Süddeutsche Zeitung

WM 2010: DFB-Team:Selbst die Eiche fällt um

Hat sich der Fußballgott gegen das DFB-Team verschworen? Die Verletztenliste wird immer länger, nun stürzt Thomas Müller beim Mountainbike-Fahren. Nur Cacau bringt alle zum Lachen.

Thomas Hummel

Thomas Müller hat in diesem, seinem 21. Lebensjahr, durchweg Positives erlebt. Er stieg von einem Drittliga-Spieler zur Stammkraft des FC Bayern München auf, der Fußballlehrer van Gaal ließ ihn genau einmal nicht mitspielen, er hielt die Meisterschale und den DFB-Pokal in der Hand, er durfte zum ersten Mal ein Länderspiel bestreiten. Dann wurde er für die WM in Südafrika nominiert. Gut, im Champions-League-Finale vergab er diese monströse, diese einzige Ausgleichschance. Aber den bodenständigen Weilheimer wirft so schnell nichts um. Dachte man.

Bis er nun als Nachzügler bei der Nationalmannschaft ankam. Und das hebelt selbst einen Herrn Müller, der mit seinen zwei Beinen im Leben steht wie eine 100-jährige Eiche, aus dem Gleichgewicht. Thomas Müller stieg bei seiner ersten Trainingseinheit auf ein Mountainbike, radelte ein wenig durch die Südtiroler Dolomiten - und dann fiel er hin. Müller "hat sich leichte Schürfwunden an den Knien zugezogen und eine kleine Platzwunde am Kinn, die von Doktor Josef Schmitt im Quartier genäht wurde", teilte DFB-Medienchef Harald Stenger mit.

Nach all den schlimmen Botschaften, die den DFB seit einiger Zeit erreicht, haben sich einige wohl gewundert, dass Stenger nicht gleich verkündete: Thomas Müller fällt für die WM aus! Nein, er habe keine "Knochen- oder Muskelverletzungen". Und die Sehnen? Nach den Sehnen hat niemand gefragt! Oh Gott, hoffentlich ist nichts mit Thomas Müllers Sehnen! Doch auch hier kann Entwarnung gegeben werden. Der 20-jährige Offensivspieler hat sich tatsächlich nur das Kinn und das Knie aufgeschlagen.

Die Bild-Zeitung ruft bereits den "WM-Fluch über Löw" aus. Fußballgott-gläubige Mitmenschen sollten schnellstmöglich eine Prozession organisieren, um dem unheimlichen Treiben mit der DFB-Elf vor der WM in Südafrika Einhalt zu gebieten. Verletzt sind: Rolfes, Adler, Ballack, Träsch. Wegen Formtief nicht dabei: Hitzlsperger. Trotz Formtief dabei: Podolski, Klose, Gomez. Die Indizienkette ist eindeutig. Und ein Motiv gibt es auch für den Fußballgott: Die Posse um die geplatzte Vertragsverlängerung zwischen dem DFB und dem Löw-Team entspricht nicht der ehernen Kickerregel vom Teamgeist.

Eine Verkettung unglücklicher Umstände bemerkt selbst Joachim Löw inzwischen. Wohl noch nie hat ein Bundestrainer im Vorfeld einer WM mit so viel Unbill zu kämpfen gehabt wie der 50-Jährige aus dem Schwarzwald.

Da war es an diesem Mittwoch sehr wohltuend, dass Cacau in das Pressezentrum des DFB-Trainingslagers zum Gespräch kam. Der gebürtige Brasilianer brachte so viel Lebensfreude und Zuversicht mit, die ein zwischen Flensburg und Garmisch geborener Mensch einfach nicht im Gemüt hat so kurz vor einer Fußball-WM. Die Verletzungen und Müllers Unfall? Ach ja, "es kann auch was auf dem Weg zur Pressekonferenz passieren", sagte Cacau und winkte lächelnd ab. Nein, das beeinträchtige ihn nicht, er gehe ganz normal mit der Situation um, werde auf dem Platz auch künftig nicht zurückziehen.

Herr Cacau, hatten Sie beim Mountainbiking Angst? "Es hat sehr viel Spaß gemacht, meine Stürze habe ich schon vor vielen Jahren in Brasilien erlebt." Dabei sei er "keine Bergziege", aber wenn es nach unten gehe, freue er sich.

Und die Dopingkontrolle im DFB-Lager am Vormittag, Herr Cacau, haben Sie so etwas schon mal erlebt? Oh ja, oft schon, Cacau lachte. Wenn in Stuttgart der Kontrolleur komme, schaue er immer weg, "weil bei mir dauert es immer länger, bis ich kann". Dann müsse er immer viel trinken "und wenn ich dann mit dem Auto nach Hause gefahren bin, ist es schon passiert, dass ich stoppen musste".

Jetzt lachten auch die Fragesteller und Medienchef Harald Stenger. Der Angreifer aus Stuttgart sagte, er freue sich einfach auf die WM und er genieße das Trainingslager in Südtirol. Weil die Mannschaft viel zusammen mache, weil die Familie zu Hause in Brasilien schon ganz aufgeregt und das Wetter hier in Italien so schön sei. "Für mich ist es nie heiß genug", sagte Cacau. In der Region Bozen waren es wieder 27 Grad bei strahlender Sonne.

Und so wird es auch Cacau bald dämmern, dass auf ihn noch eine böse Überraschung wartet. In Südafrika beginnt gerade der Winter und die hochgelegene Provinz Gauteng, wo das deutsche Team wohnen wird, erwartet nachts Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.

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