Wintersport:Viele kleine Welten

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Snowboard: global erfolgreicher Wintersport. (Foto: AFP)

Die Deutschen rodeln, die Südkoreaner lieben Shorttrack, die Österreicher hüpfen von der Schanze: Wintersport ist kein globales, sondern bestenfalls ein regionales Phänomen. Was irgendwie nach etwas Großem klingt, besteht tatsächlich aus zahlreichen Neben-, Unter- und Splitterwelten.

Ein Kommentar von Johannes Aumüller

Die Welt des Wintersports, die da jedes Wochenende auf die Bildschirme drängt, hat mit der geografischen Welt nicht viel zu tun. Großzügig gerechnet beschränkt sie sich aus vielerlei Gründen auf eindreiviertel Kontinente (1 Europa, ½ Amerika, ¼ Asien).

An der Qualifikationsphase einer Fußball-Weltmeisterschaft oder an Sommerspielen nehmen die Vertreter von mehr als 200 Verbänden teil; wenn in gut einem Jahr die Winterspiele in Sotschi beginnen, dürften zirka 80 Nationen dabei sein - inklusive zahlreicher olympiaüblicher Ein-bis-drei-Personen-Teams. Die Medaillen werden sich wohl auf gut 20 Länder verteilen. Zum Vergleich: Bei den Sommerspielen in London waren es 85.

Allerdings hat die Formulierung Welt des Wintersports auch darüber hinaus ihre Tücken. Denn was irgendwie nach etwas Großem, Umfassendem und Einendem klingt, besteht tatsächlich aus zahlreichen Neben-, Unter- und Splitterwelten. Der deutsche Auf-dem-Sofa-alles-Gucker ist international eher die Ausnahme, die Südkoreaner interessieren sich fast ausschließlich für Shorttrack, die Niederländer für Eisschnelllauf.

Umgekehrt sind etliche der 15 olympischen Winter-Disziplinen fest in der Hand einiger weniger Länder - und manchmal sogar eines einzigen Landes, wie beispielsweise beim Frauenrodeln, wo die Deutschen seit Jahren dominieren. Das gilt sogar noch verstärkt, wenn man nicht nur auf die aktuellen Ergebnislisten schaut, sondern auch auf die Begleitumstände der Disziplinen, auf die atmosphärische Gestaltung von Wettkämpfen oder auf die technische und wissenschaftliche Weiterentwicklung.

Der Langlauf wird wohl noch lange ein Sport der Norweger bleiben, und Österreich erweist sich nicht nur als prägende Skisprung-Nation, weil sie den Tournee-Gewinner Gregor Schlierenzauer in ihren Reihen hat, sondern weil die drei besten Nationen des Winters einen österreichischen Trainer haben.

Bisweilen lassen sich die Sportarten aber nicht einmal mehr als nationale Phänomene charakterisieren, sondern bestenfalls als regionale und manchmal sogar auch nur als familiäre Phänomene. In großen Teilen Frankreichs beispielsweise interessieren sich die Menschen deutlich mehr für die Boule-Branche als für das Treiben der gar nicht so unerfolgreichen Ski- und Eis-Fraktion.

Es ist jedenfalls bezeichnend, welcher winterliche Sport derzeit wohl als derjenige mit dem größten globalen Ansatz angesehen werden kann: die freie Snowboard-Szene, die sich im Wesentlichen aber außerhalb der üblichen Strukturen des Verbandssportes bewegt. Doch im Fernsehen sind deren Kunststücke eher selten zu sehen.

© SZ vom 14.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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