WM 2010: Einzelkritik Deutschland:32 Zentimeter kleiner beim Kopfball

Klose spielt allzu ungehemmt, Podolski mit einem fatalen Ballkontakt und Özil gerät zur umstrittenen Personalie. Das deutsche Nationalteam in der Einzelkritik.

Christof Kneer und Philipp Selldorf

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Klose spielt allzu ungehemmt, Podolski mit einem fatalen Ballkontakt und Özil gerät zur umstrittenen Personalie. Das deutsche Nationalteam in der Einzelkritik.

Manuel Neuer

Durfte vor dem Spiel nicht in den Spiegel gucken. Das schwarz-gelbe, dortmundeske Torwartdress, das ihm vermutlich der Zeugwart verpasst hatte, musste sein angeborenes Schalker Farbempfinden schwer verletzen. Zu einer Parade gaben ihm die Serben in der ersten Halbzeit keine Gelegenheit, beim 0:1 musste er eher machtlos zuschauen, wie um ihn herum die gesamte Deckung ausgehoben wurde. Auch in der zweiten Hälfte mehr Balljunge und Lieferant denn klassischer Torwart. Beim nächsten Mal bitte in Königsblau!

WM 2010: Deutschland - Serbien

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Philipp Lahm

Gab penibel acht auf seinen gefährlichen Widersacher Jovanovic, was ihn zunächst daran hinderte, Müller auf der rechten Seite mehr zu unterstützen. Dass auch er vor dem 0:1 kein Mittel gegen Zigic fand, ist ihm nachzusehen - bei 32 Zentimetern Größennachteil. Auf dem Weg nach vorne ist ihm seine Statur dagegen eine große Hilfe: Ließ sich immer häufiger vorne blicken, was er dort vorne anstellte, sah meist nach Philipp Lahm - also gut - aus. Einmal allerdings sah er gar nicht nach Philipp Lahm aus: als er nach einer Grätsche eine gelbe Karte kassierte. In der zweiten Hälfte ein echter Kapitän: Passte, flankte, wuselte - umsonst.

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Per Mertesacker

Seit dem Erreichen der Manneshöhe ist er nicht mehr so oft im Kopfballduell bezwungen worden wie in dieser ersten Halbzeit durch den unfassbar riesenhaften Zigic, der ihn um sechs Zentimeter überragte - stellvertretend zu erkennen beim ersten Tor, als Mertesacker beim entscheidenden Kopfballduell fast so unterlegen war wie Lahm. Hatte mangels anderer serbischer Angreifer keine andere Aufgabe außer Zigic - diese Aufgabe aber reichte vollauf und überforderte ihn oft. In der Schlussphase vorwiegend als Brechstange tätig.

Germany v Serbia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Arne Friedrich

Tritt neuerdings in bunten Schuhen auf, man weiß nicht, was man davon halten soll. Besiegte aber den 17 Zentimeter längeren Zigic im ersten Kopfballduell. Das machte Hoffnung, die aber (siehe unter: Mertesacker) trog. Ist trotz bunter Schuhe kein Künstler geworden, sein Aufbauspiel (neuer DFB-Jargon: Spielauslösung) verdiente diesen Namen kaum. Defensiv sehr lange sehr solide - bis zum ersten Tor. Da kam er zu spät, um Jovanovic an einem artistischen Tor zu hindern, wie es nur echte Künstler erzielen. Friedrich blieb außer ein paar spontanen Ausflügen in die Spitze nur der Blick auf seine bunten Schuhe.

Germany v Serbia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Holger Badstuber

Musste sich bewusst sein, dass er nicht länger Schonfrist genießt bei der WM. Im Auftaktspiel durfte er sich das Treiben noch weitgehend aus der Ferne anschauen, diesmal war er gegen den Ribéry-artigen Dribbler Krasic sofort gefordert. Von Beginn an ein kniffliges Duell. Krasic wurde von seinen Kollegen ständig frequentiert, Badstuber löste die Aufgabe, solange er sich auf Raumgefühl und Stellungsspiel verlassen konnte. Sobald Krasic ihn ins direkte Duell zwang, geriet der junge Allgäuer in heftige Turbulenzen - wie beim ersten Gegentor. Ist lang genug (1,90m), um im Zweifel Zigic zu decken - aber leider viel zu lang für einen Linksverteidiger, der regelmäßigen kleinen Dribblern begegnet.

Germany v Serbia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Sami Khedira

Mit seinem verschärften Vorwärtsdrang immer ein paar Schritte von seinem Partner Schweinsteiger entfernt, manchmal weiter weg, als für die defensive Grundordnung gut war. Sein wesentliches Problem, die große Übersetzung in schnellen Spielsituationen, offenbarte sich in einem taktischen Foul gegen Krasic (20.). Seine Spielauffassung birgt Risiken und Chancen: Denn sein Vorwärtsdrang garantiert ja auch schnelle, gute Zuspiele in die Spitze, wo er die Serben mit seiner steten Präsenz irritierte. Hätte sich und das Team mit einem strammen Schuss an die Latte fast belohnt (45.). Wechselte nach der Pause ins defensivere Fach, hielt nun Schweinsteiger den Rücken frei. Vorne dennoch einmal erfolgreich tätig: Trieb Vidic mit seinem Nachrücken ins Handspiel, das zum Elfmeter führte.

Germany's Schweinsteiger is surrounded by Serbian players during a 2010 World Cup Group D soccer match at Nelson Mandela Bay stadium in Port Elizabeth

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Bastian Schweinsteiger

Arbeitete sich trotz Erkältung sofort in die Tiefen des Raumes hinein. Das war auch nötig, er war als Ordnungskraft gefordert. Musste Badstuber gelegentlich helfen, ebenso den Zentralverteidigern im Strafraum. War sich für nichts zu schade. Nach der Pause trotz Unterzahl auf Offensive getrimmt: Vergab eine gute Chance (54.), weil er statt zu schießen schlenzte. Wichtiger Spieler, aber nicht ganz so wirkungsvoll, wie er es wahrscheinlich gern gehabt hätte.

WM 2010 - Deutschland - Serbien

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Thomas Müller

Erfüllte erstaunlich stellungstreu das Rechtsaußenprofil, sah zunächst von seinem üblichen Vagabundenleben ab. Seine Flanken ließen allerdings die Qualität eines klassischen Flügelstürmers vermissen. War aber auch da draußen ein unangenehmer Zeitgenosse für die Serben: drängend, umtriebig, unberechenbar. Kam jedoch zu selten in die gefährliche Zone. Wichtiger Spieler, aber nicht so wirkungsvoll, wie er es wahrscheinlich gern gehabt hätte.

Germany v Serbia: Group D - 2010 FIFA World Cup

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Mesut Özil

Machte fast bruchlos da weiter, wo er in Durban aufgehört hatte. Wenig Ballkontakte, viel Wirkung. Zunächst kein dominantes Spiel, aber immer wieder elegant und für die Serben eine stete Gefahr. Nach der Pause, in Unterzahl, mit einigen Pässen auf Podolski, die mindestens so groß waren wie Zigic. Werder-Manager Klaus Allofs kennt die bittere Wahrheit: Die Späher des FC Barcelona achten nicht auf Dominanz, sondern auf spielerische Klasse. Musste kurz darauf aus taktischen Gründen raus - eine sehr umstrittene Entscheidung. Seine Rolle übernahm Cacau, der nicht mehr für Barcelona in Frage kommt, aber mehr Stürmerblut hat.

WM 2010: Deutschland - Serbien

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Lukas Podolski

Bekommt beim DFB ja meistens die Bälle, die er braucht: Geradewegs gabelfertig auf den linken Fuß. Sein erster Torschuss in der siebten Minute ging trotzdem knapp vorbei. Kam in der ersten Hälfte aber kaum mehr zum Schuss, die Serben gewährten ihm nicht den Raum, den er für sein Spiel braucht. Immerhin: Die eigene Unterzahl verschaffte ihm später Raum, was ihm sofort zwei Chancen einbrachte. Hatte in dieser Phase mehr Ballkontakte als beim 1.FC Köln in der Rückrunde. Leider war auch ein fataler Ballkontakt dabei: sein verschossener Elfmeter. Die Deutschen verschießen vom Elfmeterpunkt? Engländer und Niederländer haben bestimmt genau zugeschaut.

WM 2010 - Deutschland - Serbien

Quelle: dpa

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Miroslav Klose (Nummer 11)

Gehemmt durch eine frühe Verwarnung. Mangels brauchbarer Anspiele holte er sich sein Selbstbewusstsein, indem er vorsätzlich ein schönes Abseitstor schoss. Zog häufig ins Mittelfeld zurück, um Kontakt zum Spiel zu finden. Leider hat ihn die Verwarnung nicht ausreichend gehemmt: Für sein - eher harmloses, aber völlig überflüssiges - Foul an Stankovic bekam er die zweite gelbe Karte und musste das Feld verlassen. Das Foul warf die gute, alte Klose-Frage auf: Was, bitte schön, hat der Mittelstürmer im Mittelkreis zu suchen?

Germany v Serbia: Group D - 2010 FIFA World Cup

Quelle: getty

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Cacau (im Bild)

Kam für Özil, sollte statt Pässen Tore liefern. Daraus wurde nichts.

Marko Marin

Sollte als echter Flügelspieler die Lücke im serbischen Abwehrblock aufspüren, versuchte das meist von links. Daraus wurde auch nichts.

Mario Gomez

Weil Cacaus Stürmerblut alleine nicht ausreichte, kam noch ein echter Mittelstürmer dazu, der außerdem doppelt und dreifach motiviert sein musste: Denn Kloses Stammplatz ist ja jetzt wieder zu haben. Aber auch daraus dürfte erstmal nichts werden.

© SZ vom 19.06.2010/dav
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