Wettskandal:Die zwei Gesichter des DFB

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Gerhard Mayer-Vorfelder zählt zu den peinlichsten Figuren der Republik- eine Affäre jagt die nächste. Auch Theo Zwanzigers Glaubwürdigkeit nimmt Schaden.

Von Thomas Kistner

Im Hollywood-Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" wird von einem Reporter erzählt, der in einem eingeschneiten Kaff immer wieder denselben Tag durchlebt, mit denselben Menschen und Situationen, der abends einschläft, morgens erwacht - und alles geht von vorne los.

Theo Zwanziger: Ein rechtschaffener Mann. Gerhard Mayer-Vorfelder: Symbol für Machterhalt um jeden Preis. (Foto: Foto: dpa)

So ein albtraumhaftes Dauererlebnis haben auch 6,3 Millionen Mitglieder des Deutschen Fußball-Bundes mit ihrem Präsidenten. Gerhard Mayer-Vorfelder zählt längst zu den peinlichsten Figuren der Republik; seit seiner Zeit als Landesminister und Klubchef des VfB Stuttgart jagt eine Affäre die nächste. Das Kürzel MV wurde zum Symbol für Machterhalt um jeden Preis.

Vor drei Jahren, als er DFB-Präsident wurde, hinterließ MV den Stuttgartern 30 Millionen Mark Schulden. Im Fußball hindert eine derartige Misswirtschaft nicht am Aufstieg: Mit 99-prozentiger Zustimmung wurde Mayer-Vorfelder auf den Verbandsthron gehievt.

Riss im Verband

Fragen zur inneren Verfassung des großen Fußball-Verbandes warf auch die Wiederwahl im Herbst 2004 auf. Schon damals war MV nur noch einer skandalresistenten Minderheit vermittelbar; seine präsidialen Alleingänge nach der trostlosen Fußball-Europameisterschaft in Portugal hatten zu einem Riss im Verband geführt.

Vize Theo Zwanziger erhob sich mit dem Votum der Amateurbasis und stellte dem Sonnenkönig ein Rücktritts-Ultimatum.

Wieder rettete der Taktierer seinen Posten. Er bat Bayern München um Hilfe, und der Liga-Primus wie das gesamte Profilager machten über ihre Deutsche Fußball Liga Druck.

Sie favorisierten einen geschwächten DFB-Chef, der über alles mit sich reden lassen muss - im Sinne des eigenen Machterhalts. Der Amateur Zwanziger ließ sich in letzter Sekunde übertölpeln und als Doppelspitze neben MV implantieren - sogar die Verbandsstatuten wurden geändert, um die Revolte der Braven niederzuschlagen.

Die Lex Mayer-Vorfelder wurde als beste Lösung bis zur Fußball-WM 2006 verkauft, eine der größten gesellschaftlichen Anstrengungen in diesem Jahrzehnt.

Bruder im Geiste

Hinter den Kulissen hatte sich auch ein Bruder im Geiste für MV eingesetzt: Sepp Blatter, der ähnlich von Affären umwitterte Boss des Fußballweltverbandes Fifa.

So hat der DFB zwei Präsidenten, obwohl er nur einen braucht. Eine lächerliche Konstruktion, deren einziger Nutzwert sich darin zeigt, dass sie die zwei Gesichter dieses DFB kenntlich macht.

Hier der manchmal pastorale Zwanziger, ein rechtschaffener Mann, der für die ehrenamtlichen Werte der Verbandsarbeit steht: angefangen bei Zehntausenden Familienvätern, die Freizeit, Geld und Familienleben opfern, um den Spielbetrieb im Jugend- und Amateurbereich überhaupt sicherzustellen.

Dies sind die Millionen an der Basis, die nur für den Spaß an ihrem Sport leben; Idealisten, die sich durch den Wettskandal ähnlich verschaukelt fühlen wie durch die undurchsichtige Vergabepolitik bei den WM-Tickets - Steuerzahler, denen weisgemacht wird, die Sponsoren bezahlten diese WM. Dies ist Zwanzigers Klientel.

Klüngelsystem MV

Chefkollege MV gehört zur professionellen Gegenwelt dieses Sports. Eine, die beherrscht wird von maßloser Geldgier und in Teilen regiert von Menschenhändlern und deren kickenden Söldnern.

Eine Spezies, die offenbar zu viele unter sich hat, die für ein paar Euro mehr gern Foulspiele jeder Art begehen, wie dieser Wettbetrug schon jetzt zeigt. Zu dieser Welt zählen auch die vielen Verbandsspitzen anderswo in der Fußballwelt, die Fifa-Familie.

Darunter Funktionäre mit krimineller Vita, für die bei der Weltmeisterschaft 2006 Sicherheitsvorkehrungen nicht gelten, die für alle anderen Besucher zwingend sind. Die Fifa-Familie, die stets treu zu ihrem Mayer-Vorfelder steht, genießt im Rahmen der WM hierzulande Zoll- und Steuerbefreiungen, sie erhält Privilegien bei der Erteilung von Visa und Arbeitsgenehmigungen.

Nun hat der Betrugsskandal die große Bundesliga erreicht. Und Zwanzigers Reinheitsgebot prallt mit voller Wucht auf das Klüngelsystem MV. Der trägt die politische Verantwortung dafür, dass der DFB die drängenden Hinweise auf verschobene Spiele nicht schon im Sommer verfolgt hat.

Zur Aufklärung der Affäre kann er jetzt nichts mehr beitragen - das ist Aufgabe der Staatsanwälte. Und dass der Verband am Ende jeden seiner gestrauchelten Helden verbannen wird, ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit.

Zwanziger will für neue Redlichkeit im Verband stehen. Den Anspruch kann er nur erfüllen, indem er die Affäre auf sportpolitischer Ebene bereinigt.

Glaubwürdigkeit beschädigt

Am Anfang stünde das Eingeständnis, dass der DFB versagt hat, und nicht länger vorgeben wird, er sei nach den frühen Hinweisen Gefangener externer Zuständigkeiten gewesen.

Diese bis heute gültige Darstellung, man sei von Kripo und Wettfirmen in eigenen Ermittlungen gebremst worden (so sehr, dass man nicht einmal wagte, einen belasteten Schiedsrichter zu überwachen), diese Darstellung ist dreist.

Mit jedem Tag, an dem sie Bestand hat, wird auch Zwanzigers Glaubwürdigkeit beschädigt. Es muss Konsequenzen geben gegen den Hauptverantwortlichen Mayer-Vorfelder und dessen liebedienerische Verbandsjuristen.

Die schützt nur noch dieses System aus Kameraderie und Abhängigkeit, das zu zerschlagen Zwanzigers Auftrag war.

© SZ vom 3.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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