WM 2006:Des Kaisers Ehrenamt

In der Affäre um die Millionenzahlung an Franz Beckenbauer attackieren sich der DFB und die Vertreter des WM-Chefs gegenseitig. Warum aber wurde die Abmachung jahrelang verschwiegen?

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Immer wilder schwirren in der Affäre um die Fußball-WM 2006 die Millionenbeträge umher, jetzt geht es um eine weitere siebenstellige Summe. Dienstagabend wurde publik, dass Franz Beckenbauer in seiner Zeit als Chef des Organisationskomitees (OK) vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) 5,5 Millionen Euro erhielt - obwohl stets beteuert worden war, dass er dieses Amt ehrenamtlich ausübe. Auch dies ist wieder eine verschlungene Affäre, die auf verschiedenen Ebenen spielt. Es geht jetzt einmal um den Komplex, wie der Deal genau lief und warum er so lange verschwiegen worden ist. Und zum anderen um die Frage, wie mit den Erkenntnissen über das Beckenbauer-Honorar in den vergangenen Monaten umgegangen wurde.

Zum Ablauf gibt der DFB detailliert Auskunft. Zwischen Februar 2005 und Oktober 2006 erhielt Beckenbauer demnach in fünf Raten 5,5 Millionen Euro, gemäß Verträgen aus Oktober 2004 und September 2006. Dieser Deal war Teil eines Sponsorengeschäfts mit der Firma Oddset. Beschlossen worden sei die Angelegenheit aber bereits im Präsidialausschuss des OK-Aufsichtsrats im Juli 2003.

Das Glücksspielunternehmen Oddset zählte bei der WM 2006 zu den sechs nationalen Förderern; die meisten von ihnen zahlten rund zwölf Millionen Euro. Im Kontext des Oddset-Vertrages gab es die Abmachung, dass ein Teil des Geldes an Beckenbauer weiterfließt. Der warb im Gegenzug für die Firma. Oddset habe aktiv auf die Einbindung des Funktionärs gedrungen, hieß es. Versteuert wurden die Millionen laut DFB erst Ende 2010 nach einer Betriebsprüfung des Finanzamts. Der DFB zahlte 1,16 Millionen Euro Abzugssteuer - die wird fällig bei Zahlungen an einen "Steuerausländer" wie den Wahl-Österreicher Beckenbauer. Dieser erstattete Anfang 2011 die Summe dem Verband.

"Ein neuerlicher Beleg, dass das WM-OK auf Abschottung gesetzt hat", klagt der DFB-Chef

WM 2006: Über welche Zahlungen hat Franz Beckenbauer den Überblick verloren? Welche hat er bewusst verschwiegen? In jedem Fall muss jetzt niemand mehr glauben, dass es beim "Kaiser" etwas gratis gibt.

Über welche Zahlungen hat Franz Beckenbauer den Überblick verloren? Welche hat er bewusst verschwiegen? In jedem Fall muss jetzt niemand mehr glauben, dass es beim "Kaiser" etwas gratis gibt.

(Foto: Michael Tinnefeld/Agency People Image)

Über Deutung und Darstellung dieses Ablaufes beginnt nun eine Schlammschlacht mit diversen Widersprüchen. Beckenbauers Anwälte erklärten, die Behauptung, dass ihr Mandant das Geld für die WM 2006 oder ein Ehrenamt erhalten habe, sei falsch. Beckenbauer habe diese Einnahmen aus seinen Werbeaktivitäten auch "unverzüglich an seinem Wohnsitz in Österreich ordnungsgemäß versteuert".

Ähnlich äußerten sich damalige OK-Spitzen wie Horst R. Schmidt oder Theo Zwanziger: Die 5,5 Millionen seien kein Honorar fürs Ehrenamt gewesen, die verspätete Steuerzahlung nur ein administrativer Irrtum. Der frühere Innenminister Otto Schily, damals OK-Mitglied, sagte, nach seiner Erinnerung habe das Kontrollgremium keine Beschlüsse über Zahlungen an Beckenbauer gefasst. Und Oddset erklärte, es habe "keine vertragliche Beziehungen (...) zu Beckenbauer" gegeben und dementsprechend auch "keine Honorarzahlung". Inhalt des Vertrages als Nationaler Förderer sei das übliche Sponsorenpaket gewesen. Beckenbauers Werbetätigkeit hingegen bringt die Firma mit dem Staatsvertrag von 2002 in Zusammenhang, mit dem der DFB Mittel erhalten sollte.

DFB-Chef Reinhard Grindel indes kritisiert Beckenbauer und die anderen damals Handelnden. "Für mich ist dieser ärgerliche Vorgang ein neuerlicher Beleg, dass das WM-OK auf Abschottung gesetzt hat, dass dort keine Transparenz geherrscht und die Öffentlichkeit in Teilen auch getäuscht worden ist", sagte er. Das wiederum weisen Beckenbauers Anwälte zurück. Die Öffentlichkeit sei nicht getäuscht worden. Auch sei dem DFB "der gesamte Komplex von Beginn an" bekannt gewesen.

Beckenbauers Millionen-Salär taucht auch in Dokumenten der Fifa auf

Zwanziger klagt gegen Staatsanwaltschaft

Der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger setzt sich in der WM-Affäre gegen die von der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingeleiteten Ermittlungen zur Wehr. Er bestätigte, dass er das Land Hessen auf 25 000 Euro Schmerzensgeld verklagt und zudem 25 000 Euro Schadenersatz für Anwalts- und Gutachter-Kosten gefordert habe. Gegen Zwanziger, seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach und Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt ermittelt die Justiz wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung rund ums WM-Turnier 2006. Dabei kam es auch zu Hausdurchsuchungen. sid

Wenn aber die Zahlungen und die Verträge kein Problem gewesen sein sollen, stellt sich umso drängender die Frage, warum eine solche Konstruktion gewählt und niemals darüber kommuniziert worden ist. In der großen Euphorie vor und nach der WM, die damals ja noch als Sommermärchen galt, wäre ein Millionenhonorar für den OK-Chef Beckenbauer wohl öffentlich goutiert worden. Stattdessen wurde die Sache versteckt eingefädelt. Der DFB teilt auf Nachfrage mit, dass er noch nicht wisse, wie die Überweisung in den Büchern verbucht worden sei. Seine Experten würden dem noch nachgehen.

Im real vorherrschenden Zahlungsdick-icht taucht so auch wieder die Frage auf, ob und wie stark der Fußball-Weltverband (Fifa) in die Vorgänge involviert war. Die Fifa hatte sich ja auch schon in die Abwicklung der mysteriösen Zahlung in der eigentlichen WM-2006-Affäre eingeklinkt: Im April 2005 überwies der DFB 6,7 Millionen Euro an den Weltverband und tarnte die Zahlung wahrheitswidrig als Beitrag für eine Eröffnungsgala. Tatsächlich floss das Geld weiter an Ex-Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus, der es 2002 für einen noch ungeklärten Zweck vorgelegt hatte.

Beckenbauers Millionen-Salär taucht auch in Dokumenten der Fifa auf. Verbandsnahen Kreisen zufolge gibt es bei einem Prüfbericht der Firma KMPG zur WM 2006 aus dem Jahr 2008 einen sogenannten Sideletter, in dem es um die 5,5 Millionen Euro ging. Schon vor Monaten hatte die Fifa der SZ bestätigt, dass sie bei den WM-Turnieren seit 2010 exklusiv die Vertragsgestaltung mit den nationalen Förderern betreibe; auch schon zuvor habe sie dies häufig getan. Auf die neuerliche Anfrage, ob und welche konkreten Geldflüsse es im Dreieck Sponsor Oddset/Fifa/DFB gab, teilte der Weltverband mit, "dass wir in einem laufenden Verfahren keine Stellung zu diesen und ähnlichen Fragen nehmen". Welches laufende Verfahren sie meine, ließ er unbeantwortet. Der DFB teilte mit, er habe vorläufig keine Hinweise auf Zahlungswege über die Fifa vorliegen. Bedeckt hält sich die Schweizer Bundesanwaltschaft zum Fluss der 5,5 Millionen Euro: Sie könne "im Moment nicht über die in der Mitteilung vom 1. September gemachten Angaben hinausgehen". Da berichtete sie über das Verfahren gegen Beckenbauer und andere Ex-OK-Leute wegen der Überweisung über 6,7 Millionen Euro, unter anderem geht es um den Verdacht auf Untreue und Geldwäsche. Es stellt sich neben der Rekonstruktion des damaligen Ablaufes aber auch die Frage, wer von den heute Verantwortlichen wann davon wusste. Die aktuelle Verbandsspitze sagt, sie habe erst jetzt konkret von einer solchen Honorierung erfahren. "Es war bekannt, dass Beckenbauer im Umfeld der WM 2006 als Werbeträger für Oddset tätig war. Es war uns bis Montagnachmittag nicht bekannt, dass er dafür die beachtliche Summe von 5,5 Millionen aus dem Topf für die Organisation der WM 2006 erhalten hat", so DFB-Chef Grindel.

Freshfields sagt, die Zahlung sei nicht Teil der Untersuchung gewesen

Zugleich erklärte der Verband jedoch, die Kanzlei Freshfields habe im Zuge ihrer durch eine Spiegel-Story im Herbst 2015 ausgelösten verbandsinternen Nachforschungen den Vorgang überprüft und nicht beanstandet.

In "Grundzügen" sei die Sache dem DFB bekannt gewesen. Laut Freshfields-Anwalt Christian Duve, der die Nachforschungen koordinierte, ist die DFB-Spitze während der Untersuchung, also bereits zu Jahresbeginn, darüber informiert worden, dass es Zahlungen an Beckenbauer und Verträge mit Oddset gab. "Nähere Informationen zu Verträgen und Konten" habe es aber erst am Montag gegeben. Umso erstaunlicher, dass die Zahlung nicht im Schlussreport auftaucht. Duve argumentiert, diese Zahlung sei nicht Teil des Untersuchungsauftrags gewesen. Dem Vernehmen nach soll den Freshfields-Prüfern der Steueraspekt des Beckenbauer-Honorars gar nicht bekannt gewesen sein.

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