WM 2010: Doping:Ungestört beim Training

Die Fifa widersetzt sich bei der WM in Südafrika der Welt-Anti-Dopingagentur und lässt mit ihrem Kontrollsystem Spielraum für Doper - vor allem beim Training.

Ronny Blaschke

Es ist Tradition geworden, dass die hohen Herren des Fußballs während eines Turniers die Journalisten einladen, um nur über den Kampf gegen Doping zu sprechen. In Südafrika hatten sie diesen Termin schon aufs erste Wochenende gelegt. Zahlen sollten ihre ach so vielen Mühen illustrieren: Weltweit 40.000 Proben im Jahr 2009, fast doppelt so viel wie 2004, davon positiv: 0,3 Prozent. Vor dieser WM: 256 Tests, acht Spieler aus jedem Team, alle negativ. Der letzte Überführte bei einer WM: Diego Maradona 1994 mit Ephedrin. Sind alle Stutzenträger sauber?

WM 2010: Doping: Dopingjäger im Auftrag der Fifa: Peter Van der Merve leitet das südafrikanische Kontrolllabor in Bloemfontein.

Dopingjäger im Auftrag der Fifa: Peter Van der Merve leitet das südafrikanische Kontrolllabor in Bloemfontein.

(Foto: afp)

"Es wäre naiv zu behaupten, dass der Fußball frei von Doping ist", widerspricht der Kölner Analytiker Wilhelm Schänzer. Er hat ein wachsendes Problembewusstsein in der Branche der Balltreter ausgemacht, doch Gelassenheit sei unangebracht. Das scheinen die Funktionäre des Weltfußballverbandes Fifa anders zu sehen. "Im Fußball werden mehr Kontrollen als in jedem anderen Sport durchgeführt. Hier geht es um mehr als die physische Leistung", sagte Michel d'Hooghe, Chef der medizinischen Fifa- Kommission. "Man kann nicht sagen, dass es im Fußball kein Doping gibt. Aber man kann sagen, dass es keine Dopingkultur gibt." Was zu beweisen wäre.

Tatsächlich haben die Kontrollen im Fußball zugenommen, aber auch im relevanten Zeitraum? "Der Fußball hat Nachholbedarf bei Trainingskontrollen", sagt Schänzer. Hier könne die Konzentrationsfähigkeit erhöht, die Ausdauerfähigkeit gestärkt werden. Das Blutdopingmittel Epo, verbreitet in Radsport oder Leichtathletik, werde hauptsächlich in Trainingsphasen genommen, einige Variationen seien gar nicht nachweisbar. Die Fifa hat bislang keinen Epo-Betrüger überführt. Kontrollen in der Sommerpause oder in der Vorbereitung sind selten, vor allem bei gesperrten oder verletzten Kickern. Auch Trainingskontrollen während des Turniers drängten sich nicht auf, "da die Mannschaften ja alle paar Tage im Einsatz sind", sagt Jiri Dvorak, Chefmediziner der Fifa. Schänzer sieht das anders, da die Regeneration erhöht werden könne und viele verbotene Mittel nur kurz nachweisbar seien.

Die Fifa konzentriert sich auf die Wettbewerbe. Zwei Spieler pro Partie aus jeder Mannschaft werden für die Kontrolle ausgelost. "Dopingsubstanzen würden sicherlich nicht am Spieltag genommen werden", bemerkt Tim Meyer, seit 2001 in der medizinischen Abteilung des DFB. Er sagt allerdings auch, dass er in seiner Laufbahn noch nie medizinische Werte bei Spielern gesehen habe, die Anlass für einen Verdacht geboten hätten. "Wenn das passieren sollte, würde ich sicherlich aufhören."

Doch als die Welt-Anti-Dopingagentur Wada einst das Kontrollnetz hatte ausweiten wollen, entgegnete Fifa-Präsident Joseph Blatter "Wir kämpfen gegen Doping, aber wir dürfen keine Hexenjagd veranstalten." Auch die Mindestsperre von zwei Jahren für Vergehen und die individuelle Meldepflicht wollte die Fifa nicht akzeptieren. In Südafrika wollten Fifa und Wada Einigkeit symbolisieren. Die Fifa beauftragt für Kontrollen eigene Ärzte statt professionelle Tester. Sie arbeitet kaum mit den nationalen Agenturen zusammen, diese würden laut Chefmediziner Dvorak nur in 30 von 208 Verbänden funktionieren. Die Wada wird in Südafrika nicht dauerhaft vertreten sein, anders als bei Olympischen und Paralympischen Winterspielen. Im Gegensatz zum IOC wird die Fifa ihre Proben nicht acht Jahre für künftige Tests aufbewahren.

So bleiben Skandale aus der Geschichte, um in der Gegenwart zu mahnen: Skandale um Juventus Turin oder Olympique Marseille in den Neunzigern oder um den spanischen Arzt und Blutpanscher Eufemiano Fuentes, dem Verbindungen zu Real Madrid und dem FC Barcelona nachgesagt wurden. In einem Punkt ging Fifa-Mediziner Michel d'Hooghe dann doch in die Offensive, er habe in den vergangenen Jahren Missbrauch von Schmerzmitteln festgestellt. In einer Mannschaft seien sie 22 von 23 Spielern vor jeder Partie verabreicht worden, das könne zu Schäden von Nieren und Verdauungssystem führen. Worte des Entsetzens - verboten sind die Mittel allerdings nicht.

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