Natürlich wird Deutschland gegen Ghana gewinnen, weil deutsche Tugendmannschaften immer gewinnen, wenn es ernst wird. Natürlich wird Deutschland gegen Ghana nicht gewinnen, weil diese DFB-Elf keine richtige deutsche Tugendmannschaft mehr ist. Das ist das Szenario für das Endspiel der Vorrundengruppe D - niemand kann genau vorhersagen, ob Joachim Löws junges Team den nötigen Sieg schafft (ein Remis reicht nur, wenn Serbien gegen Australien nicht gewinnt). Niemand kann das vorhersagen - außer uns. Die SZ dokumentiert die entscheidenden Faktoren exklusiv und lückenlos. Für Deutschland spricht: Schiedsrichter Carlos Simon: War in seiner Heimat Brasilien mal eine Weile wegen fragwürdiger Entscheidungen gesperrt. Uns doch egal, denn: Gilt als deutschfreundlich, seit er im Achtelfinale der Weltmeisterschaft 2006 zwischen Deutschland und Schweden den schwedischen Verteidiger Lucic wegen einer Kleinigkeit vom Platz schickte. Sehr zur Freude von Lukas Podolski übrigens, der Simon dafür anerkennend auf die Schulter klopfte.
Mesut Özil: Vor ihm haben alle Mannschaften Angst, auch Ghana. Man sollte ihn allerdings nicht auswechseln.
Ghana: Wie man weiß, hat die deutsche Elf Schwierigkeiten gegen raffinierte Mannschaften vom Balkan (siehe: Serbien 2010, Kroatien 2008). Wie man allerdings ebenfalls weiß, liegt Ghana nicht auf dem Balkan, sondern in Afrika. Und gegen afrikanische Mannschaften gewinnt Deutschland im dritten Vorrundenspiel immer (siehe: Weltmeisterschaft 2002, gegen Kamerun). Damals war zwar ein bisschen Glück dabei, aber: Ist uns doch egal.
Kein Ballack (re.), kein Frings (li., im Viertelfinale der EM 2008): Die Mannschaft zieht guten Mutes und ohne innerparteiliche Opposition ins entscheidende Spiel. Diesmal wird niemand Podolski anschnauzen, wenn er mal versehentlich einen falschen Laufweg einschlägt. Aggressive leader? Braucht diese spiel- und charakterstarke Mannschaft nicht. Sie hat ja Lahm und Schweinsteiger, freundliche, demokratische Chefs, die manchmal sogar Schiedsrichtern anerkennend auf die Schulter klopfen.
Deutsche Tugenden: Hat diese Mannschaft immer noch, sagt jedenfalls der freundliche Chef Philipp Lahm. Wenn's sein muss, greift die Mannschaft erfolgreich auf den guten, alten Elfmeter zurück. Es sei denn, Podolski schießt. Aber Trainer Löw hat ja verfügt, dass ab sofort der freundliche Chef Schweinsteiger (im Bild) antritt.
Multikulti: Die Mannschaft wird als politische Einheitsbewegung gebraucht und kann deshalb unter keinen Umständen ausscheiden. Hat Angela Merkel (li., daneben Bundestrainer Joachim Löw) auch gesagt, die freundliche Chefin von Deutschland.
Deutsche Torwartkunst: Den Torwart Neuer hat noch niemand bemerkt bei diesem Turnier, was bedeutet: Diesen Joker hat die deutsche Elf noch gar nicht gezogen! ,"Die kennen unseren Capitano noch nicht", brüllte Jürgen Klinsmann vor dem WM-Halbfinale 2006 durch die Kabine. Unseren Manu werden die jetzt auch kennenlernen.
Joachim Löw (Mitte): Die Mannschaft spielt für ihren freundlichen Chef.
Kevin-Prince Boateng: Der ghanaische ,"Ballack-Kaputttreter" (Bild) ist gegen Deutschland übermotiviert.
Absolut akribische Vorbereitung: Wie immer. Der DFB hat inzwischen sogar recherchiert, dass die gelben Karten nicht nach der Vorrunde, sondern erst nach dem Viertelfinale gestrichen werden. Absoluter Wissensvorsprung! (Hier sieht Nationalspier Cacau im WM-Spiel gegen Australien Gelb).
Gegen Deutschland spricht: Schiedsrichter Carlos Simon: War in seiner Heimat Brasilien mal eine Weile wegen fragwürdiger Entscheidungen gesperrt. Gilt als beeinflussbar. Ghanas Weiterkommen ist wichtig für Afrika.
Kevin-Prince Boateng: Der ghanaische ,"Ballack-Kaputttreter" (Bild) ist gegen Deutschland hochmotiviert.
Die deutsche Innenverteidigung: Gilt als nicht vertrauenswürdig. ,"Wir haben da alle unglücklich ausgehen", sagt Arne Friedrich (re.) über den serbischen Siegtreffer. Dieses 1:0 gilt in der Kunstszene schon jetzt als Gesamtkunstwerk an falschen Laufwegen. Während Friedrich orientierungslos durchs Niemandsland kreuzte, beschloss Mertesacker (hinten), rückwärts zu sprinten, um den armen Lahm (li.) gegen den 2,02 Meter riesigen Zigic zu drücken. Jovanovic in der Mitte blieb ungedeckt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Aufbauspiel der deutschen Innenverteidigung so langsam und vorhersehbar ist, dass sogar der freundliche Chef Lahm schimpfen musste.
Die deutsche Außenverteidigung: Gilt als noch weniger vertrauenswürdig. Grund: Der Weltklassefußballer Lahm weigert sich, auf beiden Seiten gleichzeitig zu spielen. Deshalb muss eine Seite immer von einem normalen Fußballer besetzt werden. Zurzeit die linke von Holger Badstuber (im Bild), dessen prägender Einfluss auf das Gesamtkunstwerk an falschen Laufwegen in der Kunstszene unumstritten ist. Könnte von Dennis Aogo oder Marcell Jansen ersetzt werden, vor denen Ghana aber deutlich weniger Angst hat als vor Mesut Özil. Auch Jerome Boateng gilt als Kandidat für einen der beiden Außenposten. Würde dann aber auf dem Feld seinem hochmotivierten Halbbruder begegnen und wäre deshalb vermutlich übermotiviert.
Deutsche Untugenden: Nicht mal auf Elfmeter ist mehr Verlass (im Bild verschießt Lukas Podolski im Spiel gegen Serbien).
Lahm/Schweinsteiger (im Bild)/Khedira/Özil/ Cacau: Fünf deutsche Spieler sind bereits mit einer gelben Karte vorbelastet, darunter alle freundlichen Chefs und Spieler, vor denen Ghana Angst hat. Sie alle sollen nicht an eine mögliche Sperre denken, müssen aber an eine mögliche Sperre denken. Es droht ein schizophrenes Zweikampfverhalten, das den hochmotivierten Kevin-Prince Boateng nicht erschrecken wird.
Die DFB-Historie: Noch nie ist eine deutsche Mannschaft in einer WM-Vorrunde ausgeschieden. Druck!
Kein Ballack: Bei der EM 2008 rettete sein Gewaltfreistoß aus 35 Metern im dritten Vorrundenspiel gegen Österreich das Weiterkommen. Nach exklusiven SZ-Messungen betrug die Schussgeschwindigkeit damals 308 km/h. Beim Turnier in Afrika fehlt so ein Leitlöwe. Özil kann nicht so stark schießen, Schweinsteiger auch nicht. Podolski? Schafft wahrscheinlich 308 km/h, schießt aber vorbei oder drüber. Es bleiben Zweifel, ob diese Ansammlung freundlicher Chefs zur Not auch die gewaltsame Lösung im Programm hat.
Milovan Rajevac: Ghana liegt vielleicht nicht auf dem Balkan. Aber: Ghanas Trainer kommt aus Serbien. FAZIT: Zählen Sie selbst. Es wird eng.