspieler empfohlen hatte. Der DFB beeilte sich zwar klarzustellen, dass es derartige Pläne nicht gebe. Doch in Südafrika kam das nur noch in den Meldungsspalten an, die großen Schlagzeilen zuvor sind dagegen in Erinnerung geblieben. "Sind die Deutschen verrückt geworden? Südafrika ist kein Land der Mörder und Vergewaltiger", hieß es in einem Leserbrief.

Dennoch sind sich die Menschen der hohen Kriminalität im Land bewusst, hohe Zäune und Mauern, Alarmanlagen und Stacheldrähte zeugen von der allgegenwärtigen Furcht. "Ich gehe auch nicht in Gebiete, in denen ich mich nicht auskenne. Was sollte mich so besonders machen", sagt Jabulani Dlamini, ein Zulu und Redakteur der Mediengruppe Media 24. Der 31-Jährige lebt im WM-Spielort Bloemfontein, in einer der ausufernden Townships rund um die Hauptstadt der Provinz Free State.

Kapstadt rüstet auf

Ein bisschen sehen die Klinkerfassaden hier aus wie in einer Vorortsiedlung einer norddeutschen Kleinstadt. Es ist nicht das, was man sich unter einer Township vorstellt, die Blechhütten stehen allerdings in Sichtweite. Ja, er sei auch schon einmal überfallen worden, "aber das liegt lange zurück", sagt Dlamini. Dass er sein Auto ungesichert in der Einfahrt parkt, sei hier zwar nicht ohne Risiko, aber kalkulierbar. "In Johannesburg wäre das nicht empfehlenswert", meint er.

Denn die Gewalt ist nicht weit. Ein Großteil der 50 Morde pro Tag in Südafrika ereignet sich da, wo die Not am größten und Wellblech die Perspektive ist. Kapstadt hat derweil für die Gruppenauslosung und die WM aufgerüstet. 1200 Kameras soll es allein an der Waterfront geben, dem Touristenviertel am Hafen. Von Helikoptern bis hin zu Jetskis reicht die Armada der Polizei, mehr als 1500 Kräfte sind allein für die Auslosung am Freitag in der Stadt.

Die Kapstädter sind sich sicher, dass nichts passieren wird in den Gegenden, die für die Fans vorgesehen sind, auch nicht während der WM. Liam Johnson, ein Werbeproduzent, der einige Zeit in London gelebt hat, meint: "Die größte Gefahr sind dann wahrscheinlich die Hooligans aus Europa."

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