Wettskandal im Fußball:Zocken ohne Limit

Singapur, Hanoi, Macao und Kuala Lumpur sind große Drehscheiben in einem riesigen rechtsfreien Raum, in dem sich vom Hahnenkampf bis zum Fußballspiel in der slowenischen Amateurklasse alles bewetten lässt. Warum Wettbetrüger ihr Geschäft vor allem in Asien machen.

Von Thomas Kistner

Alle Wege führen nach Asien. Wer mit Wettbetrug das große Geld machen will, und das binnen kürzester Zeit, kommt nicht umhin, seine Beträge an den fernöstlichen Wettmärkten zu platzieren. Das hat auch Ante Sapina, der wiederholt verurteilte kroatische Zocker aus Berlin, auf dem Höhepunkt seines Schaffens so gehalten. Er und seine Mittäter hatten nach Erkenntnissen der Bochumer Ermittler auch gute Kontakte zu den Triaden gepflegt. Sie informierten Mitglieder des chinesischen Verbrechersyndikats über fingierte Spiele innerhalb ihres Wirkungskreises in Europa, damit auch diese von den manipulierten Fußballspielen profitieren konnten. Dafür beteiligten sich die Triaden an der Finanzierung der Manipulationen.

Wer in Europa zockt, ist an Obergrenzen für die Einsätze gebunden, wird registriert und riskiert einiges, wenn er Wettgewinne in vier- bis fünfstelliger Höhe an den Behörden vorbeischmuggeln will. Solche Barrieren gibt es in Asien nicht. Geschäfte auf Gegenseitigkeit, wie sie der Zockerring von Sapina mit den Triaden unterhielt, werden aus Ermittlersicht daher auch als Eintrittskarte für externe Banden in den begehrten fernöstlichen Markt verstanden.

Singapur, Hanoi, Macao und Kuala Lumpur sind die großen Drehscheiben in einem riesigen rechtsfreien Raum, in dem sich vom Hahnenkampf bis zum Fußballspiel in der slowenischen Amateurklasse alles bewetten lässt. Ohne Kennung des Zockers, der seine Wette bevorzugt auf Wegen ordert, die kaum Spuren hinterlassen, per Telefon oder per Skype. Auch der Wetteinsatz wandert meist online nach Asien, gern an einen der zahllosen Agenten, die ihre in aller Welt eingesammelten Gelder dann en gros setzen, in der Höhe fast unbeschränkt. Millionensummen lassen sich so platzieren - und gewinnen. Und wo es Höchsteinsätze gibt, wie in China, liegen diese mit 20.000 bis 30.000 Euro um ein Vielfaches höher als in Europa. Sie dürfen zudem beliebig oft gesetzt werden.

Fernöstliche Wettpaten manipulieren in Europa

Daneben halten Asiens Märkte für passionierte Zocker weitere Verlockungen bereit. In Fernost lässt sich auf zahllose Wettvarianten setzen, die in Europa nicht angeboten werden oder illegal sind. Darunter sogar viele, die den Ausgang einer Partie gar nicht beeinflussen. Das Spektrum reicht von der Anzahl der Einwürfe in der ersten Halbzeit eines Fußballspiels bis zur Anzahl der Akteure einer Baseball-Mannschaft, die sich vor Spielbeginn dem Publikum mit Sonnenbrillen auf der Nase präsentieren. Es gibt sogar Wettvarianten, bei denen sich im Misserfolgsfall Teile des Einsatzes zurückholen lassen.

Neben den Deals mit großen externen Zockerbanden wie der um Sapina manipulieren fernöstliche Wettpaten auch selbst in Europa. Der ungarische Ermittler Laszlo Angeli beschreibt in der laufenden Ermittlung ein Beispiel: "Das ungarische Bandenmitglied, das direkt unter dem Boss aus Singapur stand, hielt Kontakt mit Schiedsrichtern, die ihre Spiele beeinflussen konnten. Komplizen setzten dann übers Internet oder telefonisch Geldbeträge bei Buchmachern in Asien, wo Wetten akzeptiert werden, die in Europa illegal sind."

Gianni Infantino, Generalsekretär der Europäischen Fußballunion (Uefa), klagt stellvertretend für die Branche: "Es ist nicht normal, dass man in Asien problemlos jedes europäische Zweitliga-Spiel bewetten kann." Eine Lösung für das Problem sei aber nicht in Sicht. Eine Regulierung der fernöstlichen Wettmärkte erscheint derzeit als Herkulesarbeit, an der selbst die Vereinten Nationen scheitern müssten.

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