Florian Wirtz beim DFB:Ein Geschenk des Fußballgottes

Florian Wirtz beim DFB: Florian Wirtz am Dienstag beim Training mit der deutschen Nationalmannschaft auf dem DFB-Campus in Frankfurt.

Florian Wirtz am Dienstag beim Training mit der deutschen Nationalmannschaft auf dem DFB-Campus in Frankfurt.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

"Gute Pässe nach vorn geben, torgefährlich sein, für die Mannschaft wichtig sein": Alles, was für Florian Wirtz zu einem guten Spieler gehört, hat er. Druck? Nein. Dabei ist er die Zukunft der Nationalelf.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Florian Wirtz hat in der Bundesliga schon bessere Auftritte gehabt als am Sonntag im Spiel gegen den FC Bayern. Einmal versprang ihm nach der Annahme der Ball, ein anderes Mal ließ er sich hinterrücks überraschen und ermöglichte den Münchnern eine Konterattacke, und im rauen Zweikampf mit Joshua Kimmich musste er schmerzlich erfahren, dass die Kollegialität in der Nationalelf für Kimmich dort endet, wo die Interessen der Bayern beginnen. Fehlpässe kamen im Übrigen auch nicht bloß vereinzelt vor in Wirtz' 69. Bundesligaeinsatz.

Xabi Alonso hätte seinen Spielmacher zur Pause auswechseln und später wahrheitsgemäß berichten können, dieser sei ein wenig müde gewesen, aber das hat Bayer Leverkusens Trainer natürlich nicht getan. Bloß weil Wirtz mangels Puste ausnahmsweise nicht in jeder Situation unfehlbar war, wollte sich Alonso nicht den Abend verderben lassen. Und wenn auch die Partie für den immer noch erst 19-jährigen Rheinländer ungewohnt mühsam blieb, so sollte sein großer Moment doch noch kommen, als er einen kurzen, unscheinbaren Pass zu Amine Adli lenkte und damit den Ausgleich sowie den Anfang vom Ende für die Bayern in die Wege leitete.

Anfang des Jahres hatte Alonso seinen jungen Schüler in aller Öffentlichkeit einem unerhörten Vergleich ausgesetzt - er zog Lionel Messi heran, um Florian Wirtz zu erklären: "Warum ist Messi so gut? Weil er weiß, wie und wann man einfache Pässe spielt." Denn es gehe "nicht immer darum, die brillanteste Aktion zu machen, sondern die beste und klügste", sagte Alonso: "Florian kann das. Deshalb ist er so gut."

Diese Sätze werden eines Tages in jeder Wirtz-Biografie stehen müssen, weil sie nicht nur wahr, sondern auch weise sind. Wie Messi besitzt Wirtz offenbar ein Fußballhirn, das möglicherweise kugelförmig und schwarzweiß gefleckt ist. Und wie Messi ist er jenseits des Rasens eher schüchtern und zurückhaltend als extrovertiert und gesprächig. Die zuständigen Menschen beim DFB haben daher klug gehandelt, als sie am Dienstag bei der Besetzung des Podiums zur obligatorischen Länderspiel-Pressekonferenz zwei erfahrene Profis an der Seite des Leverkusener Teenagers platzierten. Emre Can und Matthias Ginter flankierten den Kollegen wie Leibwächter.

Am Samstag dürfte für Florian Wirtz das fünfte Länderspiel hinzukommen

Nachdem er auf Wirtz während der WM hat verzichten müssen, plant Hansi Flick nun, dem ebenso musisch wie reell veranlagten Mittelfeldregisseur eine zentrale Rolle zu übertragen. Vier Länderspiel-Kurzeinsätze liegen hinter Wirtz, der jüngste fand im Oktober 2021 in Skopje beim 4:0 gegen Nordmazedonien statt. Nummer fünf dürfte am Samstag beim Testspiel gegen Peru folgen. Dass sich dann viele erwartungsvolle Blicke auf ihn richten könnten, davon möchte sich Wirtz nicht beeindrucken lassen. "Druck verspüre ich nicht", sagt er, aber er hat dazu auch eine Strategie entworfen: "Ich lass das gar nicht so sehr an mich ran, dass irgendwas auf mich übertragen wird."

Schmerzen oder andere Nachwirkungen seines Kreuzbandrisses spürt Leverkusens Nummer 27 ebenfalls nicht, ein paar Fitness-Defizite dagegen schon. Es gebe "noch ein paar Prozente, an denen ich arbeiten kann, um richtig gut zu spielen", findet er. An großen Taten hindert ihn der Rückstand nicht. Außer den bekannten genialen Steil- und wundersam effizienten Kurzpässen gehören neuerdings nach Hansi Flicks Beobachtung auch Dribblings zum typischen Repertoire, was Wirtz nicht nur als fußballerisches, sondern beinahe auch als medizinisches Wunder erscheinen ließe.

Über seine Zukunft habe er noch "nicht viel nachgedacht", sagt Wirtz, um seine Zukunft kümmert sich sein Vater

Nach der Verletzung besser als vorher? "Ich habe es noch nicht so vom Hansi gehört", sagt Wirtz erstaunt und versichert, er habe nicht vor, eine Umschulung zum Solisten zu machen: "Ich habe noch die gleiche Idee von meinem Fußballspiel", was im Detail bedeuten soll: "Gute Pässe nach vorn geben, torgefährlich sein, für die Mannschaft wichtig sein, alles was dazugehört."

Eine andere Besonderheit dieser noch jungen, aber schon Aufsehen erregenden Karriere liegt darin, dass deren weitere Planung nach wie vor in den Händen von Vater Hans-Joachim liegt. Dieser sieht seine fürsorgliche Aufgabe unter anderem darin, den Sohn nicht mit Geschichten und Versuchungen aus dem Fußballgeschäft zu verwirren. Florian Wirtz erklärte sich deshalb für ahnungslos, als er am Dienstag mit dem kolportierten Interesse des FC Barcelona konfrontiert wurde.

Er habe das gelesen und sei "verwundert" gewesen, "ich habe noch gar nichts gehört von meinem Vater, was Barcelona betrifft". Und überhaupt: "Über meine Zukunft habe ich bisher, ehrlich gesagt, nicht viel nachgedacht." Die Zukunft wird ohnehin kommen, und sie wird, solange es um Fußball geht, gut sein. Dieser Spieler sei "ein Geschenk" für ihn, hat Alonso gesagt. Auch Hansi Flick dürfte das für eine gute Formulierung halten.

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