WM 1982:,,Ich muss mich für nichts entschuldigen''

Hans-Peter Briegel gab ein Interview, wurde falsch zitiert - und nun hat er den Salat: weltweit wird wieder über die "Schande von Gijon" diskutiert

Christof Kneer

Hans-Peter Briegel weiß, wie das ist. Im Grunde war Hinterherrennen ja eine Spezialdisziplin von ihm, und sehr viele gab es nicht, die ihm entkommen sind. Briegel war schnell und Briegel war stark, und wenn es die deutschen Tugenden wirklich gibt, dann war Briegel der deutsche Tugendbold.

Hans-Peter Briegel

Biegel (l.) im Finale der WM 1982 gegen den Italiener Bruno Conti

(Foto: Foto: dpa)

Nur einmal ist er nicht schnell und nicht stark genug gewesen, 1986, im WM-Finale. Da ist ihm Burruchaga entwischt, ein unverschämter Argentinier, der mit einem Pass des noch unverschämteren Maradona durchbrannte. Es war das Siegtor damals, und manchmal kommt es noch vor, dass Briegel im Traum Burruchaga rennen sieht. "Irgendwann hol' ich ihn noch ein", sagt Briegel.

Hans-Peter Briegel macht es wahnsinnig, wenn er zu spät kommt. Im Moment sitzt der Nationaltrainer Bahrains mit seiner Mannschaft im Trainingslager in Dubai, und es macht ihn besonders wahnsinnig, weil er nicht mal im Traum daran denken kann, den Flüchtenden zu stellen.

Der Flüchtende hat kein Gesicht und keinen Namen. Auf der Flucht sind ein paar Sätze, die er liebend gern wieder einfangen würde. "Dabei habe ich diese Sätze nie gesagt." Es handelt sich dabei um jene Sätze, mit denen eine deutsche Nachrichtenagentur am Montag das Land in Erstaunen versetzte, wobei die deutsche Nachrichtenagentur die algerische Zeitung Liberté zitierte, welche wiederum die arabische Zeitung Al Ittihad zitierte.

Alles Quatsch

"Ja, es tut mir leid", soll Briegel gesagt haben. Ja, die deutsche Nationalelf habe ,"geschummelt" beim letzten Vorrundenspiel der WM 1982, bei jenem berüchtigten 1:0-Sieg gegen Österreich, der praktischerweise Deutschland und Österreich in die nächste Runde brachte und die Mannschaft Algeriens zur Heimreise zwang.

Ja, man habe sich nach Horst Hrubeschs frühem Tor zum 1:0 auf dieses Ergebnis verständigt, und ja, es sei an der Zeit, sich bei den Algeriern zu entschuldigen. "Quatsch", sagt Briegel, "ich muss mich für nichts entschuldigen. Damals war nichts abgesprochen, das ist im Spiel einfach so passiert."

Es wäre ja auch wirklich eine zu schöne Geschichte gewesen, wenn die Schande von Gijon, der Makel einer ganzen Fußballer-Generation, durch ein paar kleine Sätze plötzlich bewältigt wäre. Ein Vierteljahrhundert ist das jetzt her, aber das hat nicht gereicht, um dieses Spiel, das kein Spiel war, aus den Köpfen zu verdrängen. Es war jenes Spiel, bei dem entrüstete algerische Zuschauer mit Geldscheinen wedelten, weil sie angesichts des Ballgeschiebes eine übergeordnete Schieberei witterten.

Es war jenes Spiel, in dem angeblich 21 Fußballer Bescheid wussten, und der 22. war Walter Schachner. "Ich war der einzige, der nix wusste", sagt der Österreicher Schachner, heute Trainer bei 1860 München. "In der Halbzeit hat es unter den Spielern die Absprache gegeben, dass man's beim 1:0 belassen sollte, bloß an mir ist das irgendwie vorbeigegangen." Schachner hat sich dann schon gewundert, "dass der Krankl statt Stürmer die ganze Zeit Libero gespielt hat"; und er hat sich gewundert, dass sein Gegenspieler, ein gewisser Briegel, ständig auf ihn einredete.

Fehler im System

"Der hat immer gesagt, Mensch, Schachner, renn' doch nicht so viel." Das Problem wurde dann so gelöst, dass er von den eigenen Mitspielern keine Bälle mehr bekam. "Ich war total angefressen", sagt Schachner, "aber der Fehler lag natürlich auch im System. Damals fanden die letzten Gruppenspiele noch nicht parallel statt, da konnte man noch taktieren. Schuld waren wir Spieler nicht."

Auch Briegel sagt, man habe sich "innerhalb der Regeln bewegt", und wenn er sich recht erinnert, dann hat er das auch in diesem Interview gesagt. "Ich habe nur gesagt, dass das Spiel nach dem 1:0 praktisch beendet war und dass eine Art Nichtangriffspakt geschlossen wurde", sagt er. "Und dass das aus sportlicher Sicht ein Fehler war." Als er das Interview gab, saß er in einem Hotel in Bahrain, und seine deutschen Sätze wurden von einem arabischen Dolmetscher für einen arabischen Journalisten ins Englische übersetzt.

Vor vier Wochen war das, und jetzt wundert sich Briegel, wie aus einem einstündigen Gespräch über den arabischen Fußball ein Gespräch über die Schande von Gijon werden konnte. "Zu diesem Thema gab's im Interview eine einzige Frage, ganz zum Schluss", sagt er, und dass er beim nächsten Mal das Interview autorisieren würde. "Obwohl", sagt er, "wie das dann arabisch rüberkommt, das kann ich sowieso nicht überprüfen."

Walter Schachner hat es da natürlich gut, er muss sich nicht entschuldigen. "Ich bin ja aus dem Schneider", sagt er. Aber Geheimnisträger ist er doch, er hat es als einziger exklusiv, dass die Deutschen dennoch hätten ausscheiden müssen. Ein 1:1 hätte ihnen nicht gereicht, und nur Schachner sieht noch jene Szene vor sich, wie er im Strafraum von Briegel und Stielike in die Zange genommen wird. "Ein klarer Elfmeter", sagt Walter Schachner.

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