WM 2010: Argentinien:Maradonas Mauscheleien

Zum Ärger der argentinischen Fans hält Diego Maradona in seiner Startelf an Abwehrspieler Gabriel Heinze fest - und macht gleichzeitig Geschäfte mit dessen Bruder.

Javier Cáceres

Die Frage kam vom Vertreter eines argentinischen Provinzradios, und hätte Gabriel Heinze zurzeit nicht einen so sonnengebräunten Teint, man hätte wunderbar beobachten können, wie kochendes Blut sein Gesicht dunkel färbt. Doch auch so ließ er kaum einen Zweifel daran, dass er sofort bereit wäre, vom Podest zu steigen, die Ärmel hochzukrempeln und die dialektische Auseinandersetzung auf jene Weise zu lösen, wie es der Überlieferung zufolge Männer tun. Er wolle ihm, Heinze, gerne übermitteln, was die Hörer seiner Radioshow zu seinem Stammplatz meinten, hatte der Reporter verkündet, und auch wenn er den Sachverhalt in elegante Worte kleidete, so war nicht nur unterschwellig herauszuhören: nichts, nada.

WM 2010 - Argentinien Training

Zu Fußballlegende Diego Maradona gehört die Zigarre wie zu Helmut Schmidt die Zigarette. Diese hier hat ihm sein Freund Fidel Castro geschenkt.

(Foto: dpa)

Heinze verstand die Frage nur allzugut: "Das ist eine Frage...die hier...jetzt nichts zu suchen hat. Und ich weiß auch nicht, worauf du hinauswillst...", presste Heinze hervor und legte eine Menge Verachtung in seinen Blick. "Aber gut...die Fakten sprechen manchmal mehr als die Worte, und ich kann dir sagen, dass die Leute etwas völlig anderes denken als das." Und weiter: "Ich bin immer nur von bestimmten Medien diskutiert worden. Nicht vom Volk. Und ich weiß, auf welchen Pfaden ich durchs Leben schreite."

Eine GmbH namens "Passion"

Das Volk, die Aufrichtigkeit, die Aufopferung, die Geschichte, der Kampf, die Mystik - das sind die Begrifflichkeiten, um die das Fußballverständnis des Gabriel Heinze kreist. Manchmal wirkt es, als wolle er mit großen Worten sein Talent strecken. Dass dieses limitiert ist, das wissen die meisten Argentinier nur allzu gut.

Ein Teamführer, der nicht Fußball spielen kann

Schon lange wird gemutmaßt, dass Heinze weniger wegen seines fußballerischen Könnens, sondern eher wegen einer besonderen Geschäftsbeziehung zum Cheftrainer Diego Maradona in der argentinischen Nationalelf einen Platz hat. Sein Bruder leitet eine Fußballmarketing-GmbH namens "Passion", sie wirbt auf ihrer Homepage unter anderem damit, dass sie im Internet "die Marke Maradona entwickelt". So manchen Dollar hat Maradona dank des Heinze-Bruders verdient - ob er sich auch deshalb erkenntlich zeigt?

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Mit Zuckerbrot und Peitsche: Für die Guten gibt's bei Diego Maradona im Training ein Küsschen, für die Schlechten den Ball auf den Hintern.

(Foto: afp)

Mehr als hundert Spieler hat Maradona als Nationaltrainer bekanntlich schon ausprobiert, als Fixsterne in seinem System galten lediglich Barcelonas Wunderkind Lionel Messi, der defensive Mittelfeldmann Javier Mascherano - und Heinze. Womöglich in umgekehrter Reihenfolge, zumindest hat niemand mehr Spiele unter Maradona bestritten als Heinze: 14 sind es inzwischen. Ausgerechnet Heinze, den sie auch el alemán nennen, den Deutschen, seiner blonden Haare wegen.

Ausgerechnet, weil es derselbe Heinze ist, der am Vorabend seines Erstligadebüts einen Anruf von seinem Entdecker, der einstigen Verteidiger- Legende Jorge Griffa, erhielt: "Glückwunsch", sagte der, und riet Heinze, sich das Leben mit dem Ball nicht schwerer zu machen als nötig: "Denn vergessen Sie nie, alemán, Sie können nicht Fußball spielen." Weil er derselbe Heinze ist, der auch nach seinem ersten Auslandsengagement einen Anruf von Jorge Griffa erhielt: "Glückwunsch, alemán, aber vergessen sie nie: Sie können nicht Fußball spielen." Wie auch vor seinem Debüt mit Argentiniens Nationalelf: "Vergessen Sie nie, alemán", und so weiter. Gemessen an dieser Prophezeiung hat Heinze eine beeindruckende Karriere hinter sich.

Valladolid, Paris, Manchester

Er hat bei Real Valladolid und Paris St. Germain gespielt, bei Manchester United wurde er von den Fans einmal zum Spieler der Saison gewählt, sogar Real Madrid nahm ihn unter Vertrag. Vergangenes Jahr wurde er in Spaniens Hauptstadt dann allerdings ausgemustert, er wechselte zurück nach Frankreich zu Olympique Marseille. Dort gewann er den Ligapokal und die Meisterschaft, schoss sogar sechs Tore, mehr als je zuvor in einer Saison. Seine Form scheint er bis nach Südafrika hinübergerettet zu haben: Am Mittwoch wurde er sogar dabei beobachtet, wie er Lionel Messi tunnelte. Messi nahm es mit Humor, der Rest des Teams auch. Darauf, dass er derartiges in einem Spiel wiederholen könnte, sollte man besser nicht wetten, dennoch: "Die Mannschaft ist großartig drauf", sagte Heinze.

Wie Deutschland bei der WM 1986 wird diesmal Argentinien seine Abwehrreihe vornehmlich mit nominellen Innenverteidigern ausstaffieren, die mit den Messern zwischen den Zähnen agieren. Heinze zählt unbedingt dazu. Seine Rolle in Argentiniens Team geht aber über die des Wadenbeißers hinaus: Maradona sieht in Heinze den Führungsspieler, der - wie Óscar Ruggeri bei der WM 1986 - die argentinische Mannschaft zusammenhält, diesen Auftrag lebt Heinze völlig aus. "Ich muss arbeiten und darum kämpfen, dass alle 23 Spieler alles für das argentinische Trikot geben", sagte er in Johannesburg. Ob Maradona ein besserer Trainer geworden sei seit seinem Amtsantritt? "Die Erfahrung hilft", sagte Heinze, doch es hänge alles bloß von den Ergebnissen ab: "Es steht in unserer Verantwortung, dass Diego ein guter Trainer wird." Um den Rest des Images kümmert sich der Bruder.

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