Venus Williams in Wimbledon:Eine Pressekonferenz wird zur Trauerfeier

Venus Williams in Wimbledon: Schwieriger Auftritt: Venus Williams in Wimbledon

Schwieriger Auftritt: Venus Williams in Wimbledon

(Foto: AFP)
  • Venus Williams soll im Juni in Florida einen Autounfall verursacht haben, ein 78-jähriger Mann starb an den Folgen des Zusammenpralls.
  • In Wimbledon tritt die ehemalige Weltranglistenerste nun erstmals wieder in der Öffentlichkeit auf, sie gewinnt ihr Auftaktmatch.
  • In der anschließenden Pressekonferenz bricht sie in Tränen aus, sie muss den Raum verlassen.

Von Matthias Schmid, London

Venus Williams kehrte noch mal zurück, nach vier Minuten trat sie mit hängenden Schultern und gesenktem Blick wieder in den großen Interviewraum im Millenium Building von Wimbledon. An ein normales Gespräch über die vergebenen Satzbälle im ersten Satz oder ihre Schwierigkeiten, den letzten Punkt zu verwandeln, war nicht mehr zu denken. Über Vor- und Rückhände, über den Sport, sollte jetzt gesprochen werden, ausschließlich. So hatte sich der Moderator das zumindest vorgestellt, nach dem bewegenden ersten Teil des Pressegesprächs, das Williams nach fünf Minuten weinend unterbrochen hatte.

Am Montagabend ist mal wieder deutlich geworden, wie unwichtig der Sport im Allgemeinen und im Besonderen ein Tennisspiel tatsächlich sein kann. Williams, die frühere Nummer eins der Weltrangliste, hatte wenige Minuten, bevor sie zu den Journalisten sprach, ihr Erstrundenspiel gegen die Belgierin Elise Mertens gewonnen, in zwei Sätzen. Es war eine gute Partie, aber keine hinreißende, es war ein Spiel, das man nicht lange in Erinnerung behalten wird.

Die Pressekonferenz danach wird man dagegen nicht so schnell vergessen, es war eine denkwürdige, in der es plötzlich bedrückend still wurde wie bei einem Trauergottesdienst. Venus Williams hatte schon die ganze Zeit mit sich gerungen, sie hatte versucht, ihre Gefühle zu unterdrücken, indem sie ihre Schildmütze weit ins Gesicht zog und auf den Tisch vor sich starrte. Die Emotionen aber waren stärker, sie überwältigten sie. Auf dem Platz kann sie sie jeder Zeit unterdrücken. Aber wie lernt man, mit einem Autounfall mit Todesfolge umzugehen? Und das noch vor den Augen der Weltöffentlichkeit?

Die Championships im Südwesten Londons sind das berühmteste Tennisturnier des Planeten, fünfmal hat Williams die Siegertrophäe in den Himmel recken dürfen. Die US-Amerikanerin ist schon zum 20. Mal dabei, sie ist gemeinsam mit ihrer Schwester Serena zu einer Tennis-Ikone geworden, die über den Sport hinaus die Menschen bewegt. Sie sollte jetzt also Auskunft geben über den tragischen Unfall, der sich am 9. Juni in Palm Beach Gardens/Florida ereignete.

"Ich bewahre sie weiter in meinen Gedanken und Gebeten"

Berichten von CNN und der New York Times zufolge, die sich auf den Polizeibericht berufen, habe Williams in ihrem Toyota mit langsamer Geschwindigkeit eine Kreuzung überquert und sei dort mit einem anderen Fahrzeug zusammengestoßen, in dem ein älteres Ehepaar saß. Der 78-jährige Beifahrer erlag zwei Wochen später seinen Kopfverletzungen. Die Polizei beschuldigt Williams nun, den Unfall verursacht zu haben. Zu einem Gerichtstermin sei sie aber noch nicht vorgeladen worden, hieß es.

Am Freitag, zwei Tage nach ihrer Ankunft in London, meldete sich Williams erstmals zu Wort. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb sie, dass sie "am Boden zerstört und untröstlich sei". Ihre tiefstes Beileid gehöre der Familie und den Freunden von Jerome Barsons. "Ich bewahre sie weiter in meinen Gedanken und Gebeten", beendete sie den Post.

Ob sie diesem noch etwas hinzufügen wolle, fragte nun ein Reporter nach ihrem Erstrundensieg in Wimbledon. Es war nicht die erste Nachfrage zu diesem Thema, Williams hatte tapfer als erfahrene Tennisspielerin versucht, mit abgeklärten Allgemeinplätzen zu antworten. "Tennis ist immer noch die Liebe meines Lebens", bekannte sie. Oder: "Das Spiel gibt mir Freude." Und: "Du kannst dich nicht auf alles im Leben vorbereiten."

"Es gibt wirklich keine Worte, um das zu beschreiben"

Man merkte da aber schon, dass der Unfall ihr sehr nahe geht, sie sprach sehr leise und wägte jedes Wort lange ab. Bis der Mensch aus ihr herausbrach. "Es gibt wirklich keine Worte, um das zu beschreiben", sagte sie noch, ehe die ersten Tränen über ihre Wangen kullerten. Sie versuchte noch, sie mit den Händen wegzuwischen. Dann verließ sie den Raum.

Für Venus Williams ist der tödliche Unfall nicht der erste Schicksalsschlag, mit dem sie umgehen muss. Vor 14 Jahren wurde ihre älteste Schwester Yetunde Price in Los Angeles erschossen. In Armenvorort Compton, wo auch Venus Williams aufgewachsen ist, bevor die Familie nach Florida übersiedelte, um ihr und Serena den Traum vom Tennisprofi zu ermöglichen und ihn mit Leben zu füllen. Der Sport hat ihr damals schon geholfen, wieder so etwas wie Halt zu finden.

Im Interviewraum gibt es plötzlich keinen Schutz mehr

Zumindest auf dem Platz scheint das in diesen Tagen auch in Wimbledon zu gelingen. Im Match gegen die talentierte Mertens schien sie ganz in ihrem Element zu sein, auf Rasen spielt sie am liebsten, auf dem Gras kann sie ihr schnelles Spiel mit den flachen Grundschlägen und dem starken Aufschlag am besten entfalten. Sie spielte wuchtig und verkürzte die Ballwechsel, indem sie mutig ans Netz stürmte. Doch der Interviewraum ist kein Tennisplatz, kein Schutzraum.

Die nächsten Tagen werden zeigen, wie sie mit der Situation umgeht. Ob der heilige Rasen von Wimbledon heilende Wirkung haben kann. Auch ihr Trainer David Witt ist gespannt: "Es ist sehr hart für sie, aber sie versucht positiv zu bleiben und jeden Tag einzeln anzugehen." Aber selbst Venus Williams weiß nicht, ob ihr das gelingen wird. "Ich habe keine Ahnung, wie es hier weitergeht", sagte sie noch, bevor die Tränen kamen.

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