Wimbledon:Warum Djokovic ein verdienter Sieger ist

Roger Federer und Novak Djokovic nach dem Wimbledon-Finale 2019

Zum fünften Mal Wimbledon-Sieger: Novak Djokovic

(Foto: AFP)
  • Novak Djokovic gewinnt das Wimbledon-Finale gegen Roger Federer, obwohl der Schweizer mehr Punkte gewinnt und deutlich mehr Winner schlägt.
  • Als Djokovic nach dem Endspiel gefragt wird, warum er dieses Spiel gewinnen konnte, nennt er einen Grund: sein Selbstvertrauen.
  • Der Serbe spielt immer am stärksten, wenn er unter Druck steht.

Von Lisa Sonnabend

Es waren vier Stunden und elf Minuten gespielt in diesem Wimbledon-Finale, als Novak Djokovic einen Matchball gegen sich hatte und sein Gegner Roger Federer ans Netz stürmte. Doch dem Serben gelang ein Vorhand-Passierball, der in einem fast unmöglichen Winkel unerreichbar neben Federer im Feld auftropfte. Djokovic war zurück in diesem Wimbledon-Finale, es gelang ihm das Re-Break. 45 Minuten später hatte der Weltranglistenerste den Schweizer niedergerungen mit 7:6 (5), 1:6, 7:6 (4), 4:6 und 13:12 (3).

Federer hatte in diesem Match 218 Punkte gewonnen, Djokovic lediglich 204. Federer servierte besser, er schlug 94 Winner, Djokovic lediglich 54. Federer absolvierte 78 Prozent aller Netzangriffe erfolgreich, Djokovic lediglich 63 Prozent. Doch am Ende gewann der Serbe - und das verdient, auch wenn das viele auf dem Centre Court anders sahen.

Djokovic kämpfte bei der Partie am Sonntag, die am Nachmittag begann und in der Nacht endete, gleich gegen zwei Gegner: gegen den Wimbledon-Rekordsieger Federer, der sich in bestechender Form präsentierte, und gegen das in Federer vernarrte Publikum, das jeden Fehler von Djokovic feierte. Trotzdem war Djokovic an diesem Finaltag schlicht unbezwingbar.

"Dieses Match hatte alles"

Immer wenn es darauf ankam, war Djokovic da. Den zweiten Satz schenkte er mit 1:6 ab, verlor komplett den Faden, wirkte verunsichert, beendete ihn mit einem Doppelfehler. Doch sobald der dritte Satz begann, hielt der 32-Jährige wieder mit. Gleich dreimal fiel in diesem Endspiel die Entscheidung in einem Tie-Break, dreimal erlaubte sich Federer genau dann Ungenauigkeiten und leichte Fehler, während Djokovics Bälle genau dann die Linien kratzten.

Als Djokovic nach dem Endspiel gefragt wurde, warum er dieses Spiel gewinnen konnte, nannte er genau einen Grund: sein Selbstvertrauen. "Ich hatte das physisch anstrengendste Match gegen Rafael Nadal im Finale der Australian Open 2012, das fast sechs Stunden dauerte", sagte Djokovic: "Aber psychisch war das heute ein anderes Level. Wegen allem. Ich war einen Punkt davon entfernt, das Match zu verlieren. Dieses Match hatte alles."

Dieses starke Selbstvertrauen, das sogar einen Federer in die Knie zwingt, hatte Djokovic vor einiger Zeit noch komplett verloren. Nach seinem French-Open-Sieg 2016 fiel der Serbe in ein tiefes Loch, er war verletzt, hatte private Probleme, auf dem Platz war er nicht bei der Sache, er wurde angreifbar. Doch vor genau einem Jahr in Wimbledon gelang ihm die wundersame Rückkehr. Er triumphierte im Finale gegen Kevin Anderson, gewann anschließend die US Open und die Australian Open. Vier der letzten fünf Grand-Slam-Turniere beendete er als Sieger, nur bei den French Open gewann Nadal. In der Weltrangliste hat Djokovic 12415 Punkte, der zweitplatzierte Spanier lediglich 7945 - ein außergewöhnlicher Vorsprung.

Federer und Nadal erfahren trotzdem größere Anerkennung

Noch immer werden meist Federer und Nadal genannt, wenn es um die Größten im Tennis geht. Doch spätestens seit den vergangenen zwölf Monaten muss Djokovic in einem Atemzug genannt werden. Allein in dem Match am Sonntag schuf er Momente für die Ewigkeit: Er gewann nach vier Stunden und 57 Minuten das längste Wimbledon-Finale der Geschichte, er ist der erste Spieler seit dem Amerikaner Robert Falkenburg im Jahr 1948, der ein Wimbledon-Finale nach Abwehr eines Matchballs noch drehen konnte.

16 Grand-Slam-Titel hat Djokovic inzwischen eingeheimst. Die Marken von Nadal mit 18 Trophäen und Federer mit 20 scheinen nicht mehr unerreichbar - vor allem, wenn er in diesem Tempo weitersiegt. Djokovic ist zudem fünf Jahre jünger als Federer, seine Knochen weniger verschlissen als die des 33-jährigen Nadals.

Nur ein beiläufiger Handschlag

Doch ob er eines Tages die gleiche Anerkennung wie Federer und Nadal erfahren wird? In Wimbledon sorgte Djokovic abseits des Platzes für Unverständnis bei anderen Spielern und bei Beobachtern, weil er als Präsident des Spielerrats noch immer an Justin Gimelstob als neuen ATP-Chef festhielt, der jedoch wegen Körperverletzung zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden war.

Nachdem Djokovic das Marathonfinale für sich entschieden hatte, jubelte er kaum - wohl als faire Geste gegenüber Federer und dem Publikum. Doch Federer, der den Serben mehrmals für sein Verhalten im Spielerrat kritisiert hatte, gab ihm nur beiläufig die Hand. Eine Szene, die diesem Finale nicht würdig war.

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