Mesut Özil vor dem Länderspiel gegen die Türkei:Spekulationen im Land der Väter

Spielt er? Oder spielt er nicht? Die türkischen Fans haben ein Talent dafür, gegnerische Mannschaften zu beeindrucken - das soll besonders für Mesut Özil gelten. Die Pfiffe vom vorangegangenen Aufeinandertreffen hat der Deutsch-Türke noch nicht vergessen.

Kai Strittmatter, Istanbul

Dass er sich auf das Spiel freue, hat Mesut Özil gesagt. "Die Türkei ist ein schönes Land." Aber es wird kein einfacher Gang für ihn werden, das verriet ein Interview, das Özil vorab der türkischen Tageszeitung Radikal gab. "Ehrlich gesagt", so stand es da zu lesen: "Am liebsten würde ich gar nicht spielen." Die Verantwortlichen im deutschen Team hätten ihm den Wunsch jedoch abgeschlagen. "Sie fürchten, das könne zur schlechten Gewohnheit werden."

Mesut Özil und Mario Götze

"Ich liebe die Türkei genauso wie Deutschland": Mesut Özil.

(Foto: dpa)

Nach dieser Vorgeschichte war es kein Wunder, dass Joachim Löw am Donnerstag wilden Spekulationen begegnen musste. Der Bundestrainer dementierte Özils Interview-Aussage, "dem war nicht so", sagte Löw in der Pressekonferenz, "Mesut wollte und will unbedingt spielen." Allein "die erheblichen Achillessehnen-Probleme" könnten einen Einsatz verhindern. Er habe Schmerzen, ließ Özil derweil via DFB-Homepage ausrichten, "im Moment bin ich nicht fit".

Sollte Özil rechtzeitig genesen, würde er "gegen das Land seiner Väter" spielen, wie Radikal schreibt. Im Land seiner Väter. Zum ersten Mal. Bald ein Jahr nach den Pfeifkonzerten im Olympiastadion in Berlin, damals, als ihn vor allem die Deutschtürken niederpfiffen, ihn, den in Gelsenkirchen geborenen Sohn eines Türken. Drohen ihm nun die gleichen Pfiffe wieder?

Der Zeitung Radikal sagte Özil, er hoffe, dass die Türken in Istanbul fairer seien. "Ich liebe die Türkei genauso wie Deutschland, alle meine Verwandten leben hier." Zudem wisse er, dass die Türken ihn stets mit Gebeten unterstützt hätten. Tatsächlich schreiben Istanbuls Zeitungen gerne von "unserem Mesut", wenn Özil mal wieder Real Madrid oder Deutschland zum Erfolg schießt - solange es nicht gegen die Türkei geht.

Für die Türkei kommt dieses Spiel in einem heiklen Moment. In der türkischen Fußballwelt regieren Chaos, Zorn und Depression, seit im Sommer Korruption und Schiebung in der Liga öffentlich wurden. Und die Nationalelf kämpft um den zweiten Platz in der Gruppe, um die Chance, sich über die Relegation für die EM zu qualifizieren. "Taktik, Technik, Kraft, Kondition, Disziplin - die Deutschen haben alles, was man im Fußball braucht, im Überfluss", schreibt die Sportzeitung Fotomac: "Wir haben das auch alles - nur viel zu wenig davon."

Von einem haben sie mehr als genug: Stolz. Darf Mesut Özil hoffen, ein Stückchen davon abzubekommen? In einem Interview mit dem kicker sagte Özil, er glaube schon, dass die Türken stolz seien auf ihn. Als Milliyet das Interview übersetzte, entspann sich eine lebhafte Diskussion im Netz. Ein paar Auszüge: "Warum soll ich stolz auf ihn sein? Ich bin stolz auf Nuri (Sahin) und Hamit (Altintop), sie haben die Türkei gewählt, das sind Löwen" - "Schieß bloß kein Tor, Mann. Dann kriegst du unseren Respekt" - "Bruder Mesut, die Heimat ist da, wo man satt wird. Ich will nicht, dass du ausgepfiffen wirst" - "Er sollte zu den Tribünen gerufen werden, man sollte ihm applaudieren, und dann sollten alle rufen: Wie glücklich ein jeder, der sich Türke nennt" - "Nicht die Fans sollen das rufen, Mesut soll das rufen!" - "Meine Güte, warum regt ihr Euch so auf? Der Mann ist in Deutschland geboren." - "Sollen doch die fünfjährigen deutschen Knirpse auf dich stolz sein."

Laut wird es im Stadion auf jeden Fall werden, ob mit oder ohne Özil. Die türkischen Fans haben ein Talent dafür, gegnerische Mannschaften zu beeindrucken, die Zeitung Habertürk hat schon mal einen Tipp für die Deutschen: "Haltet Euch die Ohren zu!"

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