WM 2010, Einzelkritik: Deutschland:Stilles Schaffen, scharfe Pässe

Ein Özil-Pass von Lukas Podolski, ein Gerd-Müller-Tor von Müller und ein Miroslav-Klose-Tor von Miroslav Klose - die Spieler des DFB in der Einzelkritik.

Christof Kneer und Philipp Selldorf

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Germany v Australia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Manuel Neuer: Hat sich am schnellsten von allen DFB-Spielern in Südafrika akklimatisiert. Wurde vom Korrespondenten der Zeitung Sunday Star folgerichtig "Manuel Newer" genannt. Musste sich beim Warmschießen mehrfach von Miroslav Klose bezwingen lassen. Ob das ein gutes Zeichen für Klose oder ein schlechtes für Neuer war? Der Schalker sang bei der Hymne mit: vermutlich aber "Blau und Weiß / wie lieb ich Dich". War auch im Spiel schnell akklimatisiert: Gute, mutige Faustabwehr nach einer Viertelstunde. Danach: leichteres Torwarttraining.

Germany's Lahm challenges Australia's Culina during their 2010 World Cup Group D soccer match at Moses Mabhida stadium in Durban

Quelle: rtr

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Philipp Lahm: Bekam, wie sich das für einen Kapitän gehört, beim Verlesen der Aufstellungen den meisten Beifall. Sang auch mit, und zwar keinesfalls "FC Bayern / forever number one". Klärte nach zwei Minuten fast wie ein Newer auf der Linie. Glanztat! Bewies allen, die es bisher nicht glauben wollten, dass er rechts hinten vielleicht doch ein bisschen besser ist als links hinten. Baute das Spiel gut auf und tat etwas, was er von links nicht kann: flanken. So fiel das 2:0.

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Per Mertesacker: Ist keiner, der den öffnenden Pass aus der Abwehr bevorzugt, spielte deshalb häufig rüber zu Lahm, der den öffnenden Pass aus der Abwehr bevorzugt. Die Raumaufteilung mit Nachbar Friedrich funktionierte anfangs nicht fehlerfrei. Später schon - das lag aber daran, dass ihr Raum weitgehend frei von Australiern blieb.

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Arne Friedrich: Bevorzugt ebenfalls nicht den öffnenden Pass, spielte deshalb häufig rüber zu Lahm. Oder zu Mertesacker, der ihm den Ball gleich wieder zurückgab: Die Kunst des doppelten Doppelpasses ohne Raumgewinn und ohne Gegner könnte zum Markenzeichen des neuen Abwehrduos werden. Wie erwartet rückwärtsgewandt und stellungstreu, außer jenem kurzen Wahnsinnsanfall in der 54. Minute, als er wild gestikulierend in den gegnerischen Strafraum raste - und den Ball nicht bekam. Muss die Abstimmung mit Nachbar Mertesacker gegen stärkere Gegner üben.

Germany v Australia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Holger Badstuber: Ist deutlich weniger akklimatisiert als Torwart Manuel Newer. Wurde vom Stadionsprecher als Bad-stuber vorgestellt - mit hanseatischem "st" wie beim spitzen Stein. Anstatt eines öffnenden Passes spielte er von links draußen oft rüber zu Mertesacker, der dann wiederum rüberspielte zu? Genau: Lahm. Oder zu Friedrich. Liebt die Linksverteidiger-Rolle nicht, spielt sie aber still und tapfer - damit Lahm (siehe unter: öffnender Pass) auf seiner Lieblingsrolle als Rechtsverteidiger spielen kann. Untertouriger WM-Einstand - ist aber besser als hochtourig und voller Fehler. Vor dem 4:0 rutschte ihm sogar ein scharfer Steilpass raus.

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Bastian Schweinsteiger: Bekam, wie sich das für einen Vize-Kapitän gehört, beim Verlesen der Aufstellungen den zweitmeisten Beifall. Verdiente ihn sich mit stiller Schafferei. Merkte schnell, dass drei der vier Abwehrspieler den öffnenden Pass (siehe auch unter: Lahm) nicht lieben, stellte sich als Ballschlepper zwischen Offensive und Defensive zur Verfügung. Will neuerdings den reifen Staatsmann im Mittelfeld spielen - das ist ihm gelungen.

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Sami Khedira: Wer noch mehr über die Rollenverteilung der beiden Sechser wissen wollte, bekam die Antwort nach zwei Minuten: Khedira überholte in seinem Torwärtsdrang sogar Klose - und landete im Abseits. Versuchte den Mittelstürmertrick noch ein paarmal (einmal fast mit Erfolg), dann zog er sich langsam zurück, um Schweinsteiger mit der Ballschlepperei nicht allein zu lassen.

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Thomas Müller: Der rechte Flügel war die einzig offene Personalie vor dem Spiel: Bundestrainer Joachim Löw entschied sich gegen den Hamburger Dribbler Trochowski und für das Münchner Multitalent Müller. Der hat, wie sich herausstellte, sogar die Begabung des Teleskopblicks: Erkannte vor dem 1:0 Podolski auf einer Position, die für ein normales menschliches Auge nicht erfassbar war. Verstand sich blendend mit Özil, der schnell merkte, dass man diesen Müller überallhin schicken kann. Trifft in einem Spiel sehr viele Entscheidungen, und sehr viele falsche sind nicht dabei. Eine Art Lahm für vorne: immer anspielbar, fast nie ist der Ball weg. Spielt mit einem künstlerischen Radikalpragmatismus, dem man schwer widerstehen kann. Tat sich beim wunderschönen 3:0 keinen Gefallen: Seine Drehbewegung erinnerte wirklich an Gerd Müller. Obwohl: Die großen Schuhe stören ihn nicht. Er ist ein erdverbundener Oberbayer.

Australia's goalkeeper Schwarzer deflects the ball from Germany's Ozil during the 2010 World Cup Group D soccer match in Durban

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Mesut Özil: Sollte die Welt sich gefragt haben: Wer ist das denn? - Dann bekam sie nach wenigen Minuten drei bis fünf Antworten. Scharfe, öffnende Zuspiele aus dem Zentrum des Geschehens, die alles veränderten; Pässe und Pässchen, auf die Deutschland bei einer WM seit zwanzig Jahren wartet. Klaus Allofs in Bremen wurde von Minute zu Minute bleicher: Özils Vertrag läuft 2011 aus - und wer vor den Augen der Welt solche Reklame macht, wird nicht ewig Werderaner bleiben. Seine Wirkung ist spielentscheidend, und (weghören Klaus Allofs!) gewiss auch schon in London, Mailand oder Barcelona bekannt. Muss man erwähnen, dass er auch das 4:0 einleitete?

WM 2010 - Deutschland - Australien

Quelle: dpa

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Lukas Podolski: Bekam von Müller gleich den Ball, den er brauchte: genau in den Lauf und auf den linken Fuß - 1:0. Hätte er ihn in den Lauf, aber auf den rechten Fuß bekommen, dann...(siehe unter: Arne Friedrich). Das Tor half ihm, Köln minütlich mehr zu vergessen. Spielte später sogar einen Özil-Pass auf Özil. Ging später wie in Köln spazieren. Hielt beim Schlendern aber seine Position und verweigerte, wenn's gegen zehn Australier mal sein musste, nicht den Doppelpass. Oder die Vorlage zum 3:0.

Germany v Australia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Miroslav Klose: War ebenfalls eine offene Personalie. Zwar war klar, dass Löw den Mittelstürmer Klose bringen würde - bloß welchen? Den Zauberer von 2002 und 2006? Oder den Zauderer von zuletzt? Ergebnis: Es war eine Mischung, aber näher an 2002 und 2006. Bewegte sich viel besser als zuletzt, vergab anfangs zwei große Möglichkeiten. Schoss kurz darauf ein typisches Klose-WM-Tor. Kritik: Kein Salto! Hatte Chancen, die ihn zum ewigen WM-Torschützenkönig hätten machen können.

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Cacau (ab 68. für Klose): Kam rein. Schoss ein Tor. Wie immer also.

WM 2010: Deutschland - Australien

Quelle: ag.ddp

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Mario Gomez (ab 74. für Özil): Erhielt die Chance, sich mit seinem alten VfB-Kumpel Cacau ein bisschen warmzuspielen. Schoss einmal aufs Tor.

WM 2010 -  Deutschland - Australien

Quelle: dpa

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Marko Marin (ab 81. für Podolski): Durfte am Ende Podolskis Seite übernehmen. Der Bremer fiel nicht mehr groß auf, was Klaus Allofs beruhigen dürfte.

© SZ vom 14.06.2010/dop
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