Tennis:Der Wiederholungstäter von Wimbledon

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Erneut im Wimbledon-Endspiel: Carlos Alcaraz (links) gewinnt sein Halbfinale gegen Daniil Medwedew. (Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Titelverteidiger Carlos Alcaraz bezwingt im Halbfinale Daniil Medwedew und kämpft am Sonntag gegen den Serben Novak Djokovic um den wichtigsten Tennispokal. Beim diesjährigen Turnier beweist der Spanier eine neue Qualität.

Von Gerald Kleffmann

Da stand Carlos Alcaraz, am Rand des Hauptplatzes zum Interview nach seiner Arbeitsschicht, und machte eine ganz neue Erfahrung: Waren das wirklich Buhrufe, die dem 21-Jährigen da entgegenschallten? Zwischen dem leicht gespielt geschockten Aufstöhnen vieler Zuschauer waren ja tatsächlich auch Verlautbarungen des Missfallens zu hören. Aber so wie alle lachten und auch Alcaraz strahlte, war klar: alles nur Frotzeleien. Schließlich wusste er ja selbst, dass er sich selbst ein wenig in die Bredouille gebracht hatte, als er meinte, der Sonntag werde „ein spaßiger Tag für die Spanier“.

Was er ausdrücken wollte: Die spanische Fußballnationalmannschaft wird am Abend um den EM-Titel antreten, und er, er ist ja auch in einem nicht ganz unwichtigen Endspiel in Wimbledon dabei, nach dem letztlich sehr überzeugenden 6:7 (1), 6:3, 6:4, 6:4 am Freitagnachmittag im Halbfinale gegen den Russen Daniil Medwedew, 28. Allerdings trifft Spanien auf England, so hatte er sich in die Nesseln gesetzt. „Ich habe nicht gesagt, dass Spanien gewinnen wird“, sagte er schließlich lachend, um die Wogen zu glätten.

Für seine Schläge bekommt Alcaraz die höchste Wertschätzung von der Tribüne

Alcaraz wurde die Parteinahme selbstverständlich verziehen. Er sagte selbst sehr richtig, wie er sich fühle, da er nun zum zweiten Mal hintereinander um den wichtigsten Tennispokal kämpfen wird, den er im Vorjahr in einem legendären Duell mit dem Serben Novak Djokovic gewann. „Ich fühle mich hier nicht mehr neu und weiß, wie sich ein Finale hier anfühlt. Ich werde versuchen, alles gut zu machen“, sagte er, und ein Frischling, das ist er in der Tat nicht mehr. Der Weltranglistendritte, der jüngst bei den French Open in Paris seinen dritten Grand-Slam-Titel errang, ist längst zu einer festen Größe des globalen Profitennis geworden, und warum er die Zuschauer immer wieder in den Bann zieht, demonstrierte er auch in der Partie gegen Medwedew.

Anfangs sei er noch sehr nervös gewesen, räumte Alcaraz ein, doch ab dem zweiten Satz fing er zunehmend an, die Ballwechsel in seiner unnachahmlichen Art zu diktieren: Der 21-Jährige kann wirklich verrückte Schläge fabrizieren, und immer dann, wenn er seine Vorhand regelrecht ins Feld peitscht oder einen fabelhaften Stopp übers Netz ploppen lässt, folgt das, was die höchste Wertschätzung von der Tribüne ist: ein bewunderndes Raunen. Manchmal sieht man den Leuten an, dass sie es nicht fassen können, was Alcaraz so anstellt.

Im Endspiel wartet Novak Djokovic, der sein sechstes Wimbledon-Finale in Serie erreicht

Ein Houdini, ein Entfesselungskünstler, ist er wie noch 2023, auf dem Weg in sein viertes Grand-Slam-Finale bewies Alcaraz aber auch eine neue Qualität: Er setzte sich in Matches durch, in denen er phasenweise nicht gut spielte. Genau das zeichnet große Spieler aus. In der dritten Runde war er gegen den Amerikaner Frances Tiafoe schon kurz vor der Niederlage, rettete sich in den fünften Satz und siegte. 55 Winner, direkte Punkte, gegen Medwedew belegten nun, dass er seine Präzision wiedergefunden hat.

Alcaraz’ Gegner im Endspiel ist Djokovic, der 37-Jährige besiegte den 22-jährigen Italiener Lorenzo Musetti 6:4, 7:6 (2), 6:4. Djokovic erreichte damit sein 37. Grand-Slam-Finale, sein zehntes in Wimbledon, sein sechstes im All England Club in Serie. „Er gewinnt noch viele Grand Slams“, sagte Djokovic in Richtung Alcaraz und scherzte: „In der Zukunft, wenn ich in 15 Jahren aufhöre.“ Er hatte auch viel Spaß. Und diesmal buhte niemand.

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