Wimbledon:Abruptes Ende des Europa-Trips

Wimbledon: Abtritt der höflichen French-Open-Siegerin: Ashleigh Barty winkt nach ihrer Niederlage im Achtelfinale in Wimbledon noch einmal freundlich.

Abtritt der höflichen French-Open-Siegerin: Ashleigh Barty winkt nach ihrer Niederlage im Achtelfinale in Wimbledon noch einmal freundlich.

(Foto: Ben Curtis/AP)

Ashleigh Barty war zuletzt die dominante Kraft im Frauentennis. Das Achtelfinal-Aus kam überraschend.

Von Barbara Klimke, London

Ein Wimbledonsieg kann ein zweifelhaftes Vergnügen sein. Das weiß Ashleigh Barty, seit sie vor acht Jahren auf den Rasenplätzen an der Church Road in London das Juniorinnenturnier gewann. Die Aufregung, der Trubel, für den sie damals sorgte, schwoll mit dem Matchball dermaßen an, dass die junge Australierin die Flucht ergriff. Sie duschte, ließ sich nach Heathrow bringen und nahm den ersten Flieger zurück. Noch ehe der Champions-Ball begann, der glamouröse Höhepunkt des Turniers, war sie in der Luft.

Am Montag hat Ashleigh Barty, inzwischen 23 Jahre alt und die Nummer 1 der Tenniswelt, das Achtelfinale in Wimbledon verloren, 6:3, 2:6, 3:6 gegen die 29 Jahre alte Amerikanerin Alison Riske. Selbstverständlich sei sie enttäuscht, sagte sie mit klarer Stimme. Vor allem darüber, dass es ihren Schlägen nach drei Runden, in denen sie brillant gespielt hatte, diesmal an Präzision fehlte: "Aber letzten Endes ist es nur ein Tennismatch, das ich verloren habe. Die Welt wird davon nicht untergehen."

In Ashleigh Barty verlieren die Championships im All England Club nach dem frühen Aus der Titelverteidigerin Angelique Kerber in diesem Jahr ihre spektakulärste Ballartistin. Denn die Australierin mit dem phänomenal variablen Spiel hatte nicht nur vor einem Monat die French Open gewonnen, ihren ersten Grand-Slam-Wettbewerb. Sie war bis zum Duell am Montag auch seit 15 Matches ungeschlagen und hatte über die Dauer dieser Siegesserie nur einen Satz abgeben müssen.

Alison Riske duelliert sich im Viertelfinale mit Serena Williams, der siebenmaligen Siegerin

Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil kaum ein Tennisprofi den Übergang von Sand- auf Rasenplätze ohne Stolpern und Schlittern übersteht; auch Radfahrer geraten aus dem Tritt, wenn sie im gewohnten Asphalt-Tempo über Kopfsteinpflaster rattern. Ashleigh Barty jedoch rutschte so gekonnt über den Pariser Sand, wo die Bälle hoch abspringen, wie sie anschließend durch die englische Parklandschaft wetzte, wo man tief in die Knie gehen muss, um den Filz noch zu erwischen. In ihrem Lauf nahm sie nach dem French-Open-Pokal auch noch den Titel von Eastbourne mit: ein seltener Beutezug, der zuletzt vor zwölf Jahren der Belgiern Justin Henin gelungen war. Erst gegen Alison Riske, eine Rasenspezialistin, war dann Schluss.

Es nutzte Barty nichts, dass sie das Match mit vier Assen begann und sich nach 32 Minuten den ersten Satzball sicherte. Im zweiten Durchgang ließ sie zu, dass sie von der Kontrahentin, Nummer 55 der Rangliste, in lange Ballwechsel verwickelt wurde. Selbstbewusst genug war die Rivalin aus den USA, die mit der Empfehlung eines Titels des Rasenturniers von s'Hertogenbosch auf die Insel kam und der nach ihrem Coup gegen die Weltranglistenerste Tränen über die Wange liefen. Barty beklagte Unsicherheiten bei ihrem Aufschlagspiel, gab aber gern zu, dass die Gegnerin sich ihr nächstes Match, das Viertelfinale gegen die 23-malige Grand-Slam-Siegerin Serena Williams, wahrlich verdient hatte. Williams, die 2016 zum siebten und bislang letzten Mal die Venus-Rosewater-Silberschale erobern konnte, verabschiedete die Spanierin Carla Suárez Navarro 6:2, 6:2 aus den Championships. Weil am Abend auch die ehemalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova der Britin Johanna Konta unterlag, ist von den sechs besten Spielerinnen der Weltrangliste im Viertelfinale an diesem Dienstag keine mehr dabei. Wenn Barty dann in ein paar Tagen den Rückflug nach Queensland antritt, wird sie in einer sehr viel gelasseneren Gemütsverfassung sein als 2011 nach ihrem Junioren-Titel. "Es war eine unglaubliche Reise in den letzten zwei Monaten", sagte sie über ihren diesjährigen Europa-Trip.

Diese Niederlage jedenfalls wird sie kaum umwerfen. Zum einen, weil sie weiß, dass jede Serie ein Ende nimmt. Zum anderen, weil sie erfolgreich daran gearbeitet hat, ihr Leben nach dem großen Sturm zum Auftakt ihrer Karriere in Ruhe und Konstanz zu verankern. Denn nach den frühen Teenager-Triumphen war sie in eine Sinnkrise geraten. Wie knochenhart der Weg an die Spitze ist, was das Leben am Leistungslimit jungen Athleten abverlangt, verschwindet meist im Schatten, den das Scheinwerferlicht wirft. Ashleigh Barty spielte damals weiter, bis sie 19 Jahre alt war, dann erkannte sie, dass das Profileben, das Reisen, der Versuch, sich auf der Tour durchzukämpfen, ihre Kräfte überstieg. Sie zog von Melbourne, wo sie an der nationalen Tennisakademie trainierte, nach Norden zu ihrer Familie zurück. Und als in Australien eine Cricket-Liga für Frauen gegründet wurde, schloss sie sich eine Saison lang dem Team in Brisbane an. Es war eher Zufall, dass sie den Weg zurück zum Tennis fand. Noch heute, sagte sie in Wimbledon, profitiere sie von den Freundschaften, die sie damals im Cricket schloss.

Der Trubel, der ihren Aufstieg zur Nummer 1 begleitete, hat ihr Gleichgewicht nicht gestört. Sie habe seit drei Jahren ein wunderbares Team an ihrer Seite, sagte sie. Der einzige Druck, den sie verspüre, liege darin, sich auf jedes Match so gewissenhaft vorzubereiten, dass sie wisse, sie habe alles gegeben. "Die Sonne", sagte sie zum Schluss, "wird auch morgen wieder aufgehen."

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