Nadal-Rückzug in Wimbledon:"No no no no no"

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Und wieder leidet er: Rafael Nadal saß bei der Partie gegen Taylor Fritz mehrmals auf dem Stuhl und kämpfte mit den Schmerzen, die seine Bauchmuskelverletzung verursachte. (Foto: Kirsty Wigglesworth/dpa)

Der Rückzug von Rafael Nadal vor dem Wimbledon-Halbfinale löst Debatten aus: Hätte Taylor Fritz als Lucky Loser ins Halbfinale aufrücken sollen?

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Es dauerte nicht lange, nachdem Rafael Nadal seinen Rückzug vom Rasenturnier in Wimbledon verkündet hatte, da entbrannte in den sozialen Medien, in der dortigen Tennisblase, eine Debatte: Hätte Taylor Fritz als Lucky Loser ins Halbfinale nachrücken sollen? Zu Beginn eines Turniers gibt es ja die Regel, dass für einen Profi, der fürs Hauptfeld qualifiziert ist, aber aus Verletzungsgründen nicht antreten kann, einer der Verlierer aus der letzten Qualifikationsrunde nachrücken darf. So ist gewährleistet, dass die erste Runde vollständig mit Spielern besetzt ist. Viele hätten gerne gesehen, dass der 24-jährige Amerikaner, der im Viertelfinale nach fünf intensiven Sätze erst verloren hatte, die Chance erhielte, sich mit Nick Kyrgios zu messen.

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Eine Bauchmuskelverletzung macht einen Start des Spaniers im Halbfinale unmöglich. Der Australier Nick Kyrgios steht somit erstmals in einem Grand-Slam-Endspiel.

Von Gerald Kleffmann

Nach eingehender Beratung die Erkenntnis: "Wenn ich weitermache, wird es schlimmer und schlimmer."

Natürlich hätte dieses Duell seinen Reiz gehabt, doch dem Prinzip des Leistungssports hätte eine solche personelle Rochade nicht entsprochen. So sehen es jedenfalls nicht ganz unbekannte Diskussionsteilnehmer. Andy Roddick, einst die Nummer eins der Welt, teilte bei Twitter mit, was er von der Idee halte: "No no no no no", schrieb er. Jemand, der kurz vor dem Finale verloren habe, dürfe nicht einen Slam gewinnen. Endgültig kassiert wurde der Wunsch mancher von Fritz selbst - der Weltranglisten-14., der gestand, dass er am liebsten geheult hätte nach der Niederlage, meldete sich mit einem Eintrag und stellte klar: "Nah, ich will keine Almosen. Wenn ich ihn nicht schlagen konnte, verdiene ich auch nicht, ins Semifinale zu kommen. So einfach ist es."

Am Donnerstagabend war es Nadal gewesen, der diese Aufarbeitung ausgelöst hatte, als er kurzfristig eine Pressekonferenz im All England Club einberief und seinen Ausstieg aus dem Wettbewerb bestätigte. Zu dem Zeitpunkt war dieser längst keine Überraschung mehr, wenngleich Nadal, der 22-malige Grand-Slam-Sieger, als Mann der Extreme gilt und ihm zugetraut wurde, notfalls mit einem Riss im Bauchmuskel weiterzuspielen. Dass der 36-Jährige bis zum letzten Moment darüber nachgedacht hatte, ob er nicht doch das Halbfinale gegen Kyrgios würde bestreiten können, räumte er sogar ein. Er hatte noch mal trainiert, ganz leicht. Er hatte sich mit seinen Leuten beraten. Dann die Erkenntnis: "Es ist offensichtlich: Wenn ich weitermache, wird die Verletzung schlimmer und schlimmer."

Trieb Rafael Nadal an die körperlichen Grenzen: US-Profi Taylor Fritz gestand nach der Niederlage, er hätte heulen können ob der vertanen Chance, den 22-maligen Grand-Slam-Sieger zu bezwingen. (Foto: Shaun Botterill/Getty Images)

Vor einer Woche sei die Verletzung aufgetreten, erklärte Nadal, der diese anfangs noch habe "kontrollieren" können. Was auch immer das heißen mochte, genauer wurde er nicht. Aber vor allem bei einigen Aufschlägen im Duell mit Fritz habe er gespürt, wie die Schmerzen zunahmen. Das hatte man auch seinem Gesicht angesehen. So gequält hatte er nicht mal dreingeschaut, als ihn in Paris Beschwerden am chronisch mitgenommenen linken Fuß plagten. Auf dem Weg zu seinem 14. Grand-Slam-Triumph in Roland Garros habe er vor jedem Match Betäubungsspritzen in die betroffene Stelle erhalten. Nach den French Open hatte er sich dann einer speziellen Behandlung unterzogen. So ist das bei Nadal: ein Leben zwischen Triumph und Medizin. Vielleicht auch deshalb wirkte er gefasst im voll besetzten Pressekonferenzraum, sie war nicht völlig neu, diese Situation. Auch in seinem geliebten Paris hatte er mal während des Turniers rausgezogen, 2016, wenn auch vor der dritten Runde. Damals war's das Handgelenk.

Nadal betont: "Ich kann nicht riskieren, zwei oder drei Monate komplett raus zu sein"

Dass nun seine Chance vorbei ist, den Jahres-Grand-Slam zu schaffen - alle vier großen Titel hintereinander zu gewinnen -, war für ihn unerheblich. Nadal ging es um einen anderen Aspekt: die Fortsetzung seiner Karriere. "Das Wichtigste für mich ist Glück, nicht Titel, auch wenn alle wissen, was ich unternommen habe, um hierherzukommen", sagte er. "Ich kann nicht riskieren, zwei oder drei Monate komplett raus zu sein." Er wolle nun drei bis vier Wochen kürzertreten, um dann "meinen normalen Kalender zu machen". Die US Open sollten dann auch mit ihm stattfinden.

Nadal plant, in einer Woche wieder zu trainieren, allerdings seien erst mal nur Schläge von der Grundlinie möglich und keine Aufschläge. Ob er in der Partie doch hätte zurücktreten sollen, wurde Nadal noch gefragt - dazu hatten ihn sein Vater und seine Schwester ja mit Gesten aufgefordert. Nein, es sei die richtige Entscheidung gewesen, weiterzuspielen, sagte er, er gebe nicht gerne auf, er hätte ja auch gewonnen. Zudem: "Ich bin nicht der Typ von Spieler und die Art von Mensch, die nach Entscheidungen zurückschaut und sagt: Ich hätte das nicht tun sollen."

Nick Kyrgios bedauerte am Freitag auf seiner letzten Pressekonferenz vor dem Sonntag ausdrücklich die Aufgabe Nadals, so solle niemand aus einem Turnier ausscheiden. Doch nun freue er sich aufs Finale, dafür hätte er gearbeitet. Wobei es ihm nach der Nachricht, dass er kampflos sein erstes Grand-Slam-Endspiel erreicht hatte, erst mal gar nicht gut ging: "Ich hatte einen schockierend schlechten Schlaf", gestand er.

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