Ski alpin:Der Winter lässt sich nicht als Serie verkaufen

Ski Alpin: Riesenslalom 2022 in Sölden

Pisten in Gerölllandschaft: Bild vom Saisonauftakt in Sölden.

(Foto: Christophe Pallot/Agence Zoom/Getty)

Nach der Absage der ersten Gletscherabfahrten am Matterhorn räumt der Renndirektor des Weltverbands bemerkenswert offen ein, dass man falsch geplant habe. Das unterstreicht, wie sehr es im Skibetrieb brodelt.

Kommentar von Johannes Knuth, Sölden

Das sogenannte Team Captains Meeting, bei dem die Jury des Welt-Ski- und Snowboardverbandes (Fis) sowie die Trainer der Nationalverbände vor jedem Weltcup zusammenkommen, ist seit diesem Winter wieder für alle Reporter am Ort geöffnet. Markus Waldner, der Renndirektor der Fis für die alpinen Rennen der Männer, hatte sich dieses Plenum am Samstag in Sölden also wohl nicht ganz zufällig ausgesucht, um seine Botschaft zu platzieren. Und die war so nachdrücklich wie der Duktus, in dem der Südtiroler seine Worte vortrug.

Dass man die zwei Abfahrten der Männer am kommenden Wochenende auf der neuen Gletscherpiste in Zermatt/Cervinia nun ersatzlos hatte streichen müssen, das sei keine Frage von Wetterpech gewesen, sagte Waldner. Auch die Veranstalter am Ort treffe keine Schuld. Es sei allein ein Fehler der Verantwortlichen, eine vier Kilometer lange Schnellfahrt nun in den Kalender zu pflanzen - in einer Zeit, in der es nicht einmal auf 2800 Metern kalt genug ist, um die Schneekanonen anzuwerfen und ein Pistenband in die Gerölllandschaft schneien zu lassen (weshalb auch die Abfahrten der Frauen in zwei Wochen wackeln). Der Klimawandel sei nun mal real, sagte Waldner, "wir müssen diese Signale respektieren." Das klang so banal wie bemerkenswert.

Denn diese Botschaft wirkte, vermutlich nicht ganz zufällig, auch nach innen, an alle, die dieses Projekt forciert hatten. Und das war, ohne das Waldner es aussprach, vor allem ein Mann: Johan Eliasch. Der neue Fis-Präsident hatte das am Tag zuvor auch eingeräumt, sinngemäß klang das so: Der Alpinsport müsse die Lücken im Kalender nach dem frühen Auftakt in Sölden füllen, das schaffe mehr Aufmerksamkeit und, irgendwann und irgendwie, mehr Geld. So sehr hatte sich Eliasch offenkundig in dieses "ikonische" Herbstprojekt am Matterhorn verbissen, dass alle Bedenken dahinter verblassten: die Sorge, solch ein Wagnis nach einem Hitzesommer durchzupeitschen, ohne Test-Event, der Kritik vieler Athleten zum Trotz. Waldners Wort zum Samstag wirkte da so, als erkläre ein Abteilungsleiter seinem Konzernchef öffentlich, wie man Autos produziert und verkauft.

So krass ist die Unzufriedenheit, die der organisierte Wintersport gerade mit sich herumträgt, selten nach außen gequollen. Man darf das getrost als weiteren Stein ins große Mosaik legen, das sich seit Eliaschs Amtsantritt vor rund anderthalb Jahren ergibt. Sei es mit der Art, wie der Schwede TV- und Sponsorenrechte an sich ziehen will, seine umstrittene Wiederwahl vom vergangenen Sommer, Expansionspläne für Rennen in China und in den USA (dessen Markt die Alpinen noch nie erobern konnten). Als ließe sich der Winter wie eine weltumspannende Serie verkaufen, nicht als das, was er ist: ein großer Sport in kleinen Bergländern, wo der Schnee immer unzuverlässiger fällt.

Waldners Botschaft klang noch bemerkenswerter, wenn man bedenkt, wie Eliasch für gewöhnlich alle jene traktieren soll, die ihm widersprechen. Es wirkte jedenfalls wenig überzeugend, wie der Präsident diesem Eindruck in Sölden entgegentrat. Er habe während seiner ersten Monate in der Fis eine tolle Belegschaft kennengelernt, sagte er; wenn man weiter so toll gemeinsam arbeite, könne man Großartiges vollbringen. Gemeinsamkeit, Einheit - das sind im Weltsport gern genutzte Chiffren für: Entweder ihr folgt mir, oder es gibt Feuer. Man darf gespannt sein, was das alles künftig bedeutet, auch für den mutigen Renndirektor aus Südtirol.

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Landscape, Cervinia, Valle d Aosta, Italy FedericoMeneghetti/Reda&Co 1028_14_FME0328; Cervinia

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