Süddeutsche Zeitung

WM 2006:Geschichte gegen Geschichte beim DFB

  • Die Aussagen von Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach zur Affäre um die WM 2006 weichen in einigen Punkten voneinander ab.
  • Einig sind sich die Beteiligten nur bei der Antwort auf die Frage, ob es eine schwarze Kasse gab.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Knapp vier Stunden sagte Franz Beckenbauer am Montag vor Anwälten der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) beauftragten Kanzlei Freshfields-Bruckhaus-Deringer in der Affäre um die WM 2006 aus. Er war damals so nah dran wie kein anderer vom Organisationskomitee (OK) der WM. Er war der Präsident.

Über seine Aussage wurde Schweigen vereinbart. Auch baten die Anwälte der Wirtschaftskanzlei den Zeugen Beckenbauer, keine umfassende öffentliche Stellungnahme abzugeben. Es würden noch mehr Zeugen geladen und die sollten nicht wissen, was er gesagt hat.

Hinter den Kulissen tobt offenbar ein erbitterter Kampf

Beckenbauer gab denn auch nur eine knappe Stellungnahme ab: Keine Stimmen gekauft, Fehler gemacht. Das klang nicht aufregend, aber hinter den Kulissen tobt offenbar ein erbitterter Kampf. Beckenbauer hat Anwälte an seiner Seite, die nicht einmal sagen mögen, dass sie seine Anwälte sind. Beim DFB will man das Ergebnis der Prüfung abwarten.

Die Geschichte um Beckenbauer, die im DFB erzählt wird, geht so: Niersbach sei, wie bekannt, am Dienstag voriger Woche zu Beckenbauer nach Österreich gereist, um zu hören, wie das damals abgelaufen sei. Er soll dann Beckenbauer gebeten haben, eine Stellungnahme abzugeben.

Der 70-Jährige soll geneigt gewesen sein, das zu tun. Er erzählte Niersbach den Ablauf - wie er ihn in Erinnerung hatte.

Nach der Rückkehr soll Niersbach das Gesprächsergebnis in einer Art Erklärung zusammengefasst haben. Weil aber wichtige Punkte falsch dargestellt oder unklar formuliert gewesen seien, habe Beckenbauer gesagt, da mache er nicht mit. Er gebe unter diesen Umständen keine Erklärung ab. Nach dieser Absage soll Niersbach dann rasch zu seiner Pressekonferenz eingeladen haben, die aus Sicht der Kritiker bizarr war.

Der wesentlichste Punkt bei den Unterschieden zwischen der Beckenbauer-Erzählung und der Schilderung von Niersbach über das, was Beckenbauer angeblich sagt, soll ins Herz der Affäre zielen. Beckenbauer soll Niersbach erklärt haben, er habe Anfang 2002 mit Fifa-Chef Joseph Blatter über das deutsche Anliegen gesprochen, frühzeitig einen Zuschuss für die WM-Organisation zu erhalten.

Aber um die Höhe des Zuschusses oder gar eine Art Vorleistung der Deutschen an den Weltfußballverband Fifa sei es in dem Gespräch mit Blatter nicht gegangen. Blatter soll lediglich erklärt haben, er werde die Bitte unterstützen. Das wäre anders als Niersbach in der Pressekonferenz unter Verweis auf sein Gespräch mit Beckenbauer gesagt hat.

Einig sind sich alle Beteiligten in einem Punkt

Niersbach sagte, Blatter habe einen Zuschuss in Höhe von 250 Millionen Schweizer Franken "in Aussicht gestellt"; im Gegenzug sei dann die Forderung aufgetaucht, 6,7 Millionen Euro an die Finanzkommission der Fifa zu überweisen. Niersbach sagte nicht, dass Blatter die Vorleistung gefordert habe. Aber dennoch: Beckenbauers Erzählung soll anders klingen als Niersbachs Erzählung. Außerdem soll Beckenbauer erzürnt sein, dass Niersbach so getan habe, als habe er selbst mit der dubiosen Zahlung an die Fifa im April 2005 nichts zu tun gehabt.

Geschichte gegen Geschichte. Einig sind sich die meisten Streithähne (außer Theo Zwanziger) in einem Punkt: Es gab keine schwarze Kasse des OK, es gab keinen Stimmenkauf. Aber viel spricht dafür, dass eine schwarze Kasse der Fifa von den Deutschen gefüllt wurde.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2711528
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.10.2015/fued
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.