WM 2010: Gruppe C:Erlösung durch Donovan

Die USA besiegen Algerien durch ein Tor des ehemaligen Bayern-Spielers in der Nachspielzeit und ziehen als Gruppensieger ins Achtelfinale. Dort treffen sie auf den Zweiten aus der Deutschland-Gruppe.

Die Amerikaner wären wohl keine Amerikaner, wenn sie nicht auch für ihre Nationalhymne ein eigenes Ritual pflegten. Im Loftus-Versfeld-Stadion von Pretoria machten alle US-Spieler zur Zeremonie eine Vierteldrehung nach rechts, sie legten die rechte Hand aufs Herz und die linke auf die Schulter ihres Vordermanns. Und sie sangen wieder - laut. Nur Landon Donovan, der unumstrittene Häuptling der Mannschaft von Trainer Bob Bradley, hielt die Lippen verschlossen, vielleicht plante er Großes, etwa den Einzug ins Achtelfinale. Möglicherweise schwante ihm jedoch auch Böses: Bei neun WM-Teilnahmen hatten die USA bislang sechsmal das dritte Gruppenspiel verloren.

Donovan of the United States celebrates after his team defeated Algeria during a 2010 World Cup Group C soccer match at Loftus Versfeld stadium in Pretoria

Jubelnder Gruppensieger: Landon Donovan mit Fahne.

(Foto: rtr)

Die Vorzeichen für die beiden zeitgleichen Gruppenfinals in der Gruppe C waren klar: Alle Teams konnten das Achtelfinale aus eigener Kraft erreichen - die USA brauchten dazu einen Sieg gegen Algerien, die Algerier wiederum einen Erfolg mit zwei Toren Differenz.

Wie also würden die Mannschaften das Entscheidungsspiel angehen? Schön abwartend - wie es bei dieser WM bislang Usus ist - oder volle Offensive, immer drauf? Die Antwort: immer drauf! Häuptling Donovan startete vom Anpfiff weg einen Flankenlauf, dessen Produkt Algeriens Torhüter Rais M'Bohli sicher pflückte. Auf der Gegenseite setzte Rafik Djebbour einen Seitfallzieher mit solcher Wucht an die Latte, dass der Ball weit zurück ins Feld flog. Im Gegenzug rettete M'Bohli gegen Herculez Gomez, der für den gesperrten Robbie Findley spielte; wenig später traf Clint Dempsey nach einer katastrophalen Abwehr der Algerier ins Tor - doch der Schiedsrichter sah ihn bei Gomez' Pass im Abseits.

Clinton auf der Tribüne

Während Algerien als logische Folge zwei dichte Abwehrreihen aufzubauen versuchte, stürmten die Amerikaner erfreulicherweise weiter: Erst konnte Dempsey den Ball nicht mehr an M'Bohli vorbeispitzeln (35. Minute), dann scheiterten Donovan und Jozy Altidore unmittelbar nacheinander (36.). Zur Halbzeit hätten die USA führen müssen, weshalb Franz Beckenbauer die Algerier vor der WM zum Geheimfavoriten erklärt hatte, blieb eher ungewiss. Auf der Tribüne warb der ehemalige Präsident Bill Clinton indes bei Fifa-Chef Sepp Blatter für eine Vergabe der WM 2018 in die USA.

Bei Anpfiff der zweiten Halbzeit brauchten die USA immer noch ein Tor, und Algerien benötigte derer zwei. US-Coach Bradley brachte Benny Feilhaber für den glücklosen Gomez, auch Algerien spielte nun offensiver - der Mönchengladbacher Karim Matmour rückte als zweiter Angreifer mit nach vorne. Das Spiel jedoch wurde schlechter, nicht langweiliger, aber unspektakulärer, weil beide Teams zunächst nicht mehr vors Tor kamen. Das änderte sich in der 57. Minute: Altidore lief über rechts, passte zu Dempsey, der Mittelfeldmann vom FC Fulham hob den Ball erst aus halblinker Position in bester Messi-Manier an den rechten Pfosten - und schob dann den Nachschuss am leeren Tor vorbei. Es waren Dempseys Chancen drei und vier.

Als es nach 63 Minuten immer noch torlos stand, wechselte Bradley für Edu einen weiteren Stürmer ein: Edson Buddle von Los Angeles Galaxy, den Torschützenkönig der vergangenen Saison in der US-Profiliga. Buddle hatte auch gleich eine Chance, scheiterte jedoch an Algeriens Torwart M'Bohli. Im Gegenzug verzog Djebbour aus guter Position deutlich. Für die USA jagte Dempsey (Chance Nummer fünf) einen Freistoß drüber. Wann würde hier endlich das erste Tor fallen?

Ein Schuss ins Glück

Es fiel tatsächlich, in der 91. Spielminute. Durch wen? Nicht durch den Chancenvernichter Dempsey, sondern den Häuptling Donovan, dem in dieser Partie bis dahin wenig gelungen war. Sekunden zuvor hatte Dempsey (Chance Nummer sechs) noch M'Bohli angeschossen, dann rauschte Donovan aus zehn Metern heran und knallte den Ball ins Netz. "Ich bin so stolz auf meine Jungs. Der Ball fiel mir vor die Füße, die Zeit blieb stehen, ich konnte ihn nur reinmachen", sagte Donovan nach dem Spiel mit Tränen in den Augen. Die USA ziehen nun als Gruppensieger vor England ins Achtelfinale ein, und Donovan schluchzte noch etwas. Er hatte an diesem Tag tatsächlich Großes vorgehabt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: