Wettskandal im Fußball:Die gekauften Tore der Profikicker

Die neue Affäre um Wettmanipulationen hat größere Ausmaße als vermutet. Es geht um 32 Spiele aus dem deutschen Profifußball - und europaweit um 200 Partien.

Der neue Wettskandal im Fußball hat noch weit größere Ausmaße angenommen als bisher vermutet, auch Deutschland ist betroffen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bochum besteht konkreter Verdacht, dass vier Spiele der 2. Bundesliga, drei Spiele der 3. Liga und 18 Partien der Regionalligen, fünf Spiele der Oberligen sowie zwei U-19-Begegnungen manipuliert wurden.

Wettskandal Manipulationen Fußball dpa

Sportwetten als einträgliches Betrugsgeschäft? Die Staatsanwälte ermitteln.

(Foto: Foto: dpa)

Insgesamt sollen etwa 200 Spiele in neun Ländern betroffen sein. Neben Deutschland sind dies Belgien, die Schweiz, Kroatien, Slowenien, die Türkei, Ungarn, Bosnien-Herzegowina und Österreich. Hinzu kommen mindestens drei Champions-League- und zwölf Europa-League-Spiele sowie ein Qualifikationsspiel zur U-21-EM.

Das sei der "größte Wettskandal der Uefa", sagte Peter Limacher, beim europäischen Fußballverband Experte für die Bekämpfung von Spielmanipulationen durch Wettbetrug. "Wir sind zutiefst betroffen vom Ausmaß dieser abgesprochenen Spielmanipulationen von organisierten Banden", sagte Limacher.

Die Tätergruppe mit insgesamt mehr als 200 Verdächtigen soll seit Beginn des Jahres Sportler, Trainer, Schiedsrichter und Offizielle bestochen und Wettgewinne in Höhe von mehreren Millionen Euro bei europäischen und asiatischen Wettanbietern erzielt haben.

Die Ermittler überwachten Telefone in ganz Europa und kamen den Tätern so auf die Spur. In den bislang bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Fällen wurde laut Polizei zehn Millionen Euro umgesetzt. "Das ist aber sicher nur die Spitze des Eisbergs. "Es ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Volumina erheblich höher liegen", sagte der Bochumer Polizeidirektor Friedhelm Althans. Dabei führte Alhans aus, dass etwa die Hälfte der Manipulationsversuche fehlschlugen, weil die Spiele nicht so endeten, wie sie vorher abgesprochen waren.

Staatsanwalt erwartet mehr Fälle

In Deutschland wurden am Donnerstag 15 Haftbefehle vollstreckt. Zwei weitere Festnahmen erfolgten in der Schweiz. Mehr als 50 Durchsuchungsbeschlüsse in sechs deutschen Bundesländern sowie der Schweiz, Österreich und Großbritannien wurden vollzogen. Es wurden Bargeld und Vermögenswerte in Höhe von mehr als einer Million Euro gesichert.

Der Gruppe wird hauptsächlich gewerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen. "Es gibt eine Kernmannschaft, die Gelder zur Verfügung stellt, in den Vereinen Leute anspricht, Und die andere Gruppe, die sich bestechen lässt, also Spieler, Trainer et cetera", sagte der zuständige Staatsanwalt.

Laut Staatsanwaltschaft ist davon auszugehen, dass sich sowohl die Zahl der Tatverdächtigen als auch die Anzahl der betroffenen Spiele durch weitere Ermittlungen erhöhen wird. Aus ermittlungstaktischen Gründen werden zur Identität der beteiligten Personen sowie der betroffenen Mannschaften derzeit keine Auskünfte erteilt.

VfL Osnabrück im Visier

In Deutschland lagen die Schwerpunkte der Festnahmen in Berlin, Nürnberg und im Ruhrgebiet. In der Revierstadt Herten wurden nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Donnerstag mindestens sechs Verdächtige festgenommen. Die Ermittlungen werden von der Bochumer Staatsanwaltschaft geführt, in deren Gerichtsbezirk Herten liegt.

Kontakt zu Spieler von VfL Osnabrück

In Berlin waren fast zeitgleich die Brüder Ante und Milan S. verhaftet worden. Die beiden Kroaten waren vor fünf Jahren in den Wettskandal verwickelt, der mit dem Namen des ehemaligen Schiedsrichters Robert Hoyzer verbunden wird. Hoyzer hatte gestanden, 67.000 Euro für die Manipulation von Spielen erhalten zu haben. Er war dann wegen des banden- und gewerbsmäßigen Betruges zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Auch Ante S. war damals zu einer Haftstrafe verurteilt worden, sein Bruder Milan war mit einer Bewährungsstrafe davongekommen.

Die Wetten seien vor allem über Wettbüros in China abgewickelt worden. In Deutschland gehen die Ermittler dem Verdacht nach, dass das Freundschaftsspiel SSV Ulm gegen Fenerbahce Istanbul am 14. Juli 2009 manipuliert worden sein könnte. Der türkische Erstligist siegte 5:0. Exakt auf dieses Ergebnis sollen angeblich Wetten abgeschlossen worden sein. Wie aus den Unterlagen der Ermittler hervorgeht, gibt es den Verdacht, dass "bislang unbekannte Spieler des SSV für ihre Bereitschaft zu verlieren" Geld erhalten hätten. Der Hinweis, dass die Namen der angeblich geschmierten Spieler nicht bekannt seien, deutet allerdings darauf hin, dass dieser Anfangsverdacht vergleichsweise dünn ist.

Im Video: Im Zusammenhang mit einem Wettskandal sollen mindestens 200 Spiele im In-und Ausland manipuliert worden sein, darunter auch zahlreiche Spiele in Deutschland.

Weitere Videos finden Sie hier

Nach Informationen der Neuen Osnabrücker Zeitung sollen auch Profis des Zweitliga-Absteigers VfL Osnabrück verstrickt sein. Die Staatsanwaltschaft Bochum verdächtigt demnach einen 34-jährigen Mann aus Lohne, zwei Begegnungen des VfL in der vergangenen Zweitliga-Saison mit Hilfe von Osnabrücker Spielern manipuliert zu haben. Der Mann soll bereits verhaftet worden sein.

Betroffen sind angeblich die beiden Auswärtsspiele der Niedersachsen beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai. Der 34-Jährige hatte laut Vorwurf der Staatsanwaltschaft hohe Summen auf die beiden Partien gesetzt und sich dabei auf eine Tordifferenz festgelegt, die dann tatsächlich eintrat. Aus abgehörten Telefonaten der Polizei Bochum gehe hervor, dass der Verdächtige Kontakt zu mindestens einem VfL-Spieler aufgenommen habe.

In den Akten findet sich der Hinweis, dass angeblich ein Spiel zwischen den Amateuren von Borussia Mönchengladbach und dem SC Verl manipuliert werden sollte. "Unbekannte" mutmaßliche Wettbetrüger hätten "unbekannte Spieler" bestechen wollen. Entgegen der Verabredung habe Verl dann mit 4:3 Toren gewonnen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: