Wimbledon:Wenn in Wimbledon kein Gras mehr drüber wächst

An den Grundlinien der Wimbledon-Courts werden die braun-beigen Streifen im Rasen immer breiter - weil die Spieler anders spielen als früher. Verschiedene Spielstile zeichnen verschiedene Muster ins Grün.

Von Matthias Schmid, London

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1932

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Quelle: ASSOCIATED PRESS

In diesen Tagen geschieht in Wimbledon etwas geradezu Unerhörtes: Spieler beschweren sich über den Rasen, über Löcher und Unebenheiten. "Der Platz ist in keinem so guten Zustand wie in den vergangenen Jahren", sagte etwa der Weltranglistenerste Andy Murray. Dazu muss man wissen: Bei keinem anderen Tennis-Turnier der Welt ist der Rasen derart heilig wie bei dem seit 1877 ausgerichteten Turnier in England. Wimbledon und der Rasen - eine kleine Kulturgeschichte in Bildern.

In den 1930er-Jahren spielten die Männer noch mit langen weißen Hosen und die Frauen in langen weißen Kleidern. Die Schläger waren aus Holz und der Aufschlag nicht der wichtigste Schlag. Wenn man sagt, dass alles noch gediegener zuging als heute, ist das nicht falsch. Zwar weist der Rasen auf historischen Aufnahmen ein paar Schäden auf. Verglichen mit dem Zustand mancher Plätze heute wirkt das aber harmlos.

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1956

Shirley Fry and Angela Buxton

Quelle: AP

Rund 20 Jahre später entstanden schon Farb-Fotos in Wimbledon. Die Kleidung war kürzer geworden, der Rasen kam noch frisch frisiert und grün daher. Ein Grund: Die Akteure brauchten das ganze Ausmaß des Platzes für ihr Spiel, sie belasteten also einzelne Stellen nicht übermäßig.

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1968

Roche Laver

Quelle: AP

Australier wie Rod Laver und Tony Roche (im Vordergrund) gehörten zu den ersten Serve-and-Volley-Spezialisten im Tennis. Sie wuchsen auf Rasenplätzen auf und lernten früh die Vorzüge des Aufschlag-und-Flugball-Spiels kennen. Entsprechend gleichmäßig abgespielt war der Rasen, weil sie die Entscheidung vorne am Netz suchten und sich nicht lange an der Grundlinie aufhielten.

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1981

Wimbledon McEnroe

Quelle: Getty Images

Auch in den 1980er Jahren war es eine Art Naturgesetz, dass die Spieler - zumindest nach dem ersten Aufschlag - den Weg ans Netz suchten. Auch solche Spieler, die sich normalerweise an der Grundlinie viel wohler fühlen. So wie Björn Borg, der fünf Mal in Folge die All England Championships gewinnen konnte. 1981 verlor er dann gegen John McEnroe, der das Gegenteil vom ruhigen Schweden war. Er war laut und flitzte bei jeder Gelegenheit nach vorne, um die Ballwechsel zu verkürzen. Der Rasen sah deshalb auch so aus, als ob eine Herde Büffel über ihn hinweggefegt sei.

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1992

Navratilova Wimbledon

Quelle: imago

Bei den Frauen war vor allem eine Spielerin bekannt für ihr Netzattacken: Martina Navratilova. Die gebürtige Tschechoslowakin stürmte bei jeder Gelegenheit vor, auch nach dem Aufschlag, und spielte für ihr Leben gern Flugbälle kunstvoll und meistens auch unerreichbar für ihre Gegnerinnen übers Netz. Der Lohn: Neunmal gewann sie das Dameneinzel an der Church Road.

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1999

Wimbledon Lawn Tennis Championship

Quelle: Getty Images

In den 1990-Jahren wurde dann der Aufschlag auch mit der Entwicklung der Schläger immer wichtiger, meistens reichte ein Serve-ohne-Volley aus, um den Punkt zu machen. Es entwickelte sich ein schmaler Trampelpfad nach vorne. Pete Sampras war einer der herausragenden Repräsentanten dieser Zeit, siebenmal gewann der Amerikaner in Wimbledon, weil er seinen Aufschlag so gut wie kein Zweiter immer an die richtige Stelle setzen konnte und so kaum noch einen Flugball spielen musste.

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2006

Wimbledon Championships 2006 - Day Twelve

Quelle: Getty Images

In den Nullerjahren des neuen Jahrtausends konnten auch die Grundlinienspezialisten in Wimbledon immer besser mithalten, eine neue Rasenmischung sorgte dafür, dass die Bälle höher abprangen und die Spieler so mehr Zeit hatten, sie zu treffen. Selbst Sandplatzspezialist Rafael Nadal gewann zweimal hier, die ramponierten Stellen verschoben sich immer weiter nach hinten an die Grundlinie.

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2017

Wimbledon

Quelle: REUTERS

In diesem Jahr wächst an der Grundlinie praktisch kein Grashalm mehr, es war ungewöhnlich heiß und trocken in Wimbledon. Hässlich braun sieht es aus, es gibt Löcher und jede Menge herausgerissene Grasklumpen, die die Spieler wie im Bild Adrian Mannarino wieder sorgsam einbuddeln müssen. Der Weltranglistenerste Andy Murray schimpfte gar nach seinem Drittrundensieg: "Der Platz ist in keinem so guten Zustand wie in den vergangenen Jahren." Woraufhin sicht der Veranstalter verteidigte: "Die Vorbereitung der Courts ist mit exakt den gleichen sorgfältigen Standards durchgeführt worden wie in den vergangenen Jahren", hieß es in einer Stellungnahme. Abnutzungserscheinungen seien auf diesem "natürlichen Untergrund" ganz normal.

© SZ.de/dti/chge
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