Wintersport:Vom Oedberg zur Weltmeisterschaft

Lesezeit: 3 Min.

Fliegt schon durch die Lüfte in Aspen: Christoph Lechner bei einem Trainingslauf vor der Freestyle-Weltmeisterschaft. (Foto: Ezra Shaw/Getty/AFP)

Die Brüder Christoph und Florian Lechner vom SC Ostin treten ab Donnerstag bei der Freestyle-WM der Snowboarder in Aspen in der Halfpipe an. Der Wettkampf soll ein Zwischenschritt auf dem Weg zu Olympia sein.

Von Thomas Becker

Für Freestyle-Fremde hört sich die Abfolge vielleicht nicht ganz verständlich an, aber Christoph Lechner hat seinen Plan längst im Kopf: Switch Backside Air oder Switch Frontside Alleyoop 1080 auf Cab Double 1080 auf Frontside 1260 auf Backside 900 auf Frontside Double Cork 1080 - und fertig ist seine Choreographie für die Weltmeisterschaft. Jetzt muss er den Lauf an diesem Donnerstag bei der Qualifikation nur noch fehlerfrei in die Halfpipe von Aspen-Buttermilk in den USA hineinsetzen.

Vor sechs Wochen sind hier bei den X-Games die weltbesten Snowboarder und Freeskier durch die Halfpipe gefahren. Für dieses Prestigeevent des Extremsports werden die Athletinnen und Athleten jedoch eingeladen, und die Veranstalter hatten den 20-Jährigen vom SC Ostin nicht auf der Rechnung. Noch nicht. Bei der Fis Freestyle, Freeski und Snowboard-WM aber fährt Lechner mit. Die sollte ursprünglich in Zhangjiakou, dem chinesischen Olympia-Ort von 2022 stattfinden, wurde wegen Corona jedoch erst nach Calgary verlegt, bis wegen der strikten Einreisebestimmungen in Kanada doch Aspen den Zuschlag bekam.

Aspen, Colorado. Das klingt nach großer, weiter Welt, nach Jet-Set, nach Cher und Hollywood-Stars wie Merryl Streep oder Jack Nicholson - die alle eine Villa hier haben. In der reichsten Stadt der USA kostet der Skipass 194 Dollar, ein Tag Skikurs 325 Dollar, ein Salat schon mal 58 Dollar und ein Aperol Spritz gerne 16 Dollar. Bei Christoph Lechner daheim am Tegernseer Oedberg kostet der Lift am Tag 20 Euro, und in der Oedbergalm geht es bei Schnitzel oder Germknödel bodenständig zu.

Lechner wird von Aspen selbst aber nicht viel mitbekommen - er logiert mit seinen acht Mannschaftskollegen von Snowboard Germany 45 Autominuten vor dem Nobelort. Es ist das größte deutsche Aufgebot, das je bei einer Freestyle-WM am Start war: vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Skiern, dazu neun auf Snowboards. In der Halfpipe gehen André Höflich (Kempten) und Leilani Ettel (Pullach) mit Medaillenchancen ins Rennen.

Die Brüder nach dem Abschlusstraining in Aspen: Florian (l.) und Christoph Lechner. (Foto: Snowboard Germany/OH)

Und da wäre auch noch der junge Mann, mit dem Christoph Lechner während der WM das Zimmer teilt: Es ist sein Bruder Florian, im Dezember gerade erst 15 Jahre alt geworden. Während Christoph im vergangenen Jahr am Ski-Internat Berchtesgaden Abi gemacht hat und nun Sportsoldat bei der Bundeswehr ist, geht Florian derzeit noch am Ski-Gymnasium Saalfelden in die neunte Klasse.

Zwar sind Halfpipe-Fahrer generell jünger als in Slopestyle oder Big Air - bei Olympia 2014 waren der Zweit- und Drittplatzierte 15 und 18 Jahre alt -, aber dass der Teenager vom Oedberg nun im selben Wettbewerb wie US-Star Shaun White fahren könnte, ist schon speziell. Der mittlerweile 34-Jährige gewann seine erste von 15 X-Games-Goldmedaillen vor 18 Jahren. Doch auf den dreifachen Olympiasieger schauen die Lechner-Brüder gar nicht so sehr. Was Style und Fahrtechnik angeht, ist ihr Idol der Australier Scotty James.

Das große Ziel der beiden Brüder: Die Olympischen Spiele 2022 in Peking

Der deutsche Trainer Luka Gartner lobt die beiden Lechners: "Sie sind sehr motiviert, diszipliniert, es macht mega Spaß mit ihnen zu arbeiten, und wir sind sehr happy mit ihrer Entwicklung." Bei Christoph sind sie sehr zuversichtlich im Verband, dass er sich für die Olympischen Spiele in einem Jahr in Peking qualifizieren wird. Die ersten Finalteilnahmen bei Großereignissen sind mittlerweile nahe. "Wir sind gespannt, was er uns hier in Aspen zeigen wird", sagt Gartner. Und auch dem kleinen Bruder traut er die Olympia-Qualifikation zu, weil er "im Training sehr gute Leistung" zeige und in einem Alter ist, "in dem er schnell große Fortschritte erzielen kann".

Mit einem staatlich geprüften Snowboardlehrer als Vater und einer Ferienwohnung in Saalbach-Hinterglemm war der Weg der Brüder vorgezeichnet. Während der Ältere im Funpark am Berg zunächst noch lieber mit Skiern herumsprang, Skirennen fuhr und sich lange nicht zwischen Race- und Freestyle-Snowboard entscheiden konnte, legte sich der Jüngere früh auf die Halfpipe fest. Sein Ziel bei der WM in Aspen? Top 30. Und im nächsten Jahr dann Olympia. "Aber da muss ich mich ziemlich anstrengen", sagt er. Der große Bruder hat die Winterspiele natürlich auch im Blick - und weiß, wie sein Weg dorthin erfolgreich verlaufen könnte: "Bei den vier Weltcups vor Olympia zwei Mal Top 16 oder ein Mal Top acht - sieht so aus, als könnte ich das schaffen." Auch dafür hat er seinen Plan also längst im Kopf.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: