WM 2010: Entdeckungen:Die Elf der WM

Diese Weltmeisterschaft hat die großen Namen verschluckt oder ausgespuckt, um neue Helden hervorzubringen. Eine Entdeckungs-Elf aus Südafrika.

Thomas Hummel, Kapstadt

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Diese Weltmeisterschaft hat die großen Namen verschluckt oder ausgespuckt, um neue Helden hervorzubringen. Eine Entdeckungs-Elf aus Südafrika.

Luis Suárez

Der Mittelstürmer von Ajax Amsterdam ist der meist bejubelte Torwart in Südafrika. Er wurde von seinen Mitspielern über den Platz in Soccer City getragen, sein Trainer Oscar Tabárez erklärte: "Ein Funktionär sagte mir, das sei die Hand Gottes und der Jungfrau Maria gewesen ... , und ich glaube, so sehen es alle Uruguayer." Das wären immerhin 3,5 Millionen zumeist sehr gläubige Menschen. Luis Suárez, der Mittelstürmer, hat in der 120. Minute des Viertelfinals einen Kopfball des Ghanaers Dominic Adiyiah mit zwei Fäusten von der Linie geschlagen. Weil anschließend Asamoah Gyan (siehe Gyan) den fälligen Strafstoß an die Latte drosch und die Ghanaer anschließend auch das Elfmeterschießen verloren, steht Uruguay im Halbfinale. Nicht mit dem Torwart Suárez, der bekam dann doch die rote Karte gezeigt wegen seines Fausteinsatzes. Und sollte Uruguay ins Finale kommen und dort mit dem wieder einsatzbereiten Suárez Weltmeister werden, gehen die Hände Gottes und der Jungfrau Maria als größter Betrug der WM in die Geschichte ein. Suárez wird dann vermutlich 24 Jahre später als Trainer seines Landes gegen Deutschland im Viertelfinale 0:4 verlieren.

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Lucio

Es geht ein Gerücht um in Südafrika, das auch in Mailand für Unruhe sorgt. Lucio will nach München zurück. Nicht als Innenverteidiger selbstverständlich, das hat er schon viel zu lange gemacht, und Freiluftsport in Deutschland ist ja bekanntlich für ihn als Brasilianer mit viel zu kalten Temperaturen verbunden. Nein, Lucio hat endlich seine neue Bestimmung gefunden: die Otto-Falckenberg-Schule, Fachakademie für Darstellende Kunst. Lucio hat sich schließlich bewährt, zumindest die Rolle des geschundenen, ewig bedrohten, von allen bösen Menschen dieser Welt gestoßenen und getretenen Hypochonders hat er drauf wie kein anderer. Lucio, der mit Riesenschritten nach vorne rennt, einen Schubs erhält oder einen zarten Schlag auf den Fuß und dann zusammenbricht mit dem schmerzverzerrtesten Ausdruck aller Zeiten, dieser Lucio bekommt mit Sicherheit ein Stipendium.

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Koman Coulibaly

Die amerikanische Wochenzeitung Time hatte des Rätsels Lösung herausgefunden: Sein Spitzname sei "Schlafende Augen", weil er während eines Spiels oft sehr müde aussehe. Nun, Herr "Schlafende Augen" aus Mali muss dann wohl beim Spiel USA gegen Slowenien in der 82. Minute ein kurzen Nickerchen gemacht haben, dann schreckte ihn der Lärm jubelnder Fans aus der wohlverdienten Ruhe, und weil er schließlich ein Schiedsrichter ist, blies er aus Protest in die Pfeife. So, oder so ähnlich muss es gewesen sein. Koman Coulibaly, in der malischen Liga gestählter Unparteiischer, gab also nach dem amerikanischen 3:2 einen Freistoß und erkannte das Tor von Maurice Edu nicht an. Als die US-Spieler ihn belästigten mit der überflüssigen Frage, welchen Regelbruch er denn sanktioniert habe, drehte er sich nur um und lief davon. Strickt nach Anweisung der Fifa: Schiedsrichter dürfen Spielsituationen nicht kommentieren. Wäre auch blöd gewesen, hätte "Schlafende Augen" dem aufgebrachten Landon Donovan (rechts im Bild) sagen müssen: Hey, ich bin kurz weggenickt.

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Kornblauer Kaschmirpullover

Nach dem fulminanten 4:1 gegen England fragte ein Berichterstatter von der Insel den Bundestrainer Joachim Löw, ob er denn diesen kornblauen Kaschmirpullover jetzt immer tragen werde. Als Talisman vielleicht? Löw drehte sich zum Übersetzer und vergewisserte sich, ob er richtig gehört habe. Pullover? Löws Mimik nahm einen Ausdruck an, der an Verachtung nicht zu übertreffen war. Pullover! Dabei hatte seine Mannschaft gerade diese Engländer mit Taktik und Kunst am Ball an die Wand gespielt. Da kommen die Engländer mit einem Pullover daher! Ist schon klar, warum sie nie eine vernünftige Elf zu einer WM schicken können, wenn sie an die Kräfte eines Pullovers glauben. Nun, beim Spiel gegen Argentinien hatte Löw wieder diesen kornblauen Kaschmirpullover an, Assistent Hans-Dieter Flick trug den gleichen. Die Redakteurinnen der südafrikanischen Zeitung The Star haben Löw zum bestgekleideten Trainer des Turniers gewählt. Für das Halbfinale gegen Spanien dürfen Wetten angenommen werden: Vertraut Löw wieder seinem Pullover?

Germany v England: 2010 FIFA World Cup - Round of Sixteen

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Frank Lampard

Frank Lampard hätte es nicht weit, um sich bei den alten Herren zu bedanken. Vor einem Jahr tagte das International Football Association Board (IFAB) in Newcastle, das sind von London aus nur 277 Meilen, mit einem Flugzeug seines Chelsea-Chefs Abramowitsch schafft er das in einer Stunde. Der IFAB hat sich vor einem Jahr mal wieder vehement gegen den Einsatz von technischen Hilfsmitteln im Fußball ausgesprochen, wäre ja auch langweilig, wenn dieser Ball gegen Deutschland im WM-Achtelfinale, der etwa zwei Meter hinter der Linie den Boden berührte, als 2:2 anerkannt würde. Über was würden dann die Leute reden den ganzen lieben langen Tag lang. Und Lampard wäre nie in die Fußball-Geschichte eingegangen als Schütze des weltberühmten Bloemfontein-Tores.

Germany v England: 2010 FIFA World Cup - Round of Sixteen

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Thosut Müzil

Wer ist bloß dieser Ouusieel, and who the f*** ist that Muller? Vor allem Engländer durchlitten schon nach dem ersten deutschen Spiel gegen Australien kleine Zitteranfälle. Wo nehmen die Deutschen nur diese Spieler plötzlich her? Die niemand kannte vorher, die irgendwo in den Tiefen dieses unheimlichen Landes bestimmt geklont wurden oder per Reagenzglas gezüchtet, nur um die Engländer wieder einmal zu demütigen. Mesut Özil (rechts) und Thomas Müller (links) fechten bei dieser WM einen innerdeutschen Kampf um die Nachfolge von Lukas Podolski als bester Nachwuchsspieler bei dieser WM aus. Podolski errang den Titel 2006. Aber da beim besten Willen niemand den Özil über den Müller oder den Müller über den Özil stellen kann, hier ein Vorschlag zur Güte: den Titel des besten Nachwuchsspielers erhält Thosut Müzil.

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Tae-Se Jong

Und wie der geheult hat! Bei offiziell minus sechs Grad, inoffiziell durch den starken Wind im Ellis Park minus 43 Grad, flennte dieser Tae-Se Jong, dass es den Menschen warm ums Herz wurde. Zeigt da nicht einer wahre Verbundenheit mit seinem Heimatland? Mit dem geheimnisvollsten Land der Erde, Nordkorea, das überall im Westen auf der Liste der bösen Buben auftaucht? Problem bei der nationalen Heulszene ist nur, dass Tae-Se Jong nie in Nordkorea war. Er ist Nachfahre nordkoreanischer Auswanderer in Japan, die aus unbekannten Gründen das Land ihrer Ahnen vermutlich mehr verehren, als diejenigen, die noch in Nordkorea leben müssen. Und so heulte dieser Tae-Se Jong los. Und während seine Mitspieler vermutlich etwas ängstlich nach dem 0:7 gegen Portugal in die Heimat zurückflogen, wird der Stürmer nun in Bochum erwartet. "Dass er schon unterschrieben hat, kann ich nicht bestätigten, ich habe aber große Hoffnungen, dass dies in Kürze geschieht", sagte VfL-Manager Thomas Ernst.

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Asamoah Gyan

Asamoah Gyan aus Accra ist der Kerl, der das erste WM-Halbfinale für Afrika versaut hat. Das klingt hart, ist aber so. Knallt der diesen Elfmeter an die Latte, in der letzten Minute der Nachspielzeit gegen Uruguay! In dieser Sekunde hat die Lithosphärenplatte, auf der der Kontinent liegt, vibriert, weil alle Afrikaner zur gleichen Zeit vor Enttäuschung aufschrien. Doch nur Minuten später zeigte Asamoah Gyan, dass er der coolste Hundling Afrikas ist. Denn nachdem er diesen Elfmeter an die Latte gedroschen hatte, kam es zum Elfmeterschießen, und wer trat für Ghana als Erster an? Asamoah Gyan. Und wo drosch er den Ball hin? In den Winkel. Leider zu spät, Ghana schied aus.

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Keisuke Honda

Alle Nicht-Japaner sahen sich verwirrt an: Darf der das überhaupt? So heißen? Honda. Offizieller Sponsor dieser "Fifa Fußball-Weltmeisterschaft", wie die Weltmeisterschaft seit neuestem heißt, ist aber nicht Honda, sondern das Konkurrenzprodukt Hyundai Kia. Und wie man bei den holländischen beer babes gesehen hat, wird Schleichwerbung im Fußball mit Androhung von Gefängnisstrafe belegt. Da musste schon der Botschafter einschreiten, um die Frauen in ihren orangefarbenen Kleidern von einem nicht lizensierten Bierbrauer wieder freizubekommen. Nun, Keisuke Honda kam ungeschoren davon. Doch könnte er Vorbild für eine Revolution sein. Was passiert, wenn sich bei künftigen Weltmeisterschaften einige Spieler Künstlernamen geben? Zum Beispiel Mercedes. Oder Philips. Oder gar Bavaria. Keine Sorge, liebe Sponsoren des Fußballs, die Fifa wird sich sicherlich etwas einfallen lassen. Und dann könnte es auch für Keisuke Honda eng werden.

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Nicolas Anelka

Was dieser Nicolas Anelka da gesagt hat, darf man eigentlich gar nicht aufschreiben. Das war so obszön, so vulgär. So gar nicht elegant, überhaupt nicht französisch. Dass es solche Worte im Französischen überhaupt gibt. Pfui Teufel! Nein, das kann man nicht wiedergeben, das ist unterste Schublade. Gut, dieser Domenech, na ja, da kann einem schon mal was rausrutschen. Aber das! Nein. Non. C'est indiscutable. C'est vraiment ..., non, isch weiß nischt, isch finde keine Wortö. "Fick dich in den Arsch, du Hurensohn", hat der gesagt. Selbst für ein Halbzeit-Kabinengespräch ist das harter Tobak. "Fick dich in den Arsch, du Hurensohn" stand dann auch genau so am nächsten Tag in der Zeitung, die Mannschaft sucht bis heute verzweifelt den Maulwurf. Domenech war ein wenig eingeschnappt, muss man sagen. Er hat den Stürmer ausgewechselt. Und ihn nach Frankreich heimgeschickt.

WM 2010 - Südafrika - Mexiko

Quelle: dpa

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Siphiwe Tshabalala

Südafrika hatte ja nicht so viel zu bieten bei dieser WM. Als erster Gastgeber raus in der Vorrunde! Puh. Die Leute waren nicht erbaut, wirklich nicht. Die Gäste hingegen schon, weil die Südafrikaner die mit Abstand schönsten Namen auf den Spielberichtsbogen hatten. Da stand im Tor ein Itumeleng, rechts verteidigte ein Siboniso, links hinten kämpfte Herr Masilela, in der Mitte rannte Herr Letsholonyane. Und vorne stürmte Katlego Mphela, der beim Verein mit dem allerschönsten Namen der Welt spielt: Marmelodi Sundowns. Mhhhh. Das klingt nach Pistazieneis am Starnberger See. Den treffendsten Namen trug dabei der Wunderschütze aus dem Eröffnungsspiel: Tshabalala. Tshabalala nahm den Ball an, Tshabalala nahm den Ball mit, Tshabalala visierte die Kugel an, Tshabalala hämmerte sie in den Winkel. Tshabalalaaaaaaaaaa! Soccer City hob für einen ganz kurzen Moment ab.

© sueddeutsche.de/mb
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