Die kleine Erfolgsgeschichte, die schon vor dem Start dieser 130. Championships in Wimbledon die Briten verzückt, begann damit, dass Marcus Willis beschimpft wurde. "Ich war schon bereit, in die USA zu ziehen", erzählte der 25-Jährige dieser Tage oft. Willis hatte einen Job als Tennistrainer in Philadelphia angeboten bekommen, er wollte ihn annehmen. "Dann aber traf ich ein Mädchen, sie sagte, ich bin ein Idiot - und ich soll doch jetzt einfach weitermachen."
Eine Liebesgeschichte mit einer Zahnärztin rettet die Karriere eines entmutigten englischen Profis, das ist jetzt in Wimbledon natürlich ein großes Thema, das die Briten lieben. Diese Mischung aus Verlierertyp, der zum Winner wird. Der zunächst leidet, um dann zu jubeln. So wie Liam Broady, der im letzten Jahr die große Außenseiter-Story war, weil er einst in Autos schlief und seit Jahren nicht mehr mit seinem Vater sprach.
Marcus Willis aus Slough ist dieses Mal das erste One-Hit-Wonder dieses Turniers. Er hat noch nie eine erste Runde bei einem Grand-Slam-Event gespielt. Er hat noch nie überhaupt eine erste Runde auf Tour-Niveau gespielt. Sein größter Erfolg war einmal ein Viertelfinale bei einem Challenger in Knoxville, Tennessee. Und der zweite Platz beim Jugendturnier in Queens. "Ich war ein fetter Junge", sagte Willis nun auch über sich. Er wurde als "Eric Cartman" gehänselt, das ist eine stämmige Figur in der Zeichentrickserie South Park.
"Er ist ein sehr unkonventioneller Spieler"
Fast wäre Willis am Ende schwach geworden und hätte seine Karriere aufgegeben. Zu viele Widerstände, zu wenig Erfolge, zu hohe Kosten. In diesem Jahr verdiente er bei seinem einzigen Turnierstart 356 Dollar. Das war in Tunesien, bei einem Turnier, das ganz unten ist vom Profilevel her. Jetzt füllt er die britischen Blätter. Nur ein einziger Spieler in der Weltrangliste ist schlechter platziert als er, der Franzose Albano Olivetti schaffte es als Nummer 791, sich in Roehampton zu qualifizieren. Willis war 775., ehe er sein Glück versuchte. Aber sein Qualifikationsversuch begann sogar etwas früher.
Als 23. der britischen Rangliste erhielt er als Letzter noch eine Wildcard, um sich in einem britischen Ausscheidungsturnier für die Wimbledon-Qualifikation zu qualifizieren. Willis gewann drei Matches und hatte die erste Überraschung geschafft. Dann kam Roehampton: Willis besiegte den Japaner Yuichi Sugita, die Nummer 99 der Welt. Noch nie hatte er, der Linkshänder, der viel mit der Rückhand sliced und oft ans Netz geht, einen Top100-Spieler bezwungen. Er besiegte auch den jungen Russen Andrej Rublev, der als Riesentalent gilt, und er besiegte dessen Landsmann Daniil Medwedew - Wimbledon, Main Draw war die Belohnung. "Eine wirklich coole Geschichte", sagte zu allem Andy Murray, der Weltranglisten-Zweite aus Schottland und Wimbledonsieger von 2013. "Er ist ein sehr unkonventioneller Spieler." Das war als Lob gemeint.