WM 2010 in Südafrika:Die Fußballfans bleiben weg

Die Südafrikaner sind vom WM-Tourismus enttäuscht: Zwei Wochen vor dem Anpfiff gibt es noch immer reichlich Zimmer und Tickets. Der Unmut gegen die Fifa wächst.

Maik Rosner

Vor etwas mehr als einem halben Jahr gab Jerome Valcke Entwarnung. Es werde keinen Engpass bei den Hotels und beim Transport geben, sagte der Generalsekretär des Fußball-Weltverbandes Fifa. Kurz vor der WM-Gruppenauslosung Anfang Dezember war das. Schon damals zeichnete sich ab, dass die hohen Erwartungen an das erstmals auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragene Spektakel deutlich nach unten korrigiert werden müssen. Die Befürchtungen, es könne in Südafrika zu einem Bettenmangel kommen, hatten sich von selbst erledigt.

WM 2010 in Südafrika: Leer werden Südafrikas Stadien wie das Soccer City in Johannesburg zur WM nicht sein, aber es fehlen ausländische Gäste.

Leer werden Südafrikas Stadien wie das Soccer City in Johannesburg zur WM nicht sein, aber es fehlen ausländische Gäste.

(Foto: afp)

Mittlerweile ist es vielerorts ernüchternde Gewissheit, dass sich die Hoffnungen auf das ganz große Geschäft zerschlagen haben. Statt der anfangs kalkulierten knapp halben Million WM-Touristen werden voraussichtlich weniger als 300.000 kommen. Mit deutlich schwächeren Hotelbuchungen gehen Probleme beim Ticketabsatz einher. Zwei Wochen vor dem Eröffnungsspiel am 11. Juni waren noch für alle Begegnungen Karten erhältlich. Laut Fifa gingen am Freitag die letzten 164.000 der insgesamt 2,88 Millionen Tickets in den Verkauf.

Vor allem in der Tourismusbranche, die im vergangenen Jahr 9,9 Millionen Gäste beherbergte und 7,4 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitrug, sind viele zerknirscht. Der zuständige südafrikanische Minister Marthinus van Schalkwyk übte zuletzt herbe Kritik an der Agentur Match, die von der Fifa beauftragt wurde, Tickets und Unterkünfte zu vermarkten. "Menschen in Afrika kaufen keine Tickets über das Internet. Das war ein großer Fehler. Auch der unbezahlbare Preis war ein Grund", sagte van Schalkwyk vor gut einer Woche.

Unter den 230.000 ausländischen Fans, die Karten gekauft haben, befänden sich nur 11.300 Afrikaner - 76 Prozent weniger als erwartet. Vor allem in abgelegenen Spielorten wie Polokwane und Port Elizabeth drohen einige Sitzschalen in den modernisierten oder neu gebauten Stadien leer zu bleiben. Man werde daraus seine Lehren für die WM 2014 in Brasilien ziehen, kündigte Generalsekretär Valcke an.

Der stockende Kartenabsatz war das eine Übel, das größere trifft vor allem Hoteliers der mittleren und unteren Preiskategorie. "Was eine einmalige Chance im Leben sein sollte, ist nun ein einmaliges Desaster", klagt Jacobus Johannes Pieterse aus Kapstadt. Um sein Bed & Breakfast auf Fifa-Standard zu heben, habe er mehr als 70.000 Euro investiert. Für 1200 Rand (rund 125 Euro) habe Match ein Doppelzimmer angeboten, statt der üblichen 850 Rand. Nur zwei Pärchen hätten für insgesamt sechs Nächte gebucht. Seither versucht Pieterse, seine Zimmer auf eigene Faust für 750 Rand loszuwerden. "Das Geschäft ist aber längst gelaufen", sagt er resigniert.

Match, das die Unterkünfte zentral vermarkten wollte und die Gästehausbesitzer, so ist zu vernehmen, mit großen Versprechungen köderte, entließ die Hoteliers Anfang 2010 massenweise via E-Mail teils oder ganz aus den Verträgen. "Die Zimmer wurden überwiegend in außerhalb liegenden Gebieten oder für die Zeiten zwischen den Spieltagen freigegeben", erklärte damals Match-Managerin Vivienne Bervoets. 442.000 Übernachtungen waren betroffen, selbst im Touristenziel Nummer eins, dem Krüger-Nationalpark, gingen reihenweise Stornierungen ein. Weitere Zimmer und 45.000 von Match reservierte Flugtickets folgten. Wegen der hohen Preise waren zudem Untersuchungen über mögliche Absprachen der Fluggesellschaften eingeleitet worden.

Pleite für schwimmende Hotels

In der Provinz KwaZulu-Natal mit dem WM-Spielort Durban klagen nun viele Hotelbesitzer, die Auslastung liege nur bei 40 Prozent - statt der im Juni üblichen 60 bis 70 Prozent. Viele Geschäftsreisende und Urlauber aus dem Inland verzichten demnach wegen der hohen WM-Preise in diesem Jahr auf den Aufenthalt in der auch im Südwinter frühlingshaft warmen Metropole am Indischen Ozean. In der Provinz Westkap rund um Kapstadt werden die Zimmer nach den jüngsten Erhebungen zu 46 Prozent belegt sein. Immerhin ist dies ein Anstieg im Vergleich zu 2009, als es im Vergleichsmonat 38 Prozent waren. 2008, ohne Großereignis, lag die Quote allerdings bei 57 Prozent.

Zwar gibt es auch zufriedene Hoteliers, beispielsweise in Johannesburg. Nur noch wenige Zimmer sind im beliebten Stadtteil Melville frei. Die meisten Gästehausbesitzer haben ihre Betten allerdings von vornherein selbst vermarktet. Wegen der strikten Vertragskonditionen hätten die Vermieter kaum profitiert, Match hätte bei der Preisgestaltung aber freie Hand gehabt, heißt es bei der Touristeninformation.

Trotz einer guten Auslastung wie in Melville: In der Wahrnehmung vieler Hoteliers sind ihre Häuser wegen der zunächst rosigen Aussichten nach der WM-Vergabe 2004 halb leer statt halb voll. Und auch den Luxussektor hat es getroffen. Der Medienmogul Leo Kirch hatte Kapital schlagen wollen aus dem befürchteten Bettenengpass und plante, zwei Luxusliner als schwimmende Hotelburgen vor Südafrika ankern zu lassen. Wegen einer zu geringen Nachfrage wurde die ambitionierte Geschäftsidee jüngst aufgegeben.

Bei der Ursachenforschung werden häufig die Weltwirtschaftskrise, die Sorge um die Sicherheit sowie die große Entfernung zur kaufkräftigen Kundschaft aus Europa und Übersee als Gründe genannt. Nicht wenige im Gastgeberland schimpfen allerdings auch auf die Preistreiberei, auf völlig überzogene Geschäftserwartungen - und auf die Fifa und Match, von denen sie sich im Stich gelassen fühlen. Längst wurden wegen Preissteigerungen von bis zu 200 Prozent Befürchtungen laut, Südafrika könne den Ruf als relativ günstiges Reiseland verlieren.

Immerhin, in diesem Punkt konnte Tourismusminister van Schalkwyk jüngst etwas beruhigen. Die Aussichten seien trotz der geplatzten Spekulationsblase WM gut, er rechne mit einem weiteren Wachstum. In Knysna an der Garden Route, nach dem Krüger-Nationalpark und Kapstadt wichtigstes Reiseziel des Landes, hat man sich zudem vom Gastgeber der WM 2006 trösten lassen.

Shaun van Eyck, Geschäftsführer des Tourismusverbandes in Knysna, hat seinen Kollegen im niedersächsischen Aerzen bei Hameln angerufen. "Er sagte, obwohl die Gemeinde nicht weit vom WM-Spielort Hannover entfernt liegt, habe man damals kaum Fans gesehen. Aber sie haben eine exzellente Außendarstellung durch die Medien bekommen." Die hatten sich nach Aerzen verirrt, weil Frankreichs Mannschaft dort residierte. In Knysna freuen sie sich jetzt noch mehr auf die Equipe Tricolore.

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