Wimbledon:Zufrieden verloren

In Julia Görges und Jan-Lennard Struff verabschieden sich auch die letzten deutschen Einzelspieler aus Wimbledon. Während Görges gegen Serena Williams ohne Breakball bleibt, vergibt Struff sie im Dutzend.

Von Barbara Klimke, London

Ganz zum Schluss hat Julia Görges die Faust gehoben. Fast wirkte es, als wollte sie Serena Williams drohen. Zwei Überkopfbälle hatte Görges ins Feld gefeuert: mit dem ersten wurde die Gegnerin nach rechts gescheucht, mit dem andern nach links getrieben. Prompt drosch Williams den Ball in die Maschen. Die Rivalin ins Laufen bringen - das ist das Mittel, mit dem man diese 37-jährige siebenmalige Wimbledon-Siegerin schlagen könnte.

Letztlich aber hat sich Serena Williams nicht aus der Ruhe bringen lassen an diesem Tag auf dem Court Nummer 1. Sie ist zum 19. Mal in ihrer Karriere im All England Club zu Gast, sie hat zehn Mal im Finale gestanden, und sie weiß, dass sie sich auf einen reichen Erfahrungsschatz und Power-Aufschläge verlasen kann, und nicht zuletzt auf ihre einschüchternde Präsenz. Kurz nach Görges' Drohgebärde erspielte sie sich zwei Matchbälle und gewann dieses Drittrunden-Duell 6:3 und 6:4.

Für Julia Görges, 30, ging damit eine Revanche verloren: Sie hatte sich vor Jahresfrist ebenfalls Serena Williams in zwei Sätzen ergeben müssen, damals allerdings erst im Halbfinale. Und trotzdem hat sie nun eine überraschend positive Bilanz gezogen: Diesmal, befand sie, habe sie "hochklassig" gespielt, aber trotzdem den Kürzeren gezogen.

Damit war das prestigeträchtigste Turnier des Jahres am Samstagnachmittag für die letzte der ursprünglich sieben deutschen Profispielerin im Einzel vorbei. Der Triumph des letzten Sommers, als Angelique Kerber die ersehnte Silberschale ans Herz drücken konnte, wird sich nicht wiederholen: Titelverteidigerin Kerber hatte schon in der zweiten Runde, an einem für sie rabenschwarzen Tag, gegen die US-amerikanische Qualifikantin Lauren Davis verloren; dass Davis' spielerische Mittel begrenzt sind, zeigte sich am Samstag, als sie sang- und klanglos (3:6, 3:6) gegen die Spanierin Carla Suarez Navarro unterging.

Struffs Spiel wird wegen eines medizinischen Notfalls über eine Stunde unterbrochen

Weil auch Jan-Lennard Struff am Samstag unglücklich verlor, wird die zweite Wimbledon-Woche in der Einzelkonkurrenz komplett ohne Akteure des Deutschen Tennis Bundes stattfinden. Struff, 29, hat sich in den vergangenen Monaten als der konstanteste seiner Davis-Cup-Kollegen erwiesen. Bei den French Open schlug er sich kürzlich bis ins Achtelfinale durch. Und auch bei der Umstellung von Sandplatz-Turnieren auf die Rasen-Saison fasste er sehr viel besser Tritt als etwa der hochgelobte, sieben Jahre jüngere Alexander Zverev: Der ATP-Weltmeister war schon im Auftaktmatch aus dem Wettbewerb gerutscht.

Struff, Nummer 33 der Welt, musste sich erst nach vier hart umkämpften Sätzen dem Kasachen Michail Kukuschkin beugen (3:6, 6:7, 6:4, 5:7). Zwischenzeitlich wurde das Match im vierten Durchgang für mehr als eine Stunde ausgesetzt, weil eine Zuschauerin auf der Tribüne kollabierte und medizinisch versorgt werden musste. Wenn sich Struff überhaupt etwas vorwerfen kann, dann nur das Auslassen seiner zahlreichen Breakchancen - allein ein Dutzend im vierten Satz.

Serena Williams "hat Respekt vor mir". Na toll!

Auch Julia Görges, Nummer 17 der Rangliste, fand an ihrer Niederlage wenig auszusetzen. Sie vertraut seit kurzem auf einen neuen Trainer, Sebastian Sachs, den sie aus der Arbeit im Fed-Cup-Team kennt; von Michael Geserer, der sie dreieinhalb Jahre lang betreute, hat sie sich ohne öffentliche Angabe von Gründen im Frühjahr getrennt. Ein erstes Fazit der Allianz zu ziehen, wäre nach dem Wimbledon-Auftritt verfrüht. Ohnehin verdankt Görges ihren Aufstieg im Welttennis auch dem Umstand, dass sie sich von reinen Zahlen und Ergebnissen im Zweifelsfall emanzipieren kann. Wichtiger als Resultate ist ihr, wie sie wiederholt erklärte, die subjektive Gewissheit, "sich weiterzuentwickeln". Am Samstag glaubte sie anhand der Konzentration, mit der Serena Williams zu Sache ging, erkannt zu haben: "Die Frau hat Respekt vor mir." Auch das ist für eine Akteurin, die sich mit der 23-maligen Grand-Slam-Siegerin duelliert, offenbar schon ein nennenswerter Erfolg.

Wimbledon: Auch der zweite deutsche Hoffnungsträger, Jan-Lennard Struff (links), scheidet in Wimbledon aus. Im vierten Satz hat es gegen den Kasachen Michail Kukuschkin nicht mehr gereicht.

Auch der zweite deutsche Hoffnungsträger, Jan-Lennard Struff (links), scheidet in Wimbledon aus. Im vierten Satz hat es gegen den Kasachen Michail Kukuschkin nicht mehr gereicht.

(Foto: Alastair Grant/AP)

Wieviel Schrecken Serena Williams' Spiel noch verbreiten kann, war allerdings vor wenigen Tagen noch das größte Rätsel der Tennisbranche: Nur fünf Wettbewerbe hatte sie in diesem Jahr bestritten, ehe sie in Wimbledon am Netz Aufstellung nahm: Bei den Australian Open im Januar kam sie bis ins Viertelfinale, danach hatte sie dreimal, in Indian Wells, Miami und Rom, wegen einer Viruserkrankung und einer Knieverletzung vorzeitig aufgeben müssen oder gar nicht antreten können. In Paris bei den French Open war in der dritten Runde für die 37-jährige berufstätige Mutter Schluss. "Es war ein kompliziertes Jahr für mich, aber ich steigere mich von Match zu Match", sagte Williams nach dem Sieg gegen Görges. "Das Spiel war schwierig, aber ich komme voran."

Williams schlug sieben Asse und brachte 71 Prozent ihrer Aufschläge ins Feld. Das reichte gegen die deutsche Rivalin, die im ersten Satz ihr drittes Aufschlagspiel zum 2:4 verlor und sich über die Dauer des gesamten Matchs nicht einen Breakball erarbeiten konnte. Beide Kontrahentinnen servierten im Schnitt mit über 170 km/h, aber die Ballwechsel blieben kurz, was eher Williams zugute kann: "Wenn sie gut serviert und returniert", gab Görges zu, "dann ist das für Gegnerinnen Dauerstress." Dem Stress muss sich nun als nächstes Carla Suárez Navarro aussetzen.

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